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Auch Potsdam will dem Demis-System beitreten (Symbolbild),

© Marijan Murat/dpa

Exklusiv

Konflikt um Corona-Quarantäne: Arzt klagt gegen Potsdamer Gesundheitsamt

Nach einem Corona-Fall in einem Potsdamer Hort schickte das Gesundheitsamt dutzende Kinder in Quarantäne. Ein Vater hat dagegen nun Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Auch andere Eltern sind verärgert.

Potsdam - Nach dem Corona-Fall im Hort "Sonnenschein" der Eisenhart-Grundschule gehen Eltern juristisch gegen die vom Gesundheitsamt verhängten Quarantäne-Anordnungen vor. Ein Sprecher des Potsdamer Verwaltungsgerichts bestätigte den PNN am Montag auf Nachfrage, die Stadtverwaltung habe nach Einreichung der Klage nun Zeit für eine Stellungnahme - am Dienstag (18.8.) werde man im Gericht entscheiden, wie es mit dem Eilverfahren weitergeht.

„Man muss verhältnismäßig bleiben“

Geklagt hat nach PNN-Informationen der Potsdamer Jörg Schultze-Amberger, ein in Berlin tätiger Chefarzt, für dessen Tochter auch Quarantäne angeordnet worden ist. In dem Hort war bei einem Erzieher, der zuvor Urlaub in Kroatien gemacht hatte, das Coronavirus nachgewiesen worden. In der Folge hatte das Gesundheitsamt ab dem 10. August für 68 Kinder eine Quarantäne bis zum 20. August angeordnet.

Der Kläger argumentiert unter anderem damit, dass seine Tochter gar nicht im Kontakt mit dem betroffenen Erzieher war. Zudem hatte die Stadt bereits vergangene Woche die Ergebnisse der Corona-Abstriche der Kinder veröffentlicht: Alle Tests fielen negativ aus. Gleichwohl hielt das Gesundheitsamt an der Quarantäne fest. „Es besteht weiter die Möglichkeit, dass eine Kontaktperson symptomatisch wird, daher bleibt die ausgesprochene Quarantäne bis zum 20. August bestehen und wir bleiben mit den Betroffenen im täglichen Kontakt“, hieß es dazu von Amtsärztin Kristina Böhm. 

Potsdams Amtsärztin Kristina Böhm.
Potsdams Amtsärztin Kristina Böhm.

© Sebastian Gabsch

Schultze-Amberger hingegen kritisiert, es werde vom Gesundheitsamt gar keine Graduierung von Kontaktpersonen vorgenommen, wie dies das Robert Koch-Institut (RKI) als Vorgehen definiere. Daher würden mit den Quarantäne-Anordnungen Personen ohne sachliche Grundlage in ihren Grundrechten beschnitten, sagte der Arzt den PNN. 

Ferner sei es seiner sechsjährigen Tochter kaum vermittelbar, dass sie gesund bei heißem Wetter zu Hause bleiben müsse. „Man muss verhältnismäßig bleiben, wenn man solche einschneidenden Maßnahmen ausspricht“, sagte er. Leider entscheide das Gericht wohl erst am Dienstag, bedauerte der Arzt - und am Donnerstag ende die Quarantänezeit.

Die Quarantäne-Maßnahmen sorgen offensichtlich schon seit Tagen für Ärger. So liegt den PNN ein Mail-Wechsel aus der vergangenen Woche zwischen verärgerten Eltern und Amtsärztin Böhm vor. Auch hier lautet der Kernvorwurf, das Amt habe ohne Differenzierung die Kinder in die Quarantäne geschickt. 

Amtsärztin Böhm verteidigt die Maßnahmen

Doch Böhm verteidigte die ergriffenen Schritte: „Seien Sie versichert, dass wir unsere Entscheidung zum einen nicht leichtfertig treffen und uns zum anderen sehr wohl über die weitreichenden Eingriffe in die Individualrechte bewusst sind.“ Man habe auch mit dem Bildungsdezernat einen zeitnahen Termin vereinbart, um das Procedere in solchen Fällen für die nächsten Wochen festzulegen. „Unter anderem werden wir hier auch die Frage diskutieren und eine tragbare Lösung erarbeiten, wie und welche Möglichkeiten wir haben, dezidierter die Kinder und ihre Kontakte in der jeweiligen Einrichtungen zu eruieren und daraus die entsprechenden Maßnahmen gemäß RKI ableiten.“ Das hänge auch vom Alter der Kinder ab. 

Quarantäne soll dem Forschungsstand angepasst werden

Ferner aber dränge man aber auch bei den zuständigen Ministerien und auch beim RKI auf „klare Vorgaben und Aussagen im Hinblick auf die Ansteckungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen“ - und auch darauf, die „Dauer der Quarantäne dem Forschungsstand anzupassen“, schrieb Böhm in ihrer Antwort. Und: „All diese Fakten und Argumente helfen im aktuellen Fall nicht, um die Lage für alle Beteiligten zu entschärfen, das ist mir bewusst. Aber ich hoffe dennoch, dass Sie meinen Ausführungen Verständnis entgegenbringen können.“

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