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Ausverkauft: Die Tanzfläche im Klub Pirschheide ist voll.

© Andreas Klaer

Klub Pirschheide: Ein Ort zum Feiern für die mittlere Generation

Vor fast zwei Jahren eröffnete der Klub im früheren Bahnhof Pirschheide in Potsdam. Jetzt zieht er mit Mottopartys und frühem Einlass viele Gäste an. Ein Besuch.

Potsdam - Geburtstage sind vorhersehbar und Brit war schnell. Für ihren 47. hat sie rechtzeitig die Kuschelecke im Klub Pirschheide gebucht: Die 80er- und 90er-Jahre-Party am vergangenen Samstag war nämlich fix ausverkauft. Ihre Gäste machen es sich auf den Sofas hinter roter Kordel-Sperre längst mit Getränken gemütlich, da wird draußen noch angestanden, der Einlass geht diszipliniert vonstatten.

Das Besondere: Es ist, obwohl Wochenende, erst 19.30 Uhr. Eine Zeit, zu der die jüngere Ausgehgeneration gerade noch vorschläft, um dann nach Mitternacht in die Klubszene einzutauchen. Die Zielgruppe vom Pirschheide findet es gut, dass hier die Uhren noch normal ticken. „Wir alle haben unsere Kinder verkauft und wollen einfach mal tanzen, aber nicht erst früh um drei“, sagt Brit.

Das Konzept funktioniert

So scheint es vielen der 500 Besucher zu gehen. Das Konzept für den Klub am Stadtrand, den Ronald Engelhardt und seine Frau Shima vor knapp zwei Jahren eröffneten, funktioniert: ein Ort zum Tanzen und Feiern für die mittlere Generation. Trotzdem wollen sie es vorsichtig angehen und probieren noch aus, was gut läuft. Regelmäßige Tanzpartys, vielleicht monatlich, was sich manche Gäste wünschen, könnte es ab Ende des Jahres geben. „Im Sommer sind die nicht so gefragt“, sagt Engelhardt.

Was gut läuft: Größere Live-Konzerte, Mottopartys, Vermietungen für Firmenevents und Hochzeiten, oder an Bands, die die Halle für eine intensive Probenwoche buchen. „Wir geben uns drei Jahre, um zu sehen, ob es funktioniert“ sagt der Chef, der Samstag zusammen mit Frau, erwachsenen Kindern und sogar seinen Eltern zur Party gekommen war. Die fallen mit ihren 77 Jahren zwar doch etwas aus dem Altersrahmen – aber nur fast. Es ist alles vertreten, was volljährig ist und kein Problem hat, sich mit Ü40 zusammen auf der Tanzfläche zu drängeln. Über allen Tänzern thront DJ Hansy. Auch Engelhardts senior aus Werder (Havel) kennen, was der auflegt. Freilich, ohne die Einladung des Sohnes wären sie nie hergekommen, aber das wäre doch schade gewesen.

Die Inhaber Shima und Ronald Engelhardt. "Wir geben uns drei Jahre, um zu sehen, ob es funktioniert“, sagte Engelhardt.
Die Inhaber Shima und Ronald Engelhardt. "Wir geben uns drei Jahre, um zu sehen, ob es funktioniert“, sagte Engelhardt.

© Andreas Klaer

Im Mai 2017 eröffneten Ronald und Shima Engelhardt den Klub – nach einem jahrelangen, kostspieligen und durch die Medien begleiteten Umbau, weil sich eine empfindliche Öffentlichkeit über Pissoirs in Form eines knallroten Mundes in der Herrentoilette aufregte und deren Abbau forderte. Von dieser Unruhe sind nur gerahmte Zeitungsausschnitte an der Wand vor den edlen Örtchen geblieben. Engelhardt grinst fröhlich. „Alle, die damals meckerten, kommen heute hierher zum Feiern.“

Die roten Pissoirs provozierten bundesweit Schlagzeilen.
Die roten Pissoirs provozierten bundesweit Schlagzeilen.

© Sebastian Gabsch

Der ehemalige Potsdamer Hauptbahnhof, eröffnet 1958 und zuletzt eine Ruine, ist heute wieder ein architektonisches Schmuckstück. Die Baugeschichte und frühere Funktionalität lassen sich noch an vielen Details ablesen. Ortskundige Besucher wissen noch, wo es früher zu den Bahnsteigen ging, wo man Fahrkarten kaufte.

Dort hängen jetzt signierte Gitarren hinter Glas. Als Hommage an alte Zeiten gibt es am Kiosk im Außenbereich, hübsch mit Feuerschale und Lümmelsofas, den Burger „Grilletta“. Für Getränke – im Gin Tonic schwimmt tatsächlich Gurke – muss man nie lange anstehen. Es gibt drei Bars, außen, wo man früher zum Bahnsteig C lief, unten im Saal und auf der Empore, wo man auch Tische und Stühle findet. Sitzgelegenheiten oder zumindest Stehtische gibt es reichlich, man soll ja lange bleiben. Oben ist es sogar möglich, sich zu unterhalten, die Lautstärke entspricht der Musik aus Dekaden, in denen Künstler noch Texte zum Mitsingen schrieben und sich die Bässe noch nicht schmerzhaft ins Gedärm bohrten. „Die Musik passt und der Stil der Location ist gut“, sagt Katrin, 30, aus Kleinmachnow. Sie ist mit Arbeitskollegen hier, Maria, 50, ist sogar aus Königs Wusterhausen angereist. „Bei uns auf dem Land ist ja nichts, das hier ist toll.“ Wenn der DJ jetzt noch Aha, ihre Lieblingsband der 80er, spielen würde!

Unter der Discokugel ist das Gefühl sehr gut und sehr retro

Ein guter DJ ist gar nicht so einfach zu finden, sagt Ronald Engelhardt, denn er muss sich nicht nur mit den Playlists auskennen, sondern auch dem Gefühl. Unter der riesen Discokugel ist das Gefühl sehr gut und sehr retro. „Don’t leave me this way“ singen die The Communards, dann die Pointer Sisters „Jump“, gefolgt von Micheal Jacksons „Beat it“. Mit Keimzeit wird es deutsch, ihr „Klingklang“ rutscht rüber in Herbert Grönemeyers „Mambo“. „Ich finde keinen Parkplatz“ können alle mitsingen, aber hier am finstersten Ende von Potsdam ist gerade das kein Problem. Der große Parkplatz vor der Tür, dazu die Tram, das ist ideal, sagen die Besucher. „Wenn es sich jetzt noch unter den Taxifahrern rumspricht“, sagt Ronald Engelhardt, „das wäre perfekt“.

Zum Gewitter der Weather Girls, „It’s raining men“, formiert sich derweil unter den Gästen auf der Treppe eine Choreografie, noch mehr Frauen tanzen, auch die von Peter, 55, und Uwe, 60. Oben, ganz hinten am Ecktisch, halten die beiden währenddessen die Stellung. Früher ging man in Potsdam zum Tanzen in den Klosterkeller, ins Minsk und ins Haus des Handwerks, erzählen sie. Heute gibt es Klärchens Tanzcafé und die Gutenberg 100. Und eben diesen Klub. „Wenn man Karten kriegt“, sagt Peter. „Wir kommen jedenfalls wieder.“

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