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Der altehrwürdige Klosterkeller wird umgebaut wird, Rodrigo Liboreiros wurde gekündigt.

© Sebastian Gabsch

Klosterkeller-Umbau: Potsdamer Figaro ohne Salon

Barbier Rodrigo Liboreiro schließt das „Trio“, weil der Klosterkeller umgebaut wird. Seine sieben Mitarbeiter muss er entlassen. Auch Wolfgang Joop gehörte zu seinen Kunden.

Von Carsten Holm

Potsdam - Es ist eine traurige Geschichte, die sich in diesen Tagen im Potsdamer Stadtzentrum abspielt: Einem Friseurmeister, der sich in kurzer Zeit ein bemerkenswertes Renommee zurechtgeschnitten hat, ist die Kündigung zum Jahresende zugegangen. Aber schon am 16. August wird Rodrigo Liboreiro seinen Salon „Trio“ an der Friedrich-Ebert-Straße 94 schließen, weil er keine neue Bleibe gefunden hat. Seine sieben Mitarbeiter muss er entlassen. „Wir haben keine Kraft mehr, so zu arbeiten“, sagte er den PNN.

Der Figaro ist in Argentinien geboren und 38 Jahre alt, die „Trio hair & company GmbH“ hat er im April 2017 eröffnet. Sein Pech: Der Salon, in dem er wäscht, schnibbelt und föhnt, gehört baulich zum legendären Klosterkeller, dem traditionsreichen Gebäude, in dem es ab 1736 eine Schankwirtschaft gab. Doch das barocke Bauwerk, in dem einst auch ein Hoflieferant Friedrich des Großen residierte, soll nun komplett modernisiert und erweitert werden – und dazu gehören auch die Räume, in denen jetzt noch frisiert wird. Es ist das Aus für Liboreiro.

Auch Wolfgang Joop war sein Gast

Die Erfolgsgeschichte des Argentiniers ist schnell erzählt: Er schloss sich mit seinem ersten eigenen Geschäft der in Hannover beheimateten Friseur-Kette „Trio“ an, er führte monatlich rund 1000 Euro dafür ab. Er setzte auf Stamm- und nicht auf Laufkundschaft, auf seinen Stühlen und an seinen Waschbecken ließen sich Manager, Firmenchefs und Potsdamer Prominente wie der Modedesigner Wolfgang Joop nieder. 

Über Joop spricht der Barbier mit großem Respekt: „Seine Haare fallen ja wie von selbst. Aber er macht beim Styling auch gern selbst mit.“ Liboreiro überstand die Lockdowns der Coronakrise und blieb optimistisch. „Ich wollte in meinem ersten Salon alt werden.“

Modeschöpfer Wolfgang Joop.
Modeschöpfer Wolfgang Joop.

© Sebastian Gabsch

Die wichtigste Person dieser Geschichte jedoch ist der Berliner Projektentwickler Christopher Weiß, der Mann, der dem Friseur die Kündigung des Mietverhältnisses aussprach. Der Architekt, der vor sechs Jahren von Berlin ins Bornstedter Feld zog, führt mit seiner Geschäftspartnerin Andrea van der Bel die Glockenweiß GmbH, einen Projektentwickler, der Gebäude und Grundstücke kauft, um sie kreativ zu modernisieren. 

Er gehört nicht zu jenen kalten Investoren-Typen, denen Geld alles bedeutet und ihre Mieter wenig. Die Glockenweißen kamen ihrer Maxime, sich auch sozial zu engagieren, schon bei ihrem Großprojekt „Postwerk“ am alten Tegeler Postamt 27 nach: Während der Bauphase luden sie etwa alternative Pop-ups und Künstler zur Zwischenmiete ein.

Pläne für die Zukunft des Kellers sind in Arbeit

Der Berliner Projektentwickler Copro, der den Potsdamer Klosterkeller gekauft hatte, um ihn großräumig zu modernisieren, kam nicht recht voran. Glockenweiß, in der Landeshauptstadt bekannt durch die Entwicklung des Kreativquartiers, zeigte Interesse. Weiß dementiert nicht, dass Glockenweiß vor eineinhalb Jahren zugriff, als Copro für das Sahne-Grundstück im Zentrum der Landeshauptstadt statt ursprünglich sechs nur noch fünf Millionen Euro verlangte.

