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Bald gehen wieder die Türchen auf.

© picture alliance/dpa

Kolumne Pyanissimo: Schöner warten

Was Wende, BER und Termine bei der KfZ-Zulassungsstelle miteinander verbindet? Vieles, findet unsere Kolumnistin. 

Heute ist der Erste. Haben Sie schon einen Kalender? Jahrelang fand ich es schrecklich, dass schon im Sommer Weihnachtsgedöns verkauft wird. Dabei hatte ich nur nicht das Konzept verstanden: Wer ab Oktober wartet, kann bis zum 24. Dezember drei Ladungen Schnapspralinen futtern! Man kann ja währenddessen auf Vieles warten. Zum Beispiel auf die Eröffnung des BER. Dass die nicht gefeiert werden soll, finde ich schade. 

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

© Sebastian Gabsch

Wir haben alle mitgefiebert, mitgelitten und mitbezahlt. Und jetzt sitzen die bedröppelten Herrschaften alleine mit Piccolöchen? 

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Im Übrigen heißt es in der Bibel: „Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen. Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel.“ Wenn schon keine Flugplatzfete, dann wenigstens ein BER-Adventskalender, Advent heißt schließlich Ankunft. (Kalender bitte umdrehen und passend zur langjährigen BER-Berichterstattung die Tage runter zählen.)

Auf Knien den OB um ein Ehefähigkeitszeugnis anflehen

Worauf kann man noch warten? Auf einen Termin bei der KfZ-Zulassungsstelle oder im Standesamt, da soll es ähnlich sein, ich habe von Bräutigamen gehört, die auf Knien den OB um ein Ehefähigkeitszeugnis anflehten. Also bildlich. Warten auf einen Corona-Impfstoff. Oder wenigstens den Schnelltest. Das geht mit einem Schokokalender nicht schneller, aber schöner.

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Die Wende 1989 haben wir zwar erwartet, aber dann kam sie sehr plötzlich. Dabei waren wir DDR-Bürger im Warten grundsätzlich recht gut. Wir warteten nur nicht auf einen Termin in der Zulassungsstelle sondern darauf, dass wir nach zwölf Jahren Anmeldestatus überhaupt ein Auto kaufen durften! Wir warteten auf einen Telefonanschluss, auf eine Wohnung mit Innenklo und die Anlieferung der Kohlen. 

DDR-Adventskalender waren wunderbar nachhaltig

Die Ladung wurde vor dem Haus abgekippt und man schleppte alles Eimer für Eimer in den Keller. Wir warteten auf die Zuteilung eines Gasaußenwandheizers – ein Luxusgerät mit der Ökobilanz eines heutigen Heizpilzes, das aber auf Knopfdruck die Bude wärmte. Ohne Kohlendreck. Warteten, dass die Armeezeit rumging. Maßband abschneiden. Warteten auf die Delegierung zur Erweiterten Oberschule. Manche warteten darauf, dass der Sozialismus siegt. Das hat er nicht. Ich finde das gut. Nicht nur, weil wir heute größere Adventskalender haben. Die DDR-Dinger aus Papier oder zum Mehrfachbenutzen waren allerdings wunderbar nachhaltig. Nur dass damals keiner das Wort kannte.

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