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Kolumne PYAnissimo: Sie sind nie weit weg

Wegen einer Ameisenstraße ins Haus rief PNN-Autorin den Kammerjäger. Als sie sich intensiver über die Tierchen informierte, fand sie erstaunliches raus.

Jetzt war es passiert: Die Biester kamen ins Haus. Nicht nur in die Nähe und aufs Grundstück – das waren wir ja gewohnt. Oder dass die den Garten ruinierten. Und das, obwohl ich schon lange keine Lebensmittel mehr draußen aufbewahre. Man weiß ja, dass man das Biomülleimerchen nicht einfach vor die Hintertür stellt, sondern gleich alles sicher entsorgt. Hat nichts genützt. Die Viecher waren eine Plage und ließen nicht locker. Auch so ein Gartenzaun wie unserer – pfff, das interessierte die gar nicht, da machten die glatt drüber und drunter durch. Als ich schließlich die ersten Spuren im Haus sah, zunächst in der Küche und Tage später quer durchs Esszimmer, rief ich den Profi an. Es gibt Sachen, die kriegste nicht alleine hin. Ist auch zu gefährlich. Ich hab von Leuten gehört, die konnten danach ihr Haus sanieren.

Der Mann kam schnell und diskret, er fuhr keinen Firmenwagen mit einer Aufschrift wie „Instant Death für alles was mehr als zwei Beine hat“ oder so ähnlich. Fanden wir sehr professionell. Im sandfarbenen Anzug mit Knieschützern und Arbeitsschuhen ging er zunächst auf Spurensuche. Er fand sofort die Wege, die sie benutzten. Und mahnte, mit der Behandlung und den Maßnahmen auch dann fortzufahren, wenn die sich zurückgezogen hätten. „Auch wenn man keine mehr sieht, sie sind trotzdem noch da und nie weit weg!“ Haben die eigentlich natürliche Feinde, wollten wir wissen. „Nur mich“, sagte der Experte und lächelte.

Dann war tatsächlich Ruhe. Und ich hatte Zeit, mich ein bisschen mit den Tieren zu beschäftigen. Jetzt frage ich mich, ob das alles nicht doch übereilt war. Ich fand nämlich sehr interessante Dinge von geradezu kommunalpolitischer Relevanz.

Deshalb an dieser Stelle folgende Feldstudien-Fakten über die gemeine Babelsberger Haus- und Gartenameise: Sie hat ein super Verkehrskonzept. Gekrabbelt wird im gleichmäßigen Tempo, das erleichtert vieles. Gibt es doch mal Stau, weil sich jemand mit einem Frühstückskrümel übernommen hat, wird ohne Murren kurz umgeleitet auf die zweite, stets freie Ersatzspur. Die Verkehrsströme sind insgesamt flexibel und passen sich schnell den Bedarfen an. Und das Wichtigste: Die meisten bleiben zu Hause und arbeiten. Ich hab noch nie eine Ameise gesehen, die entspannt nichts gemacht hat.

Sehr clever ist eine Art, die sich über mögliche Staus hinwegsetzt, indem sie sich von A nach B katapultiert. Die sogenannte Schnappkieferameise. Jetzt weiß ich auch, wo Die Partei ihr Wahlkampfmotto „Nahverkehrskatapult“ herhatte. Aber wir sind noch nicht reif für eine große, verbindungsfreudige kosmopolitische Gesellschaft wie die der Ameisen. Die größte bekannte Kolonie besteht aus Millionen miteinander verbundener Nester und reicht von Italien bis nach Spanien. Nein, Potsdam liegt da nicht auf der Strecke. Wir haben sowieso zu wenig Katapulte, zu viel Stau. Zu viel Unruhe und Meckerei. Bei uns im Garten ist jetzt auch Ende Gelände. Was noch übrig war, ist bestimmt in der Unwetter-Nacht abgesoffen. Was sagt der Experte? „Auch wenn man keine mehr sieht, sie sind nie weit weg.“ Ich finde das – bei aller Antipathie – ein kleines bisschen beruhigend.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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