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Das KfZ-Handwerk leidet nach Angaben der Handwerkskammer unter der Unsicherheit um Diesel und Fahrverbote.

© dpa

Konjunktur: Stau macht Handwerk in Potsdam teurer

Die Handwerkskammer beklagt die Verkehrslage und hohe Gewerbemieten in Potsdam. Insgesamt stehen die Betriebe gut da, im KfZ-Bereich hat sich die Situation aber verschlechtert.

Wenn sich in diesen Tagen wieder dutzende Autos in der Zeppelinstraße, auf der Nuthestraße oder am Leipziger Dreieck Schlange stehen, stecken auch Handwerker mit ihren Wagen fest. „Stau ist in Potsdam zur Dauersituation geworden“, sagte Ralph Bührig, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Potsdam, am gestrigen Dienstag vor der Presse. Das habe auch für die Kunden Konsequenzen. Nicht nur kämen die Handwerker mitunter zu spät zu vereinbarten Terminen. „Die Betriebe kalkulieren die Zeit, die sie im Verkehr verlieren, in ihre Preise mit ein“, so Bührig. Sprich: Der Stau macht die Handwerksleistung teurer. 

Handwerker aus der Innenstadt verdrängt

Es ist nicht das einzige Potsdamer Problem, das auch Handwerker zu spüren bekommen. Auch die steigenden Mieten, inklusive Gewerbemieten belasten die Firmen, sagte Bührig: „Für die Betriebe ist es sehr schwierig, Flächen zu finden.“ Vor 20 Jahren habe es in der Innenstadt noch viele Handwerker gegeben, die steigenden Mieten hätten diese nach und nach vertrieben und in dezentralere Stadtviertel verdrängt. „Dabei hätten manche gerne einen intensiveren Kundenkontakt“, betonte er. Einige Firmen zögen mittlerweile ganz aus Potsdam weg, etwa ein Raumausstatter, mit dem er kürzlich gesprochen habe. „Wir brauchen bezahlbare Gewerbeflächen und müssen die sichern, die bestehen“, so Bührig. 


Der Handwerker- und Gewerbehof in der Fritz-Zubeil-Straße in Babelsberg, ein 2015 eröffnetes Projekt mit 13 Gewerbeeinheiten sei voll. „Wir könnten mehr Kapazität gebrauchen“, sagte der Geschäftsführer. Dass die Stadt Potsdam als IT-Standort weiter fördern will, sei gut, aber es brauche eine gesunde Gewichtung. „Natürlich stehen unsere Handwerker auch in Konkurrenz mit den IT-Firmen bei der Suche nach Flächen“, so Bührig. „Wir brauchen auch bodenständige Wirtschaft wie Bäcker, hungrige IT-ler nützen uns auch nichts“, ergänzte Handwerkskammer-Sprecherin Ines Weitermann. 
Stefan Frerichs, Chef der städtischen Wirtschaftsförderung, verteidigt zwar den Fokus auf IT und Medientechnologie. Doch man denke derzeit intensiv darüber nach, wie etwa in Krampnitz künftig die richtige Mischung aus unterschiedlichem Gewerbe, Wohnen und Infrastruktur gewährleistet werden könne, sagte er auf Anfrage. 

Bauwirtschaft brummt weiter

Insgesamt jedoch geht es dem Handwerk gut. 96,6 Prozent der Unternehmen in Westbrandenburg bezeichnen ihre Geschäftslage als gut oder zumindest befriedigend – einen höheren Wert hat die regelmäßige Quartalsbefragung der Handwerkskammer unter seinen 17 000 Mitgliedsbetrieben bisher noch nie ergeben. Die Auslastung der Firmen liegt im Schnitt bei 91 Prozent, obwohl sich die Gesamtkonjunktur in Deutschland derzeit etwas abschwächt. „Die Bauwirtschaft brummt nach wie vor“, sagte Burghard Ehlert, Vizepräsident der Handwerkskammer. Hier führen volle Auftragsbücher auch zu langen Wartezeiten: 13 Wochen, also rund drei Monate, müssen Kunden im Schnitt warten, bevor sie einen Termin bekommen. 
Deutlich eingetrübt stellt sich die Geschäftslage beim Kfz-Handwerk dar. Nur 57 Prozent der Betriebe bewerteten ihre Lage als gut oder befriedigend, vor einem Jahr waren es noch 70 Prozent. 14 Prozent sprachen sogar von einer schlechten Geschäftslage, im Vorjahr hatte kein Betrieb seine Lage als schlecht bezeichnet. Bührig führt das auf die allgemeine Unsicherheit in Bezug auf den Automobilmarkt zurück. Die Kunden seien verunsichert, ob Fahrverbote drohen, erläuterte er. Ob Diesel noch Zukunft habe, ob Elektroantrieb sinnvoll sei, obwohl die Ladeinfrastruktur noch fehle. „In diesen unsicheren Zeiten stellen die Kunden ihren Kaufwunsch zurück“, so Bührig. 

Fachkräftemangel verschärft sich

Weiterhin problematisch gestaltet sich die Suche nach Fachkräften – und nach Prognosen der Handwerkskammer dürfte sich die Lage in den kommenden Jahren weiter verschärfen. „In den nächsten fünf Jahren steht bei einem Drittel der Handwerksbetriebe, allein in unserem Kammerbezirk rund 5000 Firmen, eine Übernahme an“, sagte Bührig. Nach der Wende gegründete Firmen, deren Chef in Rente geht und einen Nachfolger sucht. Die Kammer fordert deshalb auch von der Landesregierung eine Unterstützung. „Sonst gehen die Strukturen verloren“, warnte Bührig.  Kunden dürften in den kommenden Monaten auch die gestiegenen Rohstoff- und Strompreise und andere steigende Einkaufspreise zu spüren bekommen: 39 Prozent der Handwerksbetriebe planen, bis Jahresende ihre Preise zu erhöhen.

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