zum Hauptinhalt
Die Zahl der Fahrraddiebstähle ist in Potsdam seit Jahren hoch.

© dpa

Kriminalität in Potsdam: Zahl der Fahrraddiebstähle bleibt hoch

In Potsdam werden überdurchschnittlich viele Räder geklaut. 2018 waren es knapp 2000. Bundesweit liegt die Landeshauptstadt damit auf einem Spitzenplatz.

Von Florian Kistler

Potsdam - Die Landeshauptstadt bleibt für Fahrraddiebe eine attraktive Stadt. Das zeigen Zahlen der Polizeidirektion West. Im Jahr 2018 wurden in der Landeshauptstadt 1986 Fahrraddiebstähle gemeldet. Zum Vergleich: 2017 waren es noch 1416, 2016 wiederum 1836. Damit ist Potsdam im bundesweit auf Platz sechs der Städte mit den meisten geklauten Fahrrädern.

Einen besonders hohen Anstieg musste die Nördliche Innenstadt verzeichnen. Dort stieg die Zahl von 196 Diebstählen im Jahr 2017 auf 329 im Jahr 2018. Auch Babelsberg Süd (241 Diebstähle) und die Brandenburger Vorstadt (181 Diebstähle) zählten 2018 zu den Diebstahlschwerpunkten der Landeshauptstadt. In diesem Jahr hat sich der Trend jedoch umgekehrt. Juliane Mutschischk, Polizeisprecherin der Polizeidirektion West, teilte mit, dass die Fahrraddiebstähle 2019 tendenziell rückläufig seien. Genauere Zahlen gab sie aber nicht bekannt.

Mehr als 550 gesicherte Stellplätze am Hauptbahnhof

Stadtsprecherin Christine Homann teilte auf PNN-Nachfrage mit, dass sich die Stadt des Problems bewusst sei und auf verschiedenen Weise aktiv geworden sei. „Wir haben mehr als 550 gesicherte Fahrradstellplätze am Hauptbahnhof hergestellt“, so Homann. Die kostenpflichtigen Stellplätze in der Tiefgarage der Bahnhofspassagen wurden im November 2015 eingeweiht. Die Räder werden dort bewacht und sind vor der Witterung geschützt. Gleichzeitig sei geplant, so Homann, den Ausbau der Fahrradanlehnbügel vor allem an Bahnhöfen, Haltestellen und in der Innenstadt voranzutreiben. Auch sogenannte Fahrradboxen seien in Planung. Homann sagt, dass der Bedarf an Bügeln weiter groß sei, da das Fahrrad immer häufiger genutzt werde. „Die bestehenden Anlehnbügel sind bereits gut ausgelastet.“ Erst im September hat die Stadt an der Langen Brücke sechs sogenannte Fahrradparker montiert und Abstellmöglichkeiten für 30 Fahrräder geschaffen. Dort sei, so Homann, eine Erweiterung geplant, sobald die bestehenden Fahrradständer „gut angenommen und gut ausgelastet sind“.

„Je robuster das Fahrradschloss ist, desto besser"

Wie man sein Rad am besten schützt, erklärt Ulf Hildebrand, Potsdamer Ortsgruppenchef des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). „Die Faustregel: Je robuster das Fahrradschloss ist, desto besser.“ Zudem gebe es eine Klassifizierung der Schlösser, die zeigen, wie sicher diese sind. „Ich persönlich kombiniere zwei Fahrradschlösser. Zum einen ein Rahmenschluss und zum anderen ein entsprechend klassifiziertes Gelenkschloss“, sagt Hildebrand. Eine Versicherung hält er für wenig sinnvoll. „Es gibt dazu einige Auflagen. Das lohnt sich nur bei wirklichen hochpreisigen Rädern.“ Die Polizeidirektion West empfiehlt den Rahmen immer samt Vorder- und Hinterrad mit Panzerkabel, Stahlbügel, oder Stahlkette an einem fest stehenden Gegenstand wie einem Fahrradständer anzuschließen. Speichenschlösser würden auch bei kurzer Abwesenheit nicht genügen.

