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In vielen Teilen der Innenstadt gilt in Potsdam eine Maskenpflicht

© Ottmar Winter PNN

Kritik an Corona-Management in Potsdam: Fehlende Schnittstellen und Computer

Hat sich die Stadtverwaltung ausreichend auf die zweite Corona-Welle vorbereitet? Weil sich Missstände häufen, äußern Stadtpolitiker Zweifel. Es gibt aber auch gute Nachrichten.

Potsdam - Die Potsdamer Rathausspitze um Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) gerät wegen des Corona-Managements der letzten Monate zunehmend unter Rechtfertigungsdruck. Für parteiübergreifende Kritik sorgte am Dienstag die fehlende Anbindung Potsdams an das bundesweite Meldesystem für Infektionskrankheiten – das bundesweit längst Standard ist. 

Das Rathaus ist, anders als fast alle anderen Kommunen in Deutschland, nicht in diesem verbesserten Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (Demis) vertreten. Dieses soll seit Juni 2020 in der Corona-Pandemie eine „durchgängig elektronische Informationsverarbeitung ermöglichen“, wie das Robert Koch-Institut auf seiner Internetseite schreibt. 

Elektronische Meldung statt Fax

So hätten Labore die Möglichkeit, Corona-Nachweise elektronisch an die zuständigen Gesundheitsämter zu melden: „Die elektronische Meldung löst die Meldung per Fax ab, wodurch die Übertragung der personenbezogenen Daten sicherer wird.“ Damit könnten Daten zur Pandemie in den Gesundheitsämtern schneller verarbeitet werden, sagte eine RKI-Sprecherin auf PNN-Anfrage. Bisher seien 342 der 375 Gesundheitsämter in Deutschland angebunden, so das RKI. Auf einer Karte des Meldesystems ist Potsdam der einzige blinde Fleck im Land Brandenburg. 

Allerdings ist das Tool aus Sicht von Rathaussprecher Jan Brunzlow "weder für die Verfolgung von Infektionsketten noch Kontaktverfolgung hilfreich". Es sei "ein reines Statistiktool und neben den Meldungen an das Land eine zusätzliche, weitere zu pflegende Datenbank" - dessen Anschluss man nun aber realisieren werde.

Kritik aus mehreren Fraktionen

Die bisherige Nichtteilnahme der Stadt an dem System war bereits der Fraktion Die Andere aufgefallen, die dazu eine kritische Kleine Anfrage gestellt hat. „Aus unserer Sicht wäre es erforderlich gewesen, sich in den Sommermonaten auch technisch so auszurüsten, dass die Arbeitsabläufe optimiert und die Beschäftigten im Gesundheitsamt, Laboren und RKI entlastet werden", teilte die Fraktion mit. Als „enttäuschend und ernüchternd“ bezeichnete CDU-Fraktionschef Götz Friederich am Dienstag die Meldung. 

Den PNN sagte er, es scheine, als sei der Leidensdruck im Rathaus noch nicht hoch genug, „als dass proaktiv alles daran gesetzt wird, die Verwaltung digitaler und smarter zu gestalten“. Der Handlungsdruck, dass Potsdam an das System angebunden wird, sei hoch, fügte er hinzu: "Wir können heute nicht mehr mit reiner ’Manpower’ versuchen, die Herausforderungen einer modernen Verwaltung, die Unmengen an Datenerfassungen und – Verarbeitungen abzuarbeiten – zumal die Stellen nicht besetzt und der Krankenstand und die Überlastungsanzeigen hoch sind.“

Unzufriedenheit auch bei den Linken

Es müssten noch technische Fragen in Bezug „auf Schnittstellen“ geklärt werden, hatte eine Rathaussprecherin die fehlende Anbindung begründet. Das sorgte auch in der rot-grün-roten Rathauskooperation für Unverständnis. Linke-Fraktionschef Stefan Wollenberg teilte mit: „Es ist seit längerem bekannt, dass die Landeshauptstadt im IT-Bereich grundsätzlicheren Nachholbedarf hat.“ 

So müsse die Stadt eine bereits angekündigte Prioritätenliste vorlegen und sicherstellen, dass kritische Projekte wie der Einstieg in das Meldesystem des RKI „zuerst angegangen werden“. Die Stadtverwaltung nannte dafür bisher noch keinen Zeitplan. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hatte zuletzt öffentlich verkündet, die Pandemiebewältigung stehe im Rathaus an erster Stelle.

