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Kolumne: Haltungsschaden

Vor einem halben Jahr kaufte ich mein erstes Paar Laufschuhe. In Potsdams bestem kleinen Sportshop in der Lindenstraße.

Vor einem halben Jahr kaufte ich mein erstes Paar Laufschuhe. In Potsdams bestem kleinen Sportshop in der Lindenstraße. Bei einer tollen Verkäuferin, sonst wäre das wohl nie was geworden. Sie schickte mich mit den verschiedenen Schuhen Probelaufen durch die Seitenstraßen, an vollbesetzten Caféhaustischen entlang, und es war heiß und ich japste und japste. Die Frau stand sanft lächelnd vor dem Laden und schaute zu, wie ich herankeuchte. „Also, Ihre Haltung ist gut, jetzt müssen Sie nur noch Ihre Oberschenkel benutzen.“

Ich denke oft an den Spruch: Haltung ist wichtig, reicht aber nicht.

Der Bolzplatz Nowawiese ist schon mal da. Er sieht gut aus, der 500 000-Euro-Rasen der Stadt. Wenn ich von der Schnellstraße rüber schaue, bin ich von der Grünfläche jedesmal begeistert. Nur Nachwuchsfußballer, die ihn benutzen, habe ich da noch keine gesehen. Mal ist es zu feucht, mal zu dunkel. Dass an der Drainage gespart wurde – dumm gelaufen. Dass es jetzt keine Lampen geben soll, ist vermutlich nur konsequent. So sieht man das Elend nämlich nicht. Keine Kinder, die hier nicht spielen und sich nicht in der nicht vorhandenen Umkleide umkleiden und dort auch nicht aufs nicht vorhandene Klo gehen können. Es bleibt im Dunklen, das Pieseln im Gebüsch und dass hier offenbar eine halbe Million in eine schicke Grünfläche versenkt wurde.

Aber dass es keine Lampen geben soll, hat natürlich sachliche, wichtige Gründe: Masten für eine angemessene Beleuchtung würden die Schlösserstiftung irritieren. Und die jetzt von einer Fraktion vorgeschlagene Ersatzvariante, nämlich 16 Lampen mit breiter Streuung, vermutlich weniger hoch angebracht, wurde vom Rechtsamt der Stadt als nicht normgerecht eingestuft. Deshalb lieber gar keine Beleuchtung, denn halbe Sachen macht die Stadt nicht gerne. Das hat auch was mit Verantwortung zu tun: Ohne Din-Beleuchtung könnte es sein, dass ab und zu die Sicht nicht reicht und doch jemand gegen den Pfosten rennt. Respekt für diese Argumentationskette. Oder geht es doch eher darum, dass man 16 halbwegs anständige Sportfeldstrahler ab und zu mal kontrollieren und warten müsste und man dazu einfach keine Lust hat? Dass es zu anstrengend wäre, sich hier über eine Ausnahmeregelung zu verständigen? Es würde zu dem Unglücksprojekt „Nowawiese“ passen. Selten hat die Stadt etwas liebloser umgesetzt beziehungsweise im Grunde verhindert.

Ich möchte nur wissen, wie das mit der Haltung zusammenpasst, dass Potsdam eine kinderfreundliche Stadt sein will. Oder ist das Schlagwort schon so abgedroschen? In einer Ausschuss-Sitzung zum Thema Licht an oder Licht aus glänzten zwei Drittel aller stimmberechtigten Mitglieder jedenfalls nicht mit Haltung, sondern durch peinliche Ent-Haltung. Wer sich nicht traut, für seine Haltung einzustehen, der hat, finde ich, in der Stadtverordnetenversammlung nichts zu suchen.

Meine Laufschuhexpertin würde sagen: Man muss aus seiner Haltung auch was machen. Die besten Schuhe oder Sportplätze nützen sonst – nix.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

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