zum Hauptinhalt
Ein Stillleben der Van-Gogh-Ausstellung im Barberini.

© Andreas Klaer

Kolumne "Pyanissimo": Zwiebeln und gute Schuhe

Unsere Kolumnistin hatte endlich Zeit, sich die Van-Gogh-Ausstellung im Museum Barberini anzuschauen. Das hat sie zum Nachdenken über gesunde Ernährung und Zwiebeln aus der Dose angeregt.

Potsdam - Lieber Vincent, ich hab’s endlich geschafft, mir deine Bilder anzusehen. Sie hängen hier seit Monaten und von der Redaktion aus ist das nur um zwei Ecken. Es war höchste Zeit. Und schließlich sollst du, laut Umfragen, heute als der bekannteste und beliebteste Maler gelten. Vielleicht sollte ich dich siezen?

Also, das Museum war Punkt eins auf meinem Plan fürs neue Jahr. Auch weil ich unbedingt dieses eine Bild im Original sehen wollte – wenn es schon mal hier ist. Ich habe es dein Neujahrsbild genannt. Offiziell heißt es „Stillleben mit einem Teller Zwiebeln“. Aber auf dem Tisch in dem Bild befindet sich noch viel mehr: Tabak und Pfeife, Weinflasche, Kaffeekessel, Brief und Kerze und das Buch „Annuaire de la santé“, auf Deutsch „Gesundheitsverzeichnis“. Über gute Ernährung und so weiter. Es sieht abgegriffen aus, der Buchrücken nach innen gewölbt. Hast du viel darin gelesen? Oder hattest du es dir vorgenommen? Hatte dir jemand das Buch auf den Tisch gelegt? Hier, schau mal rein, und du sagtest, ach ja, immer diese Ratgeber, ich rauche erst mal eine?

Steffi Pyanoe.
Steffi Pyanoe.

© Sebastian Gabsch

Als du das Bild maltest, Anfang Januar 1889, warst du gerade aus dem Krankenhaus gekommen, nach deinem Zusammenbruch, dem Streit mit Paul Gauguin und der Sache mit dem Ohr. Abgeschnitten, abgerissen, wer weiß. Dir ging es schlecht. Du hast höllisch viel gemalt in der Zeit, aber es wurde nie wieder richtig gut.

Irgendwann gab es mal gehackte Zwiebeln aus der Dose

In das Zwiebelbild hast du, so sehe ich das, deine Hoffnung hineingemalt. Aber eben auch eine gewisse Eigensinnigkeit. Ehrlichkeit. Nichts in dem Bild ist harmonisch komponiert, stattdessen hat jemand die Dinge einfach so auf den Tisch geknallt. Was man eben so braucht für ein schönes Leben. Und mittendrin die Zwiebeln. Ein Büschel, schnell gegriffen, so wie es zufällig in einem Korb oder sogar noch am Feldrand lag. Kantig, spröde, das Grün zerknickt und angetrocknet. Keine feinen Schalotten, sondern Bauerngemüse. Zwiebeln braucht man immer, sie geben Schärfe und Geschmack, aber klar, beim Schälen und Schneiden brennt es in den Augen und irgendwann, Vincent, kein Scherz, gab es deshalb mal gehackte Zwiebeln aus der Tube. Unglaublich.

Dein Bild enthält jedenfalls alles, was man auch heute im Januar und im Rest des Jahres braucht. Gesunde Ernährung, Genuss und Kommunikation. Gesellschaft. Mitmenschen. Was nicht heißt, dass es keine Probleme gibt. Wer Briefe schreibt, hat was zu sagen oder zu fragen, und er wird Antworten bekommen. Und lesen und zuhören müssen.

Die Sonnenblumen ohne Florist

Neben dem Zwiebelbild hängen hier in Potsdam deine Zitronen, Kartoffeln, Kohl, Räucherfisch. Wenn ich 2020 nur essen würde, was du damals gemalt hast, es wäre ein gesundes Jahr. Dazu passt auch das Bild mit den Schuhen, dunkelbraune Bauernschlappen. Forscher haben sich gefragt, warum du sogar Schuhe gemalt hast. Ist doch ganz klar: Gute Schuhe sind eben nicht zu unterschätzen. Und Blumen, natürlich. Gleich sieben Sonnenblumenbilder mit verschiedenen Sorten sind hier zu sehen. Heute wächst auf den Feldern eine einzige Sorte, hochgezüchtet und gerade. Du hast sie, krumme Stiele, widerborstige, stachelige Köpfchen, einfach in die Vase gesteckt, kein Florist hat sie symmetrisch geordnet. Herrlich. Vielleicht gehe ich noch mal hin, um sie mir anzugucken. Bis zum 2. Februar wäre Zeit.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false