zum Hauptinhalt
Der Kinderbauernhof in Groß Glienicke soll abgerissen werden.

© Andreas Klaer/PNN

Kritik an Bauverwaltung: Wieder Hoffnung für Kinderbauernhof

Ein Gutachter kritisiert die Abrissverfügung der Potsdamer Bauverwaltung scharf. Es gibt also noch Hoffnung für das Projekt in Groß Glienicke.

Potsdam - Für den vom Rathaus nicht ausreichend genehmigten und daher vom Abriss bedrohten Kinderbauernhof am Eichengrund gibt es doch Hoffnung. So habe die Bauverwaltung – entgegen ihrer bisher geäußerten Auffassung – durchaus Möglichkeiten und Ermessensspielräume, die von der dortigen Kita Spatzenhaus genutzte Anlage doch noch für legal zu erklären. Zu diesem Ergebnis kommt ein den PNN und auch der Bauverwaltung vorliegendes Gutachten eines ausgewiesenen Fachmanns für Baufragen – Gerd Gröger, der frühere langjährige Leiter der Oberen Bauaufsicht des Landes. Diesen Spezialisten hat jüngst der Spatzennest-Verein um Expertise gebeten.

Gröger widerspricht in seinem Gutachten explizit dem von Andreas Goetzmann geleiteten Fachbereich für Stadtplanung, der in einer neuen Vorlage für die Stadtverordneten jüngst noch einmal betont hatte, dass der Weiterbetrieb der seit mehr als fünf Jahren bestehenden Anlage „bauordnungs- und planungsrechtlich nicht möglich“ sei und daher umziehen müsse. Dabei hatten die Stadtverordneten eigentlich die Fortführung der Anlage vor Ort beschlossen, auch im Sinne vieler Eltern und Kinder in Groß Glienicke. Allerdings hat die Verwaltung nach Angaben von Spatzennest-Anwalt Andreas Seeck inzwischen schon insgesamt mehr als 15 Nutzungsuntersagungen und Abrissverfügungen gegen den Inhaber und die Nutzer des Hofs erlassen, gegen die allesamt Widersprüche eingelegt worden sind.

Die Bauverwaltung hätte ihren Ermessensspielraum nutzen können

Mit diesem harschen Vorgehen hat sich nun Experte Gröger beschäftigt. Dabei kommt er zwar auch zu dem Ergebnis, dass eine Baugenehmigung fehlt. Allerdings befinde sich die Bauverwaltung nach dieser Feststellung im Ermessensbereich – dieser Spielraum werde aber in keiner Weise ausgeschöpft, wie Gröger erklärt. Das sei unverhältnismäßig. Schließlich gehe es auch um massive Eingriffe in Eigentumsrechte des Grundstücksinhabers, der die einst maroden Ex-Schweine- und Reitställe nach eigenen Angaben ab 2008 wieder hergerichtet hatte. Ferner bestehe weiter der Bestandsschutz der Gebäudesubstanz für eine Stallnutzung.

Allerdings argumentiert die Bauverwaltung, dass die Anlage auf einem früheren LPG-Gelände aus mehreren Gründen auch künftig nicht genehmigungsfähig sei – weil dort etwa im Flächennutzungsplan eigentlich Wald verzeichnet sei. Doch eine genaue Begründung, in welcher Intensität öffentliche Belange wie Naturschutz beeinträchtigt würden, liefere die Verwaltung nicht, stellt Gröger fest. So sei auf der anderen Straßenseite noch 2005 eine Motocrossstrecke im nachträglichen Genehmigungsverfahren erlaubt worden, führt er aus. Es liege auf der Hand, dass das einen schwereren Eingriff in Natur und Landschaft darstelle als ein Kinderbauernhof, so Gröger. Damit werde der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.

Auch die Darstellung als Wald im Flächennutzungsplan sei laut Gröger nicht entscheidend – seit den 1950er Jahren werde das Gelände anders genutzt, ein anderer Gestaltungswille sei auch nie begründet worden. Auch in der offiziellen Waldkarte des Landes werde das Grundstück nicht als Forst ausgewiesen. Andere Probleme seien entgegen der Argumente der Verwaltung nicht vorhanden: Die dort vom Inhaber extra betriebene Autowerkstatt sei komplett ausgerüstet, um Umweltschäden zu vermeiden. 

Auch eine vom Rathaus angeführte Vorbildwirkung, sollte doch genehmigt werden, fürchtet Gröger nicht – dafür sei der Fall zu speziell. Als Ausweg empfiehlt er der Kita, alle Rechtsmittel auszuschöpfen – und dem Inhaber, schnellstmöglich einen nachträglichen Bauantrag einzureichen, mit dem sich die Verwaltung dann beschäftigen müsste. Ebenso könne auch der für die Gegend in Aufstellung befindliche Bebauungsplan noch um den Bauernhof erweitert werden, so Grögers Auffassung.

Die Stadtverwaltung teilte dazu auf PNN-Anfrage mit, die Auffassung, die gesamte Anlage sei baurechtlich genehmigungsfähig, „wird nicht geteilt“. Die rechtlichen Erwägungen seien „im Wesentlichen unzutreffend“, so ein Stadtsprecher.

Auch wegen Korruption wird ermittelt

Der Fall wird noch verkompliziert, weil parallel Korruptionsermittlungen stattfinden. Denn der Bau der Anlage fand nicht im luftleeren Raum statt. 2008 gab es unter anderem Vor-Ort-Begehungen mit der Bauverwaltung – aber ein Bauantrag folgte nach mündlichen Absprachen nicht. Nach anonymen Hinweisen war dann im vergangenen Jahr die auf Korruptionsdelikte spezialisierte Staatsanwaltschaft Neuruppin aktiv geworden. Diese ermittelt gegen den Hofinhaber und einen schon seit Monaten suspendierten Chef in der Bauverwaltung – dieser soll das Vorhaben geduldet und dafür Vorteile erhalten haben, so der Vorwurf. Noch im Februar solle feststehen, ob Anklage erhoben, oder das Verfahren eingestellt wird, sagte ein Behördensprecher auf PNN-Anfrage.

Auch auf diese Vorgeschichte geht Fachmann Gröger ein. So habe die Bauverwaltung mit den früheren Ortsterminen gegen ihre eigene Beratungspflicht verstoßen – denn sie hätte den Bauherrn auf die Notwendigkeit eines Bauantrags hinweisen müssen, so sein Argument.

Die Bauverwaltung hatte sich hingegen zuletzt kompromisslos gezeigt – und einen Alternativstandort an der besagten Motocrossstrecke vorgeschlagen. „Wie soll das gehen?“, sagte auch Stephan Albrecht vom Spatzennest-Verein unter Verweis auf das Wohl der Tiere im Bauernhof. Zudem müssten bei einem Umzug die Kinder immer über die vielbefahrene Landesstraße 20 laufen. Auch der Hofinhaber hat nach PNN-Informationen bereits Widerstand gegen das Vorgehen der Verwaltung angekündigt – mit juristischem Beistand. Albrecht wiederum sagte, man wolle auch eine Internet-Petition zum Erhalt starten. Sein weiteres Argument: Dem Rathaus war der Bau bekannt, es gab Genehmigungen vom Veterinär- und Jugendamt.

Auch die Stadtverordneten werden sich weiter mit dem Fall befassen. Die nun von Gröger angegriffene Mitteilungsvorlage der Bauverwaltung soll noch im Bau- und im Hauptausschuss beraten werden.

Zur Startseite