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Kriminelle Karriere von Christian Müller: Intensivstraftäter provoziert Potsdam mit Pogida

UPDATE: Pogida-Anmelder Christian Müller ist bei der Polizei einschlägig bekannt und kann auf eine Karriere als Straftäter zurückblicken: Er saß fünf Jahre im Gefängnis und hat über 170 Einträge bei der Polizei.

Potsdam - Am Mittwoch waren es nach offiziellen Angaben der Polizei 85 Teilnehmer beim fremdenfeindlichen Pogida-Aufmarsch in Babelsberg. Brandenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke sagte am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags, anfänglich seien es im Januar bei den wöchentlichen „Abendspaziergängen“ noch 300 Teilnehmer gewesen, damals vorwiegend Rechtsextreme. Inzwischen seien es nur noch zur Hälfte Rechtsextreme, der Rest seien normale Bürger.

Allerdings ist fraglich, ob die Teilnehmer wissen, wem sie da hinterhermarschieren, wer da mit seinem Pogida-Marsch jede Woche für massive Gegenproteste, teure Großeinsätze der Polizei und weiträumige Verkehrseinschränkungen sorgt. Pogida-Anmelder Christian Müller selbst hatte Ende Januar bei seiner Demonstration erklärt: „Ich habe bisher immer für Recht und Ordnung gekämpft. Ich habe aber auch hier und da mal gegen das Gesetz verstoßen, aber man ändert sich.“

Müller: Es habe sich um Fußballdelikte gehandelt

Die Angaben des 32-Jährigen zu seiner Vergangenheit dürften untertrieben gewesen sein. Auch seine Aussagen gegenüber den PNN, er sei wegen Nötigung und Körperverletzung verurteilt worden, es habe sich um Fußballdelikte gehandelt, in Haft habe er noch nicht gesessen, sondern nur Bewährungsstrafen erhalten.

Tatsächlich hat er nach PNN-Recherchen eine Karriere als Intensivtäter hinter sich. Bei der Polizei ist Müller einschlägig bekannt – mit einer ganzen Reihe von Delikten. Im internen Computer-Fahndungssystem der Polizei wird er als Straftäter der allgemeinen Kriminalität geführt. Insgesamt 170 Strafverfahren sind in dem System für die Jahre 2002 bis 2015 bei Müller verzeichnet, außerdem wird er dort mit den Vermerken Drogenkriminalität, „bewaffnet“ und „gewalttätig“ geführt. Bei den meisten Fällen handelte es sich um Nötigungen, Bedrohungen und Körperverletzungen. Weiterhin hat die Polizei gegen Müller mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet wegen Mitführens und Besitzens von Waffen und gefährlichen Gegenständen. Dazu zählen, wie seit dem Jahr 2000 erfasst wurde, Messer, Schreckschusspistolen, eine Luftdruckpistole, Reizgas und zuletzt im Jahr 2015 ein Gewehr der Marke Walther samt Munition. Laut Bild-Zeitung will Müller die Waffen zum Selbstschutz gehabt haben, nach seinem Ausstieg bei der NPD sei seine Wohnung verwüstet worden.

Auch der polizeiliche Staatsschutz hatte Müller mehrfach im Visier, der 32-Jährige fiel mehrmals mit politisch motivierter Kriminalität auf. In den Jahren 2002 bis 2011 ging es um das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung. Er rief Parolen und hörte laut rechte Musik in einer Wohnung in Potsdam, spielte Musik in Cottbus ab und verbreitete sogar rechtsextremes Gedankengut an einer Gesamtschule in Potsdam. Müller war einst in Potsdam bei der JN aktiv, der Nachwuchsorganisation der rechtsextremistischen NPD. Weil Müller sich von dem Neonazi-Szene-Anwalt Wolfgang Nahrath vertreten lässt, vermutet die Polizei, dass Müller auch Kontakt zur rechten Szene hat. Den Anwalt lernte Müller über Horst Mahler kennen – im Knast. Mahler ist RAF-Mitbegründer und Holocaustleugner. Seine Haft in Brandenburg/Havel wurde aus Gesundheitsgründen unterbrochen.

Pogida-Chef Müller: „Ich habe Probleme, meine Aggressionen zu zügeln“

Müller wurde insgesamt fünf Mal verurteilt und saß zwei Mal im Maßregelvollzug für psychische kranke Straftäter, wie die „Bild“-Zeitung berichtet. „Ich habe Probleme, meine Aggressionen zu zügeln“, sagte er dem Blatt. Insgesamt habe er fünf Jahre im Knast gesessen. Erst 2013 kam er das letzte mal aus dem Knast. Er war zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden – wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung. Laut Bild hatte er einen Mann über Stunden gefoltert. Die Bewährungszeit läuft noch, zudem steht er weiterhin unter Führungsaufsicht. Müller sagte der Bild, er sei seit seiner Haftentlassung in psychologischer Behandlung. Nach PNN-Informationen weist sein Auszug beim Bundeszentralregister auch Drogendelikte, Bedrohung und mehrfach Betrug auf.

Wie berichtet ermittelt der Staatsschutz gegen Müller wegen Volksverhetzung, die Staatsanwaltschaft prüft den Fall: Müller hatte Ende Januar bei einer Pogida-Rede ein „Nürnberg 2.0“ für die Bundesregierung gefordert, er sprach von Volksverrätern und Verbrechern, „die wieder mal vorgeführt und abgeurteilt werden“ müssten. Bei den Nürnberger Prozessen waren bis 1949 führende Repräsentanten des Dritten Reiches als Hauptkriegsverbrecher verurteilt worden.

Besonders interessant ist: Zwar betont Müller stets bei seinen Pogida-Demonstrationen, Potsdamer Bürger würden gegen die angebliche Islamisierung auf die Straße gehen. Müller ist zwar in Potsdam geboren. Doch nach Erkenntnissen der Polizei ist er in Potsdam nicht amtlich gemeldet. Auch im Rest des Landes Brandenburg gibt es keine Meldeadresse von ihm.

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