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Kolumne PYAnissimo: Teure Torte

Unsere Autorin Steffi Pyanoe tut sich schwer damit, sich den Garnisonkirchenturm vorzustellen.  Die Pläne erinnern sie an eine Torte ohne Buttercreme und Sahnekringel. 

Bisher hatte ich mir keine Sorgen gemacht um die Garnisonkirche. Ich dachte, das wird schon, mit Gottes Segen sowieso. Aber jetzt kam raus, dass sogar die ILB, Brandenburgs Förderbank, Geld da reingesteckt hat. Ist das Projekt derart bedürftig geworden? Auch auf diese kleine Spende „als Beitrag zur Wiederherstellung von Potsdams historischer Mitte“, wie ein ILB-Sprecher sagte?

Und: Meinen die tatsächlich die Garnisonkirche? Das einstige barocke Schnuckelchen? Laut Plan wird das alles andere als ein Beitrag zur historischen Mitte. Die Kirche wird gleich gar nicht gebaut und der Turm nur aufgemauert, aber ohne alles: wie eine Torte ohne Buttercreme und Sahnekringel. Oder wie ein Naked Bike, wenn dieser Vergleich leichter fällt. Bei aller Phantasie: Ich kann mir einen nackten Turm für 26 Millionen schwer vorstellen. Noch dazu mit Löchern im Mauerwerk, damit auch jeder letzte Spenderziegel, so heißt es, seinen Platz bekommt.

Wo bei all der Sparerei das ganze Gewicht, angeblich dreimal so viel wie der Pariser Eiffelturm, herkommen soll, bleibt mir schleierhaft. Am Ende wird der Turm aussehen wie das Mercure, praktisch, rechtwinklig und gut, und dann passt er vielleicht sogar ins heutige Stadtbild. Insofern wäre immerhin der „städtebauliche Anschluss“, zweites Kriterium für ILB-Spendenprojekte, gewährleistet.

Zunächst muss es erstmal klappen, einen Großteil der Millionen im Boden zu versenken. Mannomann, wie haben die das nur früher gemacht? Ohne Bohrer und Beton? Aber früher war nicht alles besser, auch nicht beim Eiffelturmbau in Paris. Dort gab es wütende Wortmeldungen vieler Künstler gegen das komische, moderne Ding ohne schöne Fassade, welch Augenaffront! Bei Wikipedia kann man den Protestbrief nachlesen: Einfach „Paris“ mit „Potsdam“ ersetzen und aus „französisch“ „deutsch“ machen und sich auf der Zunge zergehen lassen:

„Wir Schriftsteller, Maler, Bildhauer, Architekten und leidenschaftliche Liebhaber der bisher unangetasteten Schönheit von Paris protestieren im Namen des verkannten französischen Geschmacks mit aller Kraft gegen die Errichtung des unnötigen und ungeheuerlichen Eiffelturms im Herzen unserer Hauptstadt, den die oft vom gesunden Menschenverstand und Gerechtigkeitsgefühl inspirierte Spottlust der Volksseele schon den Turm zu Babel getauft hat. Um zu begreifen, was wir kommen sehen, muss man sich einen Augenblick einen schwindelerregenden, lächerlichen Turm vorstellen, der wie ein riesiger, düsterer Fabrikschlot Paris überragt, muss sich vorstellen, wie alle unsere Monumente gedemütigt, alle unsere Bauten verkleinert werden, bis sie in diesem Albtraum verschwinden.“

Um Geld ging es da seltsamerweise nicht. Nur um Schönheit. Doch der Protest nutzte nichts, die Arbeiten gingen zügig vonstatten, in zwei Jahren wurde das Ding zusammengenietet. Als die Arbeiter zwischendurch streikten, wurde ihnen im halbfertigen Turm eine Kantine eingerichtet. Bemerkenswert finde ich außerdem die Wahl der Farbe, mit der der Turm alle drei Jahre gestrichen wird: Das „Eiffelturmbraun“ wird aus den Pigmenten Rot, Schwarz und Gelb gemischt, Hersteller ist ein deutscher Chemiekonzern. Der Garnisonkirchenturm soll meines Wissens keinen braunen Anstrich bekommen. Hoffe ich. Mit Gottes Segen.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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