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Der im Rahmen der Weltpremiere vorgestellte Erprobungsträger einer autonomen Tram ist nicht für den kommerziellen Einsatz ausgelegt. Ziel des Entwicklungsprojekts ist es, die technologischen Herausforderungen des autonomen Fahrens unter realen Einsatzbedingungen zu erfassen, Lösungsansätze dafür zu entwickeln und zu testen. Gemeinsam mit ViP ist bereits eine Fortführung der Zusammenarbeit im Gespräch.

© Siemens AG

Update

Kooperation zwischen Siemens und ViP: Weltpremiere: Erste autonome Tram soll in Potsdam fahren

Weltpremiere in der Landeshauptstadt: Die erste autonome Straßenbahn soll testweise in Potsdam fahren. Der Verkehrsbetrieb ViP hat für das Zukunftsprojekt eine Kooperation mit der Firma Siemens gestartet.

In Potsdam wird die erste autonom fahrende Straßenbahn der Welt fahren – allerdings zunächst nur testweise. Details zu der technischen Weltpremiere veröffentlichte der Konzern Siemens am Montag. Im Rahmen der internationalen Fach- und Besuchermesse für Verkehrstechnik InnoTrans soll die Bahn vom 18. bis 21. September auf einem sechs Kilometer langen Teilstück des Potsdamer Tramnetzes präsentiert werden, hieß es in der Ankündigung. Nach PNN-Informationen wird die Bahn demnach im Süden der Stadt unterwegs sein.

Es handele sich um eine Kooperation mit dem Potsdamer Verkehrsbetrieb (ViP). Ein ViP-Sprecher betonte, für den normalen Fahrgastverkehr werde die Bahn allerdings noch nicht eingesetzt – sondern nur für Presse- und Fachbesucher im Rahmen der Innotrans-Messe, die ab dem 18. September für drei Tage am Berliner Expo-Center stattfinden wird. Sie gilt als internationale Leitmesse für moderne Verkehrstechnik. 

Der ViP habe für dieses Projekt eine Combino-Tram zur Verfügung gestellt, hieß es in der Siemens-Mitteilung. Dieses Entwicklungsfahrzeug werde mit mehreren Lidar-, Radar- und Kamerasensoren ausgestattet, die als eine Art „digitale Augen“ das Fahrzeug und sein Verkehrsumfeld erfassen. Gleichzeitig würden komplexe Algorithmen als „Gehirn“ die jeweilige Fahrsituation interpretieren und bewerten, hieß es: „Sie geben eine Prognose zur weiteren Entwicklung und lösen die erforderliche Reaktion der Tram aus.“ Dank künstlicher Intelligenz werde dabei auf Straßenbahnlichtsignale geachtet, an den Haltestellen gestoppt und eigenständig auf Gefahren wie kreuzende Fußgänger und Fahrzeuge reagiert, so eine Siemens-Sprecherin weiter. Es werde zugleich in Potsdam noch immer ein Fahrer im Führerstand sitzen, der jederzeit eingreifen könne, versicherte sie. Die Konzerntochter Siemens Mobility sei das erste Unternehmen, das eine autonom fahrende Straßenbahn für Entwicklungszwecke auf die Schiene bringe. Die Vorbereitungen für das Zukunftsprojekt laufen nach PNN-Informationen schon viele Monate lang, alle Seiten waren zur strengsten Verschwiegenheit verpflichtet.

"Unsere autonome Tram kann bereits in diesem Entwicklungsstadium die wesentlichen Fahraufgaben im realen Straßenverkehr meistern“

„Diese Weltpremiere zeigt, wie wir die Mobilität der Zukunft aktiv gestalten. Unsere autonome Tram kann bereits in diesem Entwicklungsstadium die wesentlichen Fahraufgaben im realen Straßenverkehr meistern“, teilte Firmenchefin Sabrina Soussan mit. Mit dem in der Bahn integrierten Kollisionswarnsystem „Siemens Tram Assistant“, das unter anderem bereits in Ulm (Baden-Württemberg) zum Einsatz komme, haben man bereits Serienreife erreicht. „Indem wir Züge und Infrastruktur intelligent machen, können wir Verfügbarkeiten garantieren und die Sicherheit im Nah- und Fernverkehr erhöhen“, so Soussan weiter. 

Die im Rahmen der Weltpremiere vorgestellte Tram sei nicht für den kommerziellen Einsatz ausgelegt, hieß es. Ziel des Entwicklungsprojekts sei es, die technologischen Herausforderungen des autonomen Fahrens unter realen Einsatzbedingungen zu erfassen, Lösungsansätze dafür zu entwickeln und zu testen. Aus dem Verkehrsbetrieb hieß es, bei dem Test der Bahn gehe es auch generell um neue Sicherheitssystem für den öffentlichen Nahverkehr. So hatte es erst am Wochende einen schwerer Unfall in der Innenstadt gegeben, weil eine Oldtimer-Fahrerin eine Straßenbahn übersehen hatte.

Sind Sensoren zuverlässiger als menschliche Fahrer?

Mit Hilfe elektronischer Notsysteme könnten solche Unfälle vermieden werden oder zumindest glimpflicher ablaufen, so die Hoffnung im Verkehrsbetrieb – weil eben Sensoren noch schneller als menschliche Fahrer reagieren könnten.  Gemeinsam mit dem Potsdamer ViP sei bereits eine Fortführung der Zusammenarbeit im Gespräch. Dass Potsdam überhaupt ausgesucht wurde, liegt nach PNN-Informationen an der Nähe zur Berlin: Bei Adlershof besitzt der Weltkonzern eine entsprechende Forschungsstation, zudem ist der ViP seit langem ein Kunde bei Siemens. 

Nach Auskunft des unter anderem von Umweltorganisationen getragenen Verbands Allianz pro Schiene ist autonomes Fahren im zumindest bei S- und U-Bahnen schon keine Seltenheit mehr. In mehr als ein dutzend europäischen Großstädten seien solche Bahnen schon unterwegs, in Deutschland etwa in Nürnberg. Im Störfall würden sich solche fahrerlosen Bahnen genauso wie ein Lokführer verhalten: Sie halten an. Solche Systeme seien insgesamt wesentlich flexibler und auch pünktlicher, so der Verband. Durch Wartungssensoren könnten auch Fehler frühzeitig erkannt und behoben werden. Allerdings gelten die Anforderungen für die fahrerlose Straßenbahn als noch komplexer als für S- und U-Bahnen, weil diese Trams eben noch mit dem allgemeinen Auto-, Rad- und Fußgängerverkehr interagieren müssen. 

Dass die Weltpremiere in für die fahrerlose Bahn in Potsdam stattfindet, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Erst vor wenigen Wochen hatte der ViP wegen eines akuten Personalnotstands vorfristig einen Notfahrplan auflegen müssen, unter anderem wegen sehr vielen Krankmeldungen. Es sei immer schwieriger, genügend Personal zu finden, hieß es damals. 

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