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Kolumne PYAnissimo: Springmäuse? Hauptsache Italien

Als ob Potsdam nicht genügend offene Baustellen hätte, jetzt soll also auch der Stadtkanal reaktiviert werden. Nun gut, fest steht: Die Stadt wird immer italienischer.

Diese Stadt ist großartig. Sie hat vor allem Unterhaltungswert, kannste nicht meckern. Jetzt ist wieder der Kanal dran. Natürlich, den hatten wir vollkommen vergessen, gibt ja genug andere Baustellen. Die alten Baustellen nerven allerdings auf Dauer – es sei denn, man wird selbst aktiv. (Ich kenne Leute, die warten längst nicht mehr auf eine offizielle Badestelle am Luftschiffhafen, also dass die Stadt dort am Ufer einen Laster Kies abkippt, einen Papierkorb aufstellt und daneben ein Schild: ,Bitte schön, hier kann man baden gehen’ – stattdessen gehen die dort einfach wild baden. Ist auch noch keinem ein Bein abgefault. Aber das nur am Rande.)

Zurück ins tägliche Unterhaltungsprogramm: Egal wie bescheiden der Masterplan für Krampnitz gerade daherkommt und egal, ob die Stadtverordneten in Sachen Gartensparte am Horstweg gepennt haben, denn warum sonst konnten sie die Veränderungssperre nicht schon im Herbst beschließen? Egal, dass der Kinderbauernhof offenbar Bauernopfer chaotischer Verwaltungszustände ist; egal, dass die Kitabeitragsrückzahlung ganz sicherlich mehr kosten wird als bisher berücksichtigt; egal, dass es am Leipziger Dreieck und auf dem Brauhausberg in den kommenden Jahren so richtig spaßig werden wird, und auch, dass die Angestellten des städtischen Klinikums, mit dem OB als Aufsichtsratsvorsitzenden, offenbar seit langem überlastet und unterbezahlt sind: alles nicht sooo dringend. Machen wir ein neues Thema auf.

Jetzt kommt der Kanal. Kostet kaum was und wird noch günstiger als gedacht. Ganz meine Methode: Ich will mir auch immer nichts kaufen, entscheide mich dann für teure Schuhe, die runtergesetzt sind – und spare am Ende richtig was. Wir freuen uns also schon auf das bürgerverbindende Projekt – dürfen wir alle mitschaufeln? Bis die Brühe wieder fließt und die Wohnungen am Canal Grande so teuer werden, dass Oma und Opa da nicht mehr wohnen können. In Schuhladen und Russenshop ziehen hippe Cafés ein, wo es Cappuccino aus Potspressopötten gibt, um die Gentrifizierung abzumildern. Und schließlich werden ja um die Ecke am Alten Markt zehn neue Sozialwohnungen gebaut.

Die Potsdamer Kommunalpolitik: ein Haufen Springmäuse mit ADHS. In jedem Kinderzimmer herrscht mehr Ordnung. Da wird erst eins zu Ende gebracht und vor allem mal aufgeräumt, bevor man sich ein neues Hobby sucht. Oder man backt mal kleinere Brötchen: Wenn es für den Angergrund nicht reicht, dann vielleicht für die Kolonie in der Hans-Sachs-Straße, das wäre mal ein echtes Bekenntnis gewesen, in dem Fall sogar bezahlbar aus der Portokasse des Kämmerers.

Aber wer weiß, vielleicht entdecken jetzt alle Potsdamer ihre Leidenschaft für den Kanal, Gondeln inklusive. Schon 2019 wird ja sehr italienisch. Baustellen hin oder her – Hauptsache Italien.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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