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Freiland. Das Jugendkulturzentrum wird von der Stadt gefördert.

© A. Klaer

Kritik vom Landesverfassungsschutz: Antifa-Kampfsport-Aktion im Freiland

Der Landesverfassungsschutz kritisiert eine Antifa-Kampfsport-Aktion im Freiland. Das Rathaus sieht aber keinen Handlungsbedarf.

Potsdam - Das von der Stadt mit jährlich 190.000 Euro geförderte Jugendzentrum Freiland ist erneut in den Fokus des Verfassungsschutzes geraten. Grund ist ein antifaschistisches Kampfsport-Wochenende, das in den vergangenen beiden Jahren auf dem „Freiland“-Gelände stattgefunden hat – und auch im Juni 2020 wieder durchgeführt werden soll.

Der Verfassungsschutz des Landes Brandenburg hat dieses Event in seinem jüngsten Bericht für 2018 aufgelistet – als Beispiel dafür, wie sich die linksautonome Szene intern auf „körperliche Auseinandersetzungen“ mit Rechtsextremen vorbereitet. So seien bei dem „Anti-Fascist-Martial Arts Event“ vom 8. bis 10. Juni 2018 „praktische Übungen und Workshops zu Strategien der Selbstverteidigung und Verhalten bei Angriffen“ gelehrt worden. Weiter heißt es dazu von der dem Innenministerium unterstellten Sicherheitsbehörde: „Solche Veranstaltungen verdeutlichen die Gefahr, dass innerhalb der vorhandenen Rückzugsräume Aktionen gegen den politischen Gegner und die Polizei geübt und geplant werden. Somit sinkt Stück für Stück die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung.“

"Finale Tatsachen schaffen"

Veranstalter ist die Berliner Initiative „Randgestalten“, geworben wird mit dem Namen „Sternfabrik“: So sieht man auf der Internetseite eine Zeichnung mit einem wütenden Mädchen, das einem aufrecht stehenden Hund mit einer Flasche gegen den Kopf schlägt, im Comic-Stil sieht der Hund danach Sternchen. Für die Kurse in diesem Jahr hieß es, man könne „Spiel und Spaß mit Stöcken und anderen Waffen“ erleben. In einem weiteren Kampfkunst- Kurs gehe es darum, „in einem Kampf finale Tatsachen zu schaffen und eigene Kollateralschäden zu minimieren: „Das Ziel ist es, Trainingspartner*innen/ Gegner*innen zu kontrollieren und durch Hebeln oder Würgen zur Aufgabe zu zwingen, wobei das freiwillige Aufgeben dem Schutz vor schweren Verletzungen oder dem Verlust des Bewusstseins dient.“ Oder: „Wir entwickeln einen Plan, wie ihr aus dem Stand eure Gegner*in durch Takedowns zu Boden bringt. Wie bereitet ihr diese mit Schlägen oder Kicks vor?“

Im Freiland widerspricht man auf PNN-Anfrage der Einschätzung des Verfassungsschutzes, wonach derartige Aktionstage die Gewalthemmschwelle senken. „Wir halten diese Darstellung für falsch, von reiner Spekulation und einer gefährlichen Unkenntnis geprägt“, erklärte Freiland-Sprecherin Klara Naegler in einer mit dem dortigen Plenum abgestimmten Stellungnahme. Es handele sich um ein Kampfsport-Event zur Selbstverteidigung: „Auch das Wissen um Auseinandersetzungen kann dabei helfen, sich vor Gewalterfahrungen zu schützen“. Wie man darauf kommen könnte, dass hier „Aktionen gegen den politischen Gegner und die Polizei geübt und geplant werden“, „ist uns schleierhaft und erinnert stark an die versuchte Kriminalisierung der Demotrainings für Jugendliche bei uns“. Wie berichtet hatte der Verfassungsschutz schon 2017 ein Demotraining im Freiland kritisiert, bei dem es laut Titel darum ging, gegen „Bullenstrategien“ zu widerstehen. Laut Freiland sei es aber um „Methoden des friedlichen Protests“ gegangen.

