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Schmuck. In Babelsberg steht der Baum.

© Andreas Klaer

Kolumne | PYAnissimo: Monolog auf Fango: Über Muskelzerrungen und andere vorweihnachtliche Irritationen

Zu viel Teig in der Kekspresse, Probleme mit dem Jutebeutel von der Landesregierung und Stress mit dem Weihnachtsbaum. Und dann haben die Kinder keinen Bock und sogar der Katze ist es egal.

Danke, so liege ich gut, ist auch nicht zu heiß. Wie es mir geht? Ich könnte manchmal echt heulen, alles ist so traurig geworden. Dann denke ich, ach scheiß drauf. Was sind drei Wochen, naja, vier. Sechs. Weiß man nicht. Zieht sich halt schon ewig. Und jetzt kommen all die Oberschlauen, die schon immer im Juli ihre Geschenke zusammen hatten, womöglich sogar eingepackt. Siehste, so kommt man locker durch einen Lockdown.

Ha ha, im Sommer Weihnachtsgeschenke kaufen, unromantischer geht's ja wohl nicht. Dafür muss es kalt sein und dunkel, und man rennt von Geschäft zu Geschäft und arbeitet seine Liste ab. Wenn sich dabei so eine Eigendynamik entwickelt, dann läuft das ganz von selbst. Zu Hause schüttest du die Taschen auf dem Sofa aus und wunderst dich, was du alles gekauft hast. Das ist doch mit Online-Bestellen überhaupt nicht zu vergleichen! 

Die lesen ja kaum noch

Jedenfalls Schulter und Nacken, rechte Seite, das ist seit Dienstag. Da hab ich mich echt abgebuckelt. Erst Buchladen. Die Kinder kriegen alle Bücher dieses Jahr. Die wollen zwar immer Geld, aber ich bin doch kein Amt! Es gibt Bücher, obwohl die ja kaum noch lesen heute. Warum nur? Kann mir das mal einer erklären? Ich nehme also immer welche, die gut aussehen und gut in der Hand liegen, damit sie die wenigstens mal aufklappen. Das war die erste schwere Ladung. 

Die habe ich in meinen Baumwollbeutel gestopft, so ein Werbeteil von der Brandenburger Landesregierung, war ein Geschenk. Das wollte ich erst nicht haben, aber jetzt war ich doch froh. Diese Beutel haben aber ein Problem, die Henkel sind zu lang. Also unter 1,65 Meter Körpergröße des Beutelträgers schleift das Teil immer auf dem Boden. Dann muss man den über die Schulter hängen. Vermutlich ist das auch so gedacht. Nur nicht von Orthopäden erfunden. 

So schief beladen ging ich zum Teegeschäft. Da war mit Anstehen, weil immer nur einer rein darf. Und was passiert, wenn man lange anstehen muss? Genau, wer endlich drin ist, lässt sich schön Zeit. Die Verkäuferin dort ist total entspannt. Wissen Sie, das wird das beste Weihnachten Ihres Lebens, hat sie zum Abschied gesagt. Naja, wers glaubt. Ich musste ja noch Katzenfutter holen und Geschenkpapier. Ja, ich weiß, voll unökologisch, man könnte Zeitungspapier nehmen. Oder alte Kalenderblätter. Meine Mutter hat ihr Päckchen in einen Chagalldruck eingepackt. Plätzchen, sortenrein in zugetackerten Papiertüten. Voll ordentlich! Bin jetzt fertig mit Backen, schrieb sie mir Ende November. Da hatte ich noch nicht mal angefangen. Egal. Jedenfalls, ich will Geschenkpapier. 

Einfach mit Schmackes aufreißen

Ich habe lange gebraucht mir abzugewöhnen, Geschenke vorsichtig auszupacken, erst den Klebestreifen lösen, dann alles langsam aufblättern, damit das Papier ganz bleibt. Bin halt Ossi. Aber eines Tages hatte ich es drauf: einfach mit Schmackes aufreißen. Das ist Luxus. Aufreißen und genießen. Deshalb stand ich dann in der Drogerie, ich schwitzte, unter der Maske alles wie Sauna, die Brille beschlug, und dann jongliere mal deine Einkäufe und stell dich mit fünf rutschigen Rollen unterm Arm – denn die passen ja nicht in den Korb – an der Kasse an. Portemonnaie aus der Handtasche, die unter dem vollen Jutebeutel klemmt, rauskramen und dabei nichts verlieren oder liegen lassen! 

Steffi Pyanoe ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.
Steffi Pyanoe ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

© Sebastian Gabsch

Und die ganze Zeit grübele ich, ob das alles das Richtige ist für die Kinder. Ich hatte ja gefragt, per WhatsApp. Was wünscht ihr euch? Was könnte dein Bruder brauchen?? Huhu, lebst du noch? Da kommt erst ewig keine Antwort und dann eine Sprachnachricht. Mama, macht euch mal nicht verrückt wegen fucking Weihnachten! Ernsthaft, das hat sie gesagt. Und dass sie und ihre Geschwister dieses Jahr eh kein Weihnachten machen wollen. Sie hat sich freiwillig für die Schichten über die Feiertage eingetragen. Ich fass’ es nicht, ich renne rum und kämpfe bis nachts halb eins mit der Kekspresse, ich musste ja auch backen. Neues Rezept, original von unserem Bäcker, es sollte total einfach sein. Nur dass das mit unserer Kekspresse nicht funktioniert. Hier verschwindet der Teig überwiegend im Inneren dieser Ingenieursleistung. 

Ich stand also in der Küche und holte mir die nächste Muskelzerrung, während mein Mann im Internet Bewertungen diverser Kekspressen las. Das Problem ist unter Usern bekannt, sagte er. Aha. Kann ich mir auch nichts von kaufen. Aber, die Kekse sind lecker. Und schenke ich die jetzt den Kindern? Den Weihnachtsverweigerern? Ich könnte so was nicht. Wir kaufen jedes Jahr einen Baum, nur für uns zwei. Und das ist richtig Arbeit. So viele Entscheidungen, welcher Schmuck, welche Beleuchtung, wie groß soll er überhaupt sein? Und wer saugt hinterher das Auto aus? Wann erfindet endlich jemand einen Verpackungssack, aus dem nichts rauskrümelt, und mit dem es keine Harzflecken auf den Sitzen gibt? 

Der Katze ist der Baum wurscht

Zu Hause streitest du über den Standort, obwohl es doch eigentlich klar ist: Nicht an der Heizung. Nicht im Fluchtweg. Steckdose wäre gut. Und man muss ihn von der Couch sehen können. Ach, und nie steht das Ding grade, keine Ahnung, warum Männer sowas nicht sehen. Unser Weihnachtsbaumtiefpunkt war das Jahr, als die Katze noch klein war, da wurde nur das obere Drittel geschmückt. Dabei war der so teuer gewesen. Jetzt ist dem Vieh der Baum wurscht. Und den Kindern! Oder sagen die das nur so? Aber auch der Azubi in der Baumabteilung war nicht gerade euphorisch. He, sagte ich zu ihm, wie wäre es mit etwas guter Laune, o du fröhliche und so, und er fing an zu jammern. Er mache das hier schon seit Tagen und hat immer nur sonntags frei, das reicht nicht zum Erholen. Mein Gott, was ist mit den jungen Leuten los? Wer fragt uns, wann wir uns erholen? …

Aaaah, die Wärme tut wirklich gut. Bisschen mehr nach rechts bitte. Jedenfalls, ziemlich schön war das Jahr, als Großeltern, Kinder und sogar der Onkel kamen. Da war alles dabei, Liebeskummer, Heulerei und Schnaps, frischer Führerschein und fahren ohne Papiere, kiffen auf dem Balkon, also nicht ich, ich bin dafür zu feige, aber eines der Kinder, und dann kam das jugendliche Kind zurück und grinste komisch. Alle wussten es, nur die Großeltern waren ahnungslos, Gottseidank. Das schönste Weihnachten Ihres Lebens – na ich bin mal gespannt. Machen wir gleich einen neuen Termin?

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