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Kolumne PYAnissimo: Einfach mal Stöpsel raus

Potsdam und die Wohnungstauschzentrale: PNN-Autorin Steffi Pyanoe hätte da ein paar Anregungen, mit denen man vieles einfacher machen könnte - vor allem zuhören.

In jedem Retro-DDR-Roman sitzt der Protagonist irgendwann vor der unterkühlten Dame der kommunalen Wohnraumlenkung, die ihm erklärt, dass er keinen Anspruch auf eine eigene Bude hat. Später wird er ihr Blumen und Konfekt mitbringen und aus der eisernen Lady eine abrissreife Altbauwohnung zum Eigenausbau herausquetschen. Auf dem Weg zur eigenen Wohnung brauchte man damals Glück, Beziehungen und Geduld. Aber wenn man erstmal eine hatte, war man drin: im Tauschkarussell. Eine Wohnung war wie alles andere auch Tauschware. Die DDR-Bürger haben es immer wieder geschafft, Tauschpartner zu finden. Ohne Internet, meist sogar ohne Telefon. Die Königsdisziplin war der Ringtausch, wenn also mindestens drei Beteiligte ihre Wohnungen im Kreis weitergaben.

Auch 30 Jahre nach der Wende wollen viele Potsdamer ihre Wohnung tauschen, groß in klein und klein in groß. Das ist offenbar eine so kniffelige Angelegenheit, dass die Stadt dafür eine Wohntauschzentrale einrichten will. Natürlich mit Experten. Die mittels Ausschreibung erstmal gefunden werden sollen. Auch kniffelig, weshalb es dauert. Seit Herbst 2017 wird deshalb an der Wiederentdeckung des Prinzips Wohnungstausch gebastelt. Das finde ich faszinierend. Die Stadt sagt, es soll bundesweit einzigartig werden. Das kann – in Potsdam – vieles bedeuten.

Ich hätte ja schon mal ein paar Ideen: Büro mit jemand drin, der Wünsche und Anfragen aufschreibt, sortiert, und dann die entsprechenden Leute zusammenbringt. Mit einem Griff zum Telefon. Im Idealfall versteht der Experte sogar was von Mietverträgen und regelt alles ohne Mieterhöhungen.

Richtig toll wäre, wenn er auch mit Menschen gut kann. Wenn er den 80-jährigen Kasupkes erklärt, wie man ein ordentliches Umzugsunternehmen findet. Dass man heute im Baumarkt Umzugskartons kaufen kann und nicht mehr alte Pappen vom Supermarkt, früher Konsum, holen muss. Kasupkes bräuchten vielleicht auch Hilfe beim Ummelden diverser Medien, nicht dass denen jemand einen teuren Kabel-Telefon-Internet-Vertrag aufschwatzt, obwohl die gar keinen Rechner haben. Möglicherweise müsste jemand Oma Kasupke auch erstmal den neuen Stadtteil zeigen, hier ist der Bäcker, da die Kirche, dort der nächste Arzt. Es bleiben natürlich Fragen: Der Umzug selbst, wer soll den machen, wenn Kasupkes wackelig sind? Und die ganzen übrigen Möbel – wohin?

Vielleicht bin ich altmodisch, aber reden finde ich immer noch ganz gut. Ich glaube, dann würde man sogar solch kniffelige Herausforderungen auf dem Weg zum Wohnungstausch zwischen Alt und Jung lösen können. Man würde sich vor allem erstmal finden. Einfach mal Stöpsel raus aus den Ohren und nicht am Handy hängen, wenn man Bahn fährt, beim Bäcker ansteht oder in irgendeinem Wartezimmer sitzt. Hören und sehen, was so los ist mit den Menschen. Sich füreinander interessieren anstatt zu warten, dass das Amt alles regelt. Sind wir so hilflos geworden?

Wir müssen wieder zurück zu Blumenstrauß und Konfekt. Wenn dann eines schönen Tages noch jene avisierte bundesweit einzigartige digitale Super-Wohntauschzentralstelle dazukommt – umso besser.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

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