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Hasso Plattner.

© dapd

Kommentar: Das neue Potsdam

Meine Güte, was hat diese schöne Stadt nur für ein Glück mit ihren Liebhabern, die ihre Bürger sind!?

Einer baut das Fortunaportal wieder auf und finanziert die „Arche“ in großen Teilen. Einer rettet eine Villa an der Glienicker Brücke und eröffnet ein eigenes Mauermuseum darin. Einer wirbt immerhin mit seiner Berühmtheit als Modemacher und Künstler für seine Heimatstadt. Viele, viele andere engagieren sich für und in dieser Stadt. Ja, sie streiten oft und laut über jedes Jota an Veränderung. Nichts geht ohne Debatte und Widerworte, keine Bewegung ohne Gegenbewegung. Aber das alles ist besser als Schweigen und Ohnmacht gegenüber der Obrigkeit oder Desinteresse am eigenen Lebensraum. Wer auch immer hier wofür oder wogegen kämpft, wer wie viel spendet oder ehrenamtlich leistet – alle zusammen bewegen diese Stadt. Meistens voran.

Einer ragt heraus: Hasso Plattner. Natürlich auch, weil er mehr hat als alle anderen hier, wovon er geben kann. Weil er in dieser Stadt ein Unikat ist. Der Mann ist Milliardär und von einer demonstrativen Weltläufigkeit. Ein Großspender. Ein Institut hat er der Uni errichtet, das HPI. Seine Venture Capital Firma sitzt in Potsdam. Die Schlossfassade hat er mit 20 Millionen Euro finanziert. Das Kupferdach für den Bau mal eben auch noch. Hunderte Millionen Euro werde er in dieser Stadt investiert haben, wenn seine Pläne umgesetzt sein werden, hieß es vor zwei Jahren. Da war von der Kunsthalle noch keine Rede.

Plattner gehört aber auch zur ersten Generation derer in seiner Branche, die für das Normalverständnis unermesslich viel Geld verdient haben mit einer Idee; Leute wie Microsoft-Gründer Bill Gates oder Finanzinvestor Warren Buffett gehören auch dazu: Eine Generation Reichgewordener, die das Gefühl haben, auch etwas zurückgeben zu müssen an die Allgemeinheit; einer derer, die wissen, dass sie neben dem richtigen Riecher und einer Menge Arbeit auch verdammt viel Glück im Leben hatten; die wissen, dass der Zufall immer mitspielt bei Erfolg und Misserfolg. Und der Kosmopolit Plattner mit Wohnsitzen auf drei Kontinenten sucht wohl auch einen Ort, an dem er Spuren hinterlassen kann über das eigene Dasein hinaus. Heimat. Plattner ist Berliner. Er ist in Grunewald aufgewachsen. Er nennt sich Havelländer. Er denkt Potsdam als Verlängerung Berlins – oder umgekehrt.

Und dass die Existenz des Fleckens Potsdam nennenswert ist, dass der Ort Idylle geworden ist, verdankt sich der Tatsache, dass Berlin dichte bei liegt und dass hier Herrscher residierten und Spuren so hinterließen, wie es Könige zu tun pflegten: mit Schlössern und Parks, Kunst und Bauten. Nur eben schöner und idyllischer gelegen. Potsdam wurde von nie durch ihr Volk legitimierte Herrscherhäuser und Diktatoren errichtet und ausgehalten. Ein echtes traditionsreiches Bürgertum hatte die Residenz-, Verwaltungs- und Militärstadt nie. Das ändern Menschen wie Plattner im Großen und die vielen anderen im Kleineren gerade. Was sich vollzieht ist eine wohltuende Melange aus nachgeholtem und neuem Bürgersinn. Aus der Stadt der höfischen Beamten, der Militärs, der Verwaltungsbeamten zweier Diktaturen wird eine Bürgerstadt. Aus Bewohnern, die die Stadt eben nur be- oder ihr einwohnen, werden Bürger, die ihre Stadt neu verhandeln zwischen Preußen und Neuzeit, Ost und West, Neu- und Altpotsdamern. Die Stadt hat die Größe, in der sich ein gesamtstädtisches Bürgertum, eine Schicht bürgerschaftlich Engagierter bilden kann, ohne als Zirkel elitärer Spezialinteressierter in einer Millionenstadt zu versinken. In Potsdam kann man als einzelner Potenter oder eben als Gruppe im schönsten Wortsinne: wirken.

Plattner könnte darüber hinaus wirken. Wegweisend. Weil der Standort, den die Stadtspitze ihm in einem sehr hellen Moment offerierte, ein geschichtsfreier Bauplatz ist: nichts stand früher an dem Ort, an dem heute der Hotelturm steht. Dies bietet die einmalige Gelegenheit, etwas modernes zu bauen in Potsdams alter Mitte. Bescheiden, nach vorn weisend. Neupreußisch. Etwas eigenständiges, dass sich weiterreichen lässt, für das dann künftige Generationen streiten, das sie erhalten können. Das wird auch die strenge, verdienstvolle Potsdamer-Puttenfraktion erkennen und schätzen lernen.

Nur Gründe zu großer Freude: Es wird immer schöner.

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