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Bewaffnete Taliban-Kämpfer patrouillieren nach ihrer Machtübernahme durch Kabul. 

© dpa

Update

Lage in Afghanistan: Bestürzung in der Potsdamer Moschee

Der Verein der Muslime hofft, dass sich die Situation bald stabilisiert und Frieden einkehrt. Am Sonntag kamen weitere Ortskräfte aus Afghanistan in Brandenburg an.

Potsdam - Die dramatischen Ereignisse in Afghanistan beschäftigen auch den Verein der Muslime, der Potsdams einzige Moschee in der Straße Am Kanal betreibt. Der dortige Imam und Vereinsvorsitzende Kamal Abdallah sagte den PNN am Freitag auf Anfrage, man sei „bestürzt hinsichtlich der momentanen politischen Umbrüche in Afghanistan“. Unterdessen kamen am Sonntag weitere Ortskräfte aus Afghanistan in Brandenburg an.

Man hoffe und bete dafür, „dass sich die Situation bald stabilisieren wird und in Frieden übergeht, damit die Bevölkerung zur Ruhe kommen kann“, so Imam Kamal Abdallah. Allerdings nimmt das Geschehen keinen zentralen Platz in den für Muslime wichtigen Freitagsgebeten der Moschee ein – die derzeit unter Corona-Auflagen und mit Online-Registrierung stattfinden können. Dieses Gebet sei „dafür da, Alltagsthemen wie die Integration und das Zusammenleben bei uns zu fördern“. 

Imam Kamal Abdallah.
Imam Kamal Abdallah.

© Sebastian Gabsch

Als Gemeinde mit Mitgliedern aus rund 25 Nationen sei „es uns wichtig, das gemeinsame Zusammenkommen zu fördern.“ Da versuche man auf politische Auseinandersetzungen in Ursprungsländern der Mitglieder zu verzichten. „Wir sehen uns als Bindeglied der Muslime zu ihren Mitmenschen und hoffen mit unserer Arbeit die Gesellschaft zu bereichern.“

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Den Verein gibt es seit 1998. Er lehrt nach eigenen Angaben den „klassisch-sunnitischen Islam, dem die Mehrheit der Muslime angehört“. Der Verein verfolge „ausdrücklich keine politischen oder nationalistischen Ziele“, man distanziere sich von Gewalt gegen Personen oder Gruppen, heißt es in der Eigendarstellung.

Von 4081 schutzsuchenden Migranten in Potsdam sind nach Angaben der Stadt rund 13 Prozent aus Afghanistan, das ist die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe in der Stadt. Rund 47 Prozent der Geflüchteten stammen aktuell aus Syrien.

Weitere Ortskräfte in Brandenburg angekommen

In Brandenburg sind am Sonntag über 100 weitere Ortskräfte inklusive ihrer Angehörigen aus Afghanistan angekommen. Sie wurden nach Angaben des Innenministeriums ebenfalls in der Erstaufnahme in Doberlug-Kirchhain im Landkreis Elbe-Elster untergebracht. Zunächst trafen dort am Sonntag 57 Menschen aus Afghanistan ein, darunter 20 Kinder und Jugendliche. Am Abend kamen weitere 54 Menschen dort an. Weil ein Kind eine blutende Lippe gehabt habe, sei es auf der Fahrt im Beisein der Mutter und einem weiteren Kind in ein Krankenhaus gekommen. Sie sollten am Montag ebenfalls nach Brandenburg kommen.

Damit trafen bisher 178 Menschen aus Afghanistan in der Erstaufnahme ein. In der Nacht zum Montag würden weitere 80 Ortskräfte mit Familien erwartet, sagte der Ministeriumssprecher. Damit wären es nach Ankunft auch der Mutter und der zwei Kinder insgesamt 261 Menschen. Am Freitag waren bereits 59 Evakuierte aus Afghanistan in die Einrichtung gekommen, später acht weitere. In den kommenden Tagen soll sich entscheiden, in welche Bundesländer sie kommen. Eine weitere Aufnahme ist bisher nicht in Aussicht.

Verteilung auf andere Bundesländer erfolgt in den kommenden Tagen

In den kommenden Tagen sollen die Evakuierten auf andere Bundesländer verteilt werden. „Das wird das Bamf (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) Anfang der Woche festlegen“, sagte der Leiter der Zentralen Ausländerbehörde von Brandenburg, Olaf Jansen, der Deutschen Presse-Agentur. Nach seinen Angaben nahmen oder nehmen bisher Hamburg, Rheinland-Pfalz, Berlin und Brandenburg Ortskräfte auf. Die Rettungsaktion der Bundeswehr war nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban vor wenigen Tagen gestartet.

Der Behördenchef bezeichnete den Gesundheitszustand der vor Sonntag angekommenen Menschen als gut. „Die Kinder haben das insbesondere gut weggesteckt“, sagte Jansen. Mit einigen Erwachsenen führten Sozialarbeiter und Sozialpädagogen sogenannte Entlastungsgespräche, damit sie die Geschehnisse loswerden könnten. „Gesundheitlich sind alle in gutem Zustand.“ Die 67 Evakuierten haben nach seinen Angaben bereits Antigen-Schnelltests gemacht, um eine Corona-Infektion zu prüfen. Die Tests seien alle negativ gewesen, sagte Jansen. 

Die Bundesregierung bemüht sich nach Angaben von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) mit den USA um die Möglichkeit sicherer Ausreisen aus Afghanistan auch in Zukunft. „Unsere Bemühungen richten sich jetzt nicht nur darauf, dass wir diejenigen am Flughafen nach Deutschland kriegen, die jetzt Schutz brauchen“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat am Sonntag bei einem Wahlkampftermin in Potsdam. „Wir wollen auch erreichen zusammen mit den Amerikanern, dass eine Situation entsteht, wo die künftige Regierung zulässt, dass solche Ausreisen aus Afghanistan auch vielleicht über den zivilen Teil des Flughafens - das wäre das Schönste - zukünftig möglich sind.“ (mit dpa)

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