Die Pläne für die Zukunft des Kellers sind in Arbeit. Unten, zur Straße hin, sollen Läden entstehen, „ein Feinkostladen vielleicht, eine Weinbar mit Tapas, eher kein Restaurant“, sagt Weiß. Im Ober- und Dachgeschoss sind Wohnungen geplant, in einem zweigeschossigen Neubau Eigentumswohnungen mit 35 bis zu mehr als 200 Quadratmetern Wohnfläche. Ende 2023 soll der Umbau fertig sein.

In der Planungs- und Bauzeit erlaubt Glockenweiß der Potsdamer Bürgerstiftung ebenso wie dem Neuen Theater Potsdam, die Räume zu nutzen – für die symbolische Monatsmiete von einem Euro. Verschiedene Künstlergruppen, Theaterleute und Puppenspieler üben dort und führen Einstudiertes auf, die Idee der Künstlerkollektive wird wiederbelebt. Am 28. August soll das Neue Theater mit einer Performance des Neuen Künstlertheaters eröffnet werden.

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„Wir wollen mit unseren Projekten nicht nur Baulücken füllen, sondern nach unserem Motto: ’Was ist gut für den Kiez?’ einen Mehrwert für die Stadtgesellschaft schaffen“, sagt Weiß. Auf seine Kosten hat das Unternehmen für die Stiftung und das Theater in den Brandschutz und in Stromleitungen investiert, es hat Geld für eine Teeküche und für Möbel gespendet.

Gute Taten für viele – nur für die große Not des fleißigen Figaros Liboreiro gibt es keine Lösung? „Wir haben mit ihm eine neue Fläche gesucht und überlegt, ob wir ihm den Weiterbetrieb seines Salons ermöglichen können, während wir umbauen“, sagt Weiß. Das sei aber in einem Friseurgeschäft, das funktionierende Wasserleitungen brauche, nicht möglich: „Außerdem kann man dieser Klientel keine Dixi-Klos zumuten.“

Von Anfang hat Rodrigo Liboreiro auf Stammkunden gesetzt.
Von Anfang hat Rodrigo Liboreiro auf Stammkunden gesetzt.

© Sebastian Gabsch

„Er ist ein Macher, er wird es schaffen.“

Auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft ProPotsdam mühte sich, dem Coiffeur zu helfen. Doch sie hat derzeit nur fünf Gewerbeobjekte im Angebot: Ein 56 Quadratmeter kleines Geschäft an der Dortustraße, 178 Quadratmeter immerhin an der Karl-Liebknecht-Straße in Babelsberg, 61 Quadratmeter an der Stephensonstraße im selben Stadtteil und 206 Quadratmeter im Zentrum-Ost. „Das passte leider alles nicht zu mir“, sagt Liboreiro, „ich brauche eine Toplage, wie ich sie bisher hatte.“ Das fünfte Objekt, den seit längerem leerstehenden früheren Blumenladen an der Charlottenstraße 90/91, hätte Liboreiro sofort gemietet: „Es schien ideal für mich zu sein.“

Aber die ProPotsdam signalisierte ihm, dass dort kein Friseur einziehen könne. Haben die sieben Arbeitsplätze, die nun verlorenzugehen drohen, kein Gewicht für ein städtisches Unternehmen? „Ein guter Branchen- und Nutzungsmix in der Ladenzeile“ sei geboten, sagte Pressesprecherin Jessica Beulshausen den PNN – und es gebe bereits einen Friseursalon. Zudem so die Sprecherin, sei das Unternehmen bereits „in konkreten Vertragsverhandlungen“ mit einem Interessenten. PNN-Informationen, nach denen dort bald ein Fahrradladen einziehen werde, kommentierte sie nicht.

Der Projektentwickler Weiß glaubt indes an die unternehmerische Kraft des Friseurmeisters Liboreiro: „Er ist ein Macher, er wird es schaffen.“

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