Freiland widerspricht der Darstellung

Auch diesmal sieht man im Freiland das „Martial Arts“-Event ins falsche Licht gerückt. Laut Sprecherin Naegler wird vielmehr ein „Raum geschaffen“, in dem „auch Kampfsport entspannt und solidarisch ausgeübt werden kann“ – was sonst in Fitness- oder Kampfsportstudios häufig in einer Umgebung stattfinden müsse, „in der Diskriminierung und Herabwürdigung alltäglich sind“ und wo man immer wieder auf Neonazis treffe. Hier sei die „Sternfabrik“ ein „Frei- wie auch Schutzraum“, gerade auch für Frauen oder Transgender-Personen. Dahinter stehe auch der Anspruch, „Diskriminierungsformen zu benennen“ und Ideen zu entwickeln, wie man diese im Training und auch in der Gesellschaft auflösen könnte. Es gehe bei dem Festival eben nicht nur um Kampfsport, sondern es würden auch Workshops zu Themen wie Sport und Gewalt, Körpergrenzen und zum solidarischen Miteinander angeboten. „In einer Zeit, in der Diskriminierung und Angriffe immer häufiger auf der Tagesordnung stehen und wieder eine faschistische Partei in den Parlamenten sitzt, welche die Angst vor allem Fremden schürt, sind solche diskriminierungssensiblen Veranstaltungen umso wichtiger“, so die Sprecherin. Daher soll die „Sternfabrik“ vom 12. bis 14. Juni 2020 wieder stattfinden.

Rathaus: Kein Handlungsbedarf

Die Stadt Potsdam hat mit dem Kampfsporttraining offenbar kein größeres Problem. Auf PNN-Anfrage teilte eine Rathaussprecherin am Montag mit, im Nachgang der Veranstaltung im Juni habe man sich mit dem Betreiber des Geländes ausgetauscht. Dabei sei versichert worden, „dass die Veranstaltung nicht darauf ausgerichtet war, Aktionen gegen die politischen Gegner und die Polizei zu üben.“ Inhalt und öffentlicher Aufruf zu Veranstaltungen hätten „auf den Grundpfeilern unseres Rechtsstaates zu beruhen“, so die Stadtsprecherin.

Das Innenministerium wollte sich zu dieser Haltung nicht weiter äußern: Der Verfassungsschutz informiere zwar über extremistische Tendenzen, damit etwa Kommunen angemessen reagieren könnten, sagte ein Sprecher. Man werde aber keine öffentlichen Ratschläge erteilen, sondern stelle es den Kommunen anheim, „das gegebenenfalls Erforderliche in eigener Verantwortung zu tun“.

Aufmerksam ist auch die AfD geworden

Aufmerksam auf die Veranstaltungen ist man auch schon bei der rechtspopulistischen AfD und ihrem neuen Online-Portal „Blick nach links“ geworden. Dort heißt es unter Bezug auf Fotos, die Teilnehmer hätten unter einem Banner mit der Aufschrift „Manchmal helfen nur Schellen“ der „Antifaschistischen Aktion“ trainiert. Es gehe nicht um Selbstverteidigung, sondern um „aktiven Kampf“, heißt es auf der AfD-Seite. Schon mehrfach hatte die AfD die Freiland-Förderung der Stadt infrage gestellt. Die Stadt hat hingegen keine Bedenken – Freiland werde als „Ort selbstbestimmter und selbstorganisierter Jugendkultur gefördert“. Auch das Innenministerium noch dieses Jahr auf AfD-Anfrage erklärt, beim Freiland handele es sich nicht „um eine linksextremistische Liegenschaft“. Es sei aber auch nicht auszuschließen, „dass an offen beworbenen Veranstaltungen auf dem Gelände auch Linksextremisten teilgenommen haben“, so das Ministerium.

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