Oberbürgermeister Mike Schubert.
Oberbürgermeister Mike Schubert.

© Andreas Klaer

Zu wenig Rechner, zu schlecht ausgestattet

Wie berichtet hat die Stadt seit Monaten mit Problemen bei der IT-Ausstattung zu kämpfen, auch für das Homeoffice der Angestellten oder Videokonferenzen der Stadtverordneten, die sich diese Woche wieder in Ausschüssen treffen müssen, stehen derzeit zu wenig Rechner oder nur mangelhafte Software zur Verfügung. 

Letzteres kritisierte am Dienstag der Linke-Fraktionsgeschäftsführer Sascha Krämer, der auch mehrere Gemeinden in Brandenburg nennen konnte, in denen Kommunalvertreter ihre Ausschusssitzungen inzwischen digital abhalten. „Hier muss die Stadt schnell nachrüsten.“ So seien die Rechner für die Stadtverordneten nicht für solche Videoformate geeignet. Vor wenigen Tagen hatte die Stadt zudem eingeräumt, dass im Rathaus weniger mobile Endgeräte für die Arbeit im Homeoffice zur Verfügung stehen als geplant - weitere Rechner seien erst bestellt.

Weitere Probleme in der Gesundheitsbehörde vor Lösung

Zugleich hat das Gesundheitsamt nicht nur mit hausgemachten Problemen zu kämpfen. So besteht nach PNN-Informationen eine Vereinbarung mit dem Land, wonach die Stadt Potsdam alle Heilpraktiker-Prüfungen für ganz Brandenburg abnehmen muss. Die Sorge: Wegen der anstehenden mündlichen Prüfungen unter erschwerten Corona-Bedingungen könnten wichtige Mitarbeiter des Amts zu lange gebunden sein. Doch das ist offenbar vom Tisch. 

"Die Problematik wird gelöst", sagte Rathaussprecher Brunzlow. Nicht mit Ärzten des Gesundheitsamtes, sondern mit Medizinern im Ruhestand und mit Hilfe des Bergmann-Klinikums würden die Prüfungen nun durchgeführt. Auch weitere pflichtige Leistungen wie Zahnuntersuchungen in den Kitas seien abgesichert. Generell werde in dem Bereich aktuell sieben Tage die Woche gearbeitet. Ohne dieses Engagement würde sich Potsdam wohl in einer noch angespannteren Lage befinden, hatte OB Schubert bereits gelobt.

Etwas weniger neue Infektionen

Gute Nachrichten gab es am Dienstag von der Corona-Front. So hat sich die Dynamik bei den Ansteckungszahlen scheinbar ein wenig abgeschwächt. Am Mittag meldete die Stadtverwaltung drei Neuinfektionen binnen 24 Stunden, am Tag zuvor waren es acht. Der sogenannte Sieben-Tage-Inzidenzwert liegt damit bei 102,6 – also etwa auf Landesniveau. 788 Potsdamer befinden sich in Quarantäne, fast doppelt so viele wie vor einer Woche. 

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Zugleich verläuft der Corona-Ausbruch im Potsdamer Vitanas-Seniorenzentrum am Volkspark offenbar glimpflich. Leiterin Becky Fischer-Liebe sagte den PNN, bei den mehr als 20 positiv getesteten Bewohnern seien bis jetzt keine Symptome aufgetreten. Neun ebenfalls positiv getestete Mitarbeiter könnten vermutlich Ende der Woche wieder zur Arbeit erscheinen, sagte sie.

Das Vitanas-Seniorenzentrum am Volkspark.
Das Vitanas-Seniorenzentrum am Volkspark.

© Sebastian Gabsch

Mehr Patienten in den Kliniken

Gestiegen ist aber die Patientenzahl in den Krankenhäusern: Im Bergmann-Klinikum werden 29 Personen auf der Normal- und sieben Patienten auf der Intensivstation behandelt. Im St. Josefs-Krankenhaus werden derzeit sechs Menschen auf der Normalstation betreut. Das sind insgesamt 15 Corona-Patienten mehr als noch vor einer Woche.

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