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Landeshauptstadt: Kohle, Lecks und O-Busse

Vor 20 Jahren kamen die Betriebe für Energie, Wasser und Nahverkehr wieder in kommunale Regie. Seitdem hat sich viel verändert. Konflikte blieben dabei nicht aus

Heute könne man es sich kaum noch vorstellen. „Schon beim Entladen gab es überall Staub“, erinnert sich Rainer Greifenhagen an das alte Heizkraftwerk Nord in der Zeppelinstraße. Der Dreck verteilte sich in der ganzen Innenstadt. Greifenhagen arbeitet seit 1982 bei der Potsdamer Energieversorgung. 1994 wurde das alte Kraftwerk dicht gemacht.

Im selben Jahr liegen auch die Anfänge der heutigen Stadtwerke: Damals wurden die Betriebe für Energie, Wasser und Nahverkehr wieder kommunalisiert. Jeder Potsdamer ist heute auf irgendeine Weise Stadwerke-Kunde. Am morgigen Freitag blickt der Unternehmensverbund in einer Fachtagung auf die Entwicklung zurück und diskutiert Fragen der Zukunft.

Die Gründungszeit vor 20 Jahren war dabei alles andere als konfliktfrei. Vor allem der Bau des neuen Gaskraftwerkes im Süden Potsdams erregte die Gemüter. Im heißen Herbst 1993 setzte der damalige Oberbürgermeister Horst Gramlich (SPD) den Bau durch. Die Lausitzer Braunkohlekumpel fanden das gar nicht gut. Tausend von ihnen kamen nach Potsdam und belagerten das Rathaus, mauerten den Eingang mit Briketts zu und hielten mit brennenden Fackeln Mahnwachen ab. Greifenhagen saß damals gerade bei Gramlich im Büro: „Als der von den Kumpels zurückkam, war er ganz wuschig und musste erst mal eine rauchen“, erinnert er sich. Doch der Protest half den Arbeitern nicht. Das Gaskraftwerk war mit 180 Millionen Mark nur halb so teuer wie ein modernes Kohlekraftwerk und außerdem viel sauberer. Ein nicht unwichtiger Nebeneffekt: die Kohlendioxid-Emissionen sanken drastisch und betragen heute nur 25 Prozent des damaligen Wertes. Zudem ist der Ausstoß von Rußpartikeln erheblich geringer. „Wir haben das damals richtig gemacht“, so Greifenhagen – lange vor der sogenannten Energiewende.

Ganz neu war die Zusammenlegung der kommunalen Dienstleitungen allerdings nicht. Auf Grundlage der 1935 in Kraft getretenen Deutschen Gemeindeordnung fassten die Nationalsozialisten damals die Ver- und Entsorgung sowie die bestehenden Verkehrsunternehmen unter dem Dach der „Stadtwerke Potsdam“ zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam 1949 vorerst das Ende. In der DDR war beispielsweise die Energieversorgung im Rahmen der Bezirke organisiert. Dabei hinterließ die DDR-Mangelwirtschaft auch in Potsdam ihre Spuren. So fehlte für das eigentlich auf Steinkohle ausgelegte damalige Heizwerk Süd häufig der passende Brennstoff.

Die Wasserversorgung hatte hingegen mit noch älteren Hinterlassenschaften zu kämpfen. 16 bis 18 Prozent des Trinkwassers versickerten durch Lecks, erinnert sich Wassermanager Karsten Zühlke. Der 58-Jährige arbeitet seit 1987 in der Potsdamer Wasserversorgung. „Am Hügelweg gab es fast jeden Tag einen Rohrbruch“, sagt er. Schuld waren Stahlleitungen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. „Damals wurde der gute Stahl für den Krieg verwendet. Die Leitungen waren nur Schrott“, so Zühlke.

Ärgerlich an der Wasserversorgung war in den letzten Jahren allerdings der Preis: 2001 wurde unter Regie von Peter Paffhausen die Privatisierung des Wasserbetriebs an die Eurawasser rückgängig gemacht und die Firma ins Eigentum der Kommune zurückgeholt. In kaum einer anderen Stadt ist das Leitungswasser seitdem teurer. Mit jedem Tropfen zahlen die Potsdamer einen alten Millionenkredit des Wasserbetriebs ab. Um 167 Millionen Euro soll es damals gegangen sein. In drei Jahren soll der Altkredit getilgt sein.

Große Veränderungen gab es in jenen Jahren auch beim Verkehrsbetrieb (ViP). Anfang der 1990er-Jahre wurden die Tatra-Straßenbahnen modernisiert. „Für neue Trams hatten wir kein Geld“, erinnert sich Jörg Zennig, stellvertretender Betriebsleiter beim ViP. Ein Jahr später fuhr in Babelsberg der letzte Oberleitungsbus. Die tschechischen Fahrzeuge hatten ihre beste Zeit lange hinter sich.

Außerdem plante der Verkehrsbetrieb seinen neuen zentralen Betriebshof an der Wetzlarer Straße. „Vorher gab es drei davon“, so Zennig. In der alten Werkstatt in der Holzmarktstraße standen die Arbeitsgruben teilweise unter Wasser: „Das Dach war undicht.“ Doch es dauerte nur wenige Jahre, bis der Verkehrsbetrieb wieder wuchs. Bald gab es eine neue Tramstrecke ins Kirchsteigfeld. 2001 wurde die Strecke zum Volkspark eröffnet. Und neben neun Tatra-Bahnen sind heute 35 moderne Trams unterwegs. „Ein Unterschied wie Tag und Nacht“, so Zennig.

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