zum Hauptinhalt
Eine Ladestation in Wohnortnähe für seinen Hybrid-Wagen sucht Jan Michalke vergebens. 

© Andreas Klaer

Klimafreundlich unterwegs: Potsdamer kämpft um Steckdose an seinem Wohnhaus

Jan Michalke aus dem Kirchsteigfeld ist auf ein Hybrid-Auto umgestiegen. Dort sind Ladesäulen rar. Jetzt kämpft er um eine Steckdose an seinem Wohnhaus.

Potsdam - Jeden Tag aufs Neue ist Jan Michalke auf der Suche nach einer Steckdose für sein Hybrid-Auto. Denn so könnte er, statt zur Tankstelle zu fahren, seinen Wagen elektrisch aufladen und klimafreundlich unterwegs sein. Doch in Potsdam, einer Stadt, die erst im August des vergangenen Jahres den Klimanotstand ausgerufen hat und wie jüngst angekündigt, ihren CO2-Ausstoß in den nächsten 30 Jahren um 95 Prozent senken will, ist Michalkes Suche eine echte Herausforderung. „Es gibt einfach immer noch zu wenig Ladesäulen in Potsdam“, findet er. Seit langem bemüht sich Michalke deshalb sowohl bei Stadt als auch bei seinem Vermieter um Besserung ein – bisher jedoch ohne Ergebnis.

Dabei ist Abwarten eigentlich nicht Michalkes Sache. Der selbständige IT-Berater ist mehr fürs Zupacken. Im Juni 2018 ersetzte er deshalb seinen Benziner durch einen Wagen mit Hybridantrieb. Für den 57-Jährigen, der sich von Haus aus für neue Technologien begeistert, sei der Kauf zwar nicht wirtschaftlich gewesen, stelle aber dennoch „ein Schritt in die richtige Richtung“ dar, sagt er. Michalke steht mit seiner Meