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Verschwendungsvorwürfe: Die IHK Potsdam – ihren Sitz hat sie in der Breiten Straße – steht in der Kritik.

© Ralf Hirschberger

Landeshauptstadt: Kritik: IHK fehlt der Wille zur Aufklärung

Experte hält Bemühungen der Kammer im Fall Stimming für ungenügend. Grüne wollen Kontrolle durch Landesrechnungshof

Von Matthias Matern

Der Bundesverband für freie Kammern in Deutschland (BffK) kritisiert die Aufklärungsbemühungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam in der Affäre Stimming als ungenügend. „Die Suspendierung des Hauptgeschäftsführers Kohl ist richtig, darf aber nur der erste Schritt sein“, forderte BffK-Geschäftsführer Kai Boeddinghaus am Donnerstag. Auch die Mitglieder der Vollversammlung müssten sich kritisch hinterfragen, denn das Gremium habe „als demokratisches Kontrollorgan nicht funktioniert“.

Vorwürfe machte Boeddinghaus auch dem brandenburgischen Wirtschaftsministerium, der Rechtsaufsicht über die Kammern. Lange vor dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Ex-Kammerpräsident Victor Stimming habe der BffK die Landesregierung „auf die Defizite in der Rechtsaufsicht und konkrete daraus resultierende Probleme in Brandenburg“ aufmerksam gemacht, aber „nur auf Granit gebissen“, so der BffK-Chef.

Fragwürdig findet der Kammerkritiker auch die für Kohl getroffene Nachfolgeregelung. Wie berichtet war der im Zuge der Verschwendungsvorwürfe gegen den zurückgetretenen Kammerpräsidenten ebenfalls in die Kritik geratene IHK-Hauptgeschäftsführer René Kohl am Mittwoch überraschend vom Präsidium suspendiert worden – mit der äußerst dürftigen Begründung, dieser habe sich an einen Präsidiumsbeschluss nicht gehalten. Eigentlich wurde vielmehr mit einer Freisetzung Kohls unter vollen Bezügen gerechnet. Ob mit Manfred Wäsche als kommissarischen Geschäftsführer, bisher Leiter des Geschäftsbereichs Wirtschaft und seit rund 18 Jahren bei der IHK, ein Neuanfang möglich sei, dürfe bezweifelt werden, so Boeddinghaus. Überhaupt stelle sich die Frage, warum nicht entsprechend des Organigramms die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Gundula Stelzner an die Spitze gerückt sei. Als Leiterin des Fachbereichs Finanzen, Organisation, Personal hat sie das System Stimming offensichtlich nicht verhindern können oder wollen, so der Kammerkritiker. Denn offenbar müsse nur Kohl seinen Hut nehmen, von Stelzner sei gar keine Rede.

Wie bei Stimming prüft die Staatsanwaltschaft Potsdam auch bei Kohl den Anfangsverdacht der Untreue. Stimming werden etwa verschwenderische Präsidiumssitzungen auf der Mittelmeer-Insel Malta, ein Luxusdienstwagen, eine jährliche Aufwandsentschädigung über 30 000 Euro sowie die Beschäftigung einer Sekretärin in seiner Baufirma auf IHK-Kosten vorgeworfen. Kohl war an den Präsidiumsbeschlüssen beteiligt.

Am Mittwoch hatte sich die Vollversammlung der Kammer wie berichtet auf einige Eckpunkte für die Aufklärung des Skandals verständigt. So wurde der Haushaltsausschuss erweitert und die Einbeziehung externer Wirtschaftsprüfer beschlossen. Damit sich IHK-Funktionäre künftig nicht mehr selbstherrlich Luxusdienstwagen oder andere unangemessene Annehmlichkeiten organisieren können, sollen zudem eine Beschaffungsrichtlinie und eine Compliance-Regelung, also ein Verhaltenscodex erarbeitet werden. „Beschaffungsrichtlinien sind nichts Innovatives. Das machen derzeit alle Kammern, und mit Compliance-Regeln allein erreicht man noch keine demokratische Binnenkultur“, kritisierte BffK-Chef Boeddinghaus. „Wenn die IHK Potsdam sich jetzt mit Alltagsgeschäft rühmt, dann zeigt das, dass es bei der Aufklärungsbereitschaft noch erhebliches Entwicklungspotenzial gibt.“

Die Grünen im Landtag fordern, die Kammern unter die Kontrolle des Landesrechnungshofes zu stellen. Andere Länder wie Bayern, in denen es ähnliche Probleme gegeben habe, hätten positive Erfahrungen mit einer solchen Regelung gemacht, so Fraktionschef Axel Vogel. Die Kammern halten dies für unnötig. „Der gesetzliche Auftrag verlangt von der IHK-Organisation, dass sie unabhängig von der Politik die Interessen ihrer Mitgliedsunternehmen vertritt. Daher bedarf sie als Selbstverwaltungsorgan der Wirtschaft auch keiner finanziellen Kontrolle durch Behörden“, erklärte Klaus Aha, Präsident der IHK-Cottbus und Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der IHKn in Brandenburg.

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