Generell gebe es kein Schloss, das den Dieb von seinem Vorhaben abhalten könne, es gehe aber um Zeit, sagt Hildebrand. Zeit, während der der Raub von der Öffentlichkeit beobachtet werden könne. „Der Dieb schafft es sowieso, das Fahrrad zu stehlen, egal wie gut die Sicherung ist. Die Frage ist, wie lange er dafür braucht.“ Inzwischen gäbe es auch elektronische Schlösser. Viele von ihnen können mit dem Smartphone bedient werden. Auch eine GPS-Standortermittlung ist mit einigen dieser Schlösser möglich. Hildebrand hält diese Schlösser, ebenso wie die Versicherung, nur bei höherpreisigen Fahrrädern für eine gute Investition. „Das würde ich eher bei E-Bikes empfehlen, da die sehr teuer sind.“

Codierung ist sinnvoll

Ein gutes Schloss sollte, so empfiehlt Hildebrand, etwa zehn Prozent des Kaufpreises des Rades kosten. „Bei einem 800 Euro Fahrrad wären das etwa 80 Euro.“ Neben einem Schloss rät der ADFC-Ortsgruppenchef zu einer Codierung des Fahrrades. Bei dieser werden Fahrräder mit einer individuellen, personengebundenen Buchstaben- und Zahlenkombination versehen, welche unauslöschlich in den Fahrradrahmen eingraviert wird.

Einerseits, so Polizeisprecherin Mutschischk, könne nach einem Diebstahl das Rad dem Eigentümer zugeordnet werden. Andererseits helfe die Gravur, Fahrraddiebe abzuschrecken. Auch werde das Fahrrad für Diebe „deutlich unattraktiver“, weil sich mit der Codierung der Wiederverkauf erschwere. Die Gravur ist nur etwa 0,1 bis 0,2 Millimeter tief und hätte, sagt Mutschischk, keine Auswirkungen auf die Stabilität des Rahmens. Erst vor Kurzem habe sich der ADFC Potsdam dafür ein modernes Nadelcodiergerät zugelegt, so Sprecher Hildebrand. Der Fahrradclub bietet eine solche Gravur für eine kleine Spende an. Auch die Polizei kennzeichnet an mehreren Terminen im Jahr Räder.

Fahrräder werden gezielt gestohlen

Hildebrand sagt, dass er in Potsdam beobachten könne, dass Fahrräder oft gezielt ausgewählt werden und Diebe im Vorfeld die Nutzer beobachten. Hingegen sei es in Berlin inzwischen oft völlig egal, welches Rad man benutzt. „Man kann da machen, was man will, sogar ein altes Rad für die letzte Meile zur Arbeit oder nach Hause wird gestohlen.“

Viele der gestohlenen Fahrräder bleiben verschwunden. Im Jahr 2018 wurden lediglich 5,2 Prozent der Fahrraddiebstähle in Potsdam aufgeklärt, teilte die Polizeidirektion West mit. Auch das Jahr davor konnte nur knapp jedes fünfte Rad wiedergefunden werden.

+ + + + + + + + + + + + + + + + + +

Hintergrund

Ganz legal werden ein- bis zweimal jährlich schrottreife Fahrräder von der Stadt aus dem öffentlichen Raum entfernt. Nach Angaben von Stadtsprecherin Christine Homann müssen dafür mehrere Faktoren zusammenkommen. Zu diesen gehören unter anderem ein fehlender Sattel, keine Kette oder fehlende Reifen. „Als Faustregel gilt, dass die Kosten einer Wiederherstellung den Wert des vorgefundenen ‚Torsos' deutlich übersteigen würden“, so Homann. Eine weitestgehend ordnungsgemäße Abstellung im öffentlichen Raum müsse demzufolge auch über längere Zeit geduldet werden.

Zur Startseite