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Zwei Tage lang steht ab heute in der Schiffbauergasse die Baukultur im Fokus. 

© Andreas Klaer

Konvent der Baukultur in Potsdam: Kampf der Kiste

Seit Dienstag tagen 750 Bau- und Architekturexperten in der Schiffbauergasse beim Konvent der Baukultur. Das Ziel: Mehr städtebauliche Qualität.

Potsdam - Rund 750 Bau- und Architekturexperten treffen sich ab dem heutigen Dienstag für zwei Tage im Kulturstandort an der Schiffbauergasse in Potsdam zum Konvent der Baukultur. Auf dem Treffen sollen unter anderem Fragen der baukulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen diskutiert werden. So wollen die Veranstalter beispielsweise der Frage nachgehen, wie Gedanken der Baukultur in altersgerechter Weise jungen Menschen vermittelt werden können.

Ganz spielerisch wird es während des Kongresses voraussichtlich auf dem Forum „Prinzip versus Kompromiss – Baukultur als Planspiel“ zugehen. Auf einem Parcours soll dort über mehrere Spielrunden hinweg der Verhandlungs- und Beteiligungsprozess eines Stadtentwicklungsvorhabens durchgespielt werden. Experten von sechs Hochschulen aus dem Bundesgebiet, unter anderem Alexandra Martini, Professorin an der Fachhochschule Potsdam, sind an diesem Planspiel beteiligt.

Die Zahl der Institutionen nimmt zu

Auf dem diesjährigen Konvent der Baukultur – die Veranstaltung findet alle zwei Jahre statt – soll es zugleich ein bundesweites Treffen der Gestaltungsbeiräte geben. Solche Gremien, die mit Architekturexperten besetzt sind, beraten vielerorts Bauherren bei der Planung von Bauvorhaben. Die Zahl dieser Institutionen hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Mittlerweile gebe es etwa 130 Gestaltungsbeiräte in Deutschland, sagt Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, die den heute beginnenden Konvent ausrichtet und selbst ihren Sitz in der Schiffbauergasse hat.

Auch in Potsdam gibt es bekanntlich seit Jahren einen solchen Gestaltungsbeirat – hier als Gestaltungsrat bezeichnet. Dort können Bauherren ihre Projekte direkt vor Experten vorstellen. Die Mitglieder des Gremiums bewerten dann die Qualität des Entwurfs und geben Anregungen für etwaige Veränderungen. Als der Gestaltungsbeirat in Potsdam vor Jahren noch zum großen Teil öffentlich tagte, wurde bisweilen geharnischte Kritik der Experten an so manchem geplanten Potsdamer Bauvorhaben bekannt. Allerdings nutzten die Bauherren zum Teil diese Chance, verbesserten ihre Entwürfe und stellten sie dem Gremium erneut vor. Der Gestaltungsbeirat ist jedoch eine freiwillige Angelegenheit. Niemand kann gezwungen werden, seine Baupläne dort einzureichen.

Die Gestaltungsbeiräte tagen nicht mehr öffentlich

Um den Bauherren eine mehr geschützte Atmosphäre bei der Vorstellung ihrer Bauvorhaben zu ermöglichen, tagt der Gestaltungsbeirat in Potsdam seit einiger Zeit zumeist nicht mehr öffentlich. Auf diese Weise sollte erreicht werden, dass mehr Bauherren bereit sind, sich der Kritik dieses Gremiums zu stellen.

Rainer Nagel von der Bundesstiftung Baukultur hält die in der Vergangenheit in immer mehr deutschen Kommunen eingerichteten Gestaltungsbeiräte für „ein positives und hilfreiches Instrument“, um zu mehr architektonischer und städtebaulicher Qualität zu kommen. Zugleich rät Nagel dabei jedoch zu möglichst viel Transparenz. Zumindest die Ergebnisse der Sitzungen von Gestaltungsbeiräten sollten, so seine Empfehlung, an die Öffentlichkeit gelangen. „Baukultur muss zum Gesprächsthema werden“, fordert Nagel.

Auch eine Ausstellung ist zu sehen

Auf eine sinnliche Erfahrung können sich die Kongressteilnehmer in der Schiffbauergasse freuen, wenn im Rahmen des Konvents die Ausstellung mit dem Titel „Grenzen“ eröffnet wird. Gezeigt werden Architekturfotos, die zuvor von einer Jury im Rahmen des Europäischen Architekturfotografie-Preises architekturbild ausgewählt wurden. In der Ausstellung soll es vor allem um Grenzen in einem weiteren Sinne, etwa der Begrenzung stadträumlicher Areale, gehen. Eine weitere Schau im Rahmen des Kongresses will sich der Schnittstelle zwischen Architektur und Ingenieurwesen widmen. Auf neun Ausstellungstafeln sollen die sieben prämierten Projekte des Deutschen Ingenieurbaupreises 2018 präsentiert werden. Auch die beiden diesjährigen Siegerprojekte des Deutschen Brückenbaupreises – die Bleichinselbrücke in Heilbronn sowie die Erneuerung der historischen Schaukelbrücke in Weimar – werden in der Ausstellung vorgestellt.

Zudem wird auf dem Konvent der im Bundeskabinett erst kürzlich behandelte Baukulturbericht 2018/19 präsentiert. In ihm hat sich die Stiftung Baukultur diesmal schwerpunktmäßig mit der Bedeutung und den Potenzialen des Gebäudebestandes beschäftigt.

Der Konvent soll zu mehr Qualität anregen

Insgesamt soll die Veranstaltung zu mehr städtebaulicher Qualität anregen. Denn: „Es wurde selten architektonisch so schlecht gebaut wie heute“, sagt Reiner Nagel. Er wolle mit dieser Aussage natürlich nicht die Kollegen treffen, die gute Qualität abliefern. Aber die Masse dessen, was heute gebaut werde, seien doch eher „relativ schlichte banale Bauwerke“, so Nagel. „Das merkt auch die Bevölkerung – und spricht von Kisten.“

Das Gegenteil dieser „Kisten“ sind beispielsweise rekonstruierte, vormals längst verlorene Bauten, die im Bestreben nach Schönheit mancherorts wiedererrichtet werden, so etwa das Potsdamer Stadtschloss, dessen äußere Hülle bekanntlich annähernd wiedererstanden ist. Doch auch in dieser Richtung warnt Nagel: „Generell finde ich es problematisch, dass man die Zukunft in der Rekonstruktion sieht“, sagt der Stiftungschef, ohne sich dabei jedoch auf ein konkretes Projekt zu beziehen. „80 Prozent der Menschen finden Rekonstruktionen gut“, so Nagel. Der Wunsch nach der Wiederkehr alter Fassaden sei durchaus nachvollziehbar. Aber man dürfe damit nicht übertreiben. Nagel spricht sich dafür aus, immer auf den Einzelfall zu schauen, wenn die Entscheidung ansteht, ob etwas rekonstruiert werden soll oder nicht.

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