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Mähdrescher bei der Getreideernte.

© dpa

Kolumne | PYAnissimo: Mähdrescher? Bitte bevorraten Sie sich!

PNN-Redakteurin Steffi Pyanoe überlegt, wie sie sich für die zweite Welle vorbereiten kann. Dazu gehört für sie auch ein Vorrat an Geselligkeit.

Nur ein paar Tage war ich weg. Aber das so richtig. Das Ferienhaus befand sich in jeder Hinsicht auf einer Insel – kein Netz nirgends. Kein Fernseher, keine Zeitung. Im Garten tollten abends zwei Feldhasen, und große Fledermäuse – nicht so kleine Flatterlinge wie in Babelsberg – fingen sich ihr Abendbrot aus der Luft. 

Am zweiten Abend war die Idylle futsch. Der Raps musste vom Feld, Mähdreschereinsatz bis Mitternacht, das Dorf vibrierte unter den Scheinwerfern der Kolonnen. Und über allem der Vollmond. So ist das Leben, dachte ich, säen, wachsen, ernten, Geduld und Aktion. Ich fühlte mich irgendwie geborgen in dem Gedanken, dass es noch so was wie Routine gibt.

Zu Hause stellte ich fest, dass sich während meiner Abwesenheit der Nachbar ein neues Hobby gesucht hatte. Eine dicke fette Eiche, zerlegt in Baumstammabschnitte, lag in seinem Garten, frisch angeliefertes Feuerholz. Jetzt muss alles zerhackt werden, das Pling und Plopp hallt durch die Straße. Pling, wenn das Beil den Spaltkeil trifft, Plopp, wenn das Holz fällt. Ich musste mir gleich die Filmszene anschauen, in der Adriano Celentano als „Der gezähmte Widerspenstige“ in einer sensationellen Choreografie Holz hackt.

Potsdam wird toller

Auch Potsdam ist widerspenstig. Während meiner Abwesenheit scheint es eine tolle Stadt geworden zu sein: Es gibt keinen Plan, wie in vier Tagen die Schule funktionieren soll. Dafür wird ab sofort im Ordnungsamt scharf geschossen. Das Golmer Luch kriegt einen neuen Mülleimer (Meldung Seite eins am Dienstag), Randale im Friseursalon (dieses mal kein Wildschwein, sondern eine unzufriedene Kundin) und Potsdam hat es erneut ins Fernsehen geschafft: „Extra 3“ schnappte sich das Thema Strandbadverlegung für einen weiteren Beitrag der Rubrik „Realer Irrsinn“.

Sind jetzt alle durchgedreht, dachte ich. Dabei hatte ich noch nicht einmal die neuen Zahlen der Coronastatistik studiert. Richtig, da war ja noch was. Und plötzlich wurde mir klar: Die Stadt und ihre Bürger stecken einfach mitten in den Vorbereitungen zur zweiten Welle. Allein mit Klopapier und Trockenhefe ist es dieses Mal nicht getan. 

Wir müssen uns auch mit sozialem und geselligem Leben bevorraten. Mit Streitkultur ebenso wie mit Ausgehen und Kaffeetrinken auf Restaurantterrassen. Menschen live sehen und hören, sich mit einigen Vertrauten vielleicht sogar wieder drücken. Schirrhofnächte und Tanztage besuchen. Auch neben den Straßenmusikern am Platz der Einheit tanzten gestern Leute – ein völlig ungewohnter Anblick, so schien es mir. Das Leben genießen und ein bisschen davon auf die hohe Kante legen. 

Hallo Nachbar!

Dazu passt, dass die Urania und die Akademie 2. Lebenshälfe demnächst einen Smartphonekurs für Senioren anbieten, nützlich spätestens dann, wenn man eine Whatsappgruppe mit Nachbarn, Einkaufshelfern oder Enkeln erstellen will. Und dass mein Nachbar ausgerechnet in diesem Jahr so viel Feuerholz einlagert – alles nur Zufall oder weise Voraussicht?

War es leichtfertig, in dieser Zeit in den Urlaub zu fahren? Andererseits: Wo kann man in Potsdam Mähdreschern unterm Vollmondnachthimmel zusehen? Wie verrückt auch immer die kommenden Monate werden: Dort auf dem Feld wurde einfach nur getan, was getan werden musste. In Ruhe und ohne Kompromisse, soweit ich das als unbeteiligte Städterin beurteilen konnte. Eigentlich ein schönes, tröstendes Bild für schlechte Zeiten. Bitte bevorraten Sie sich!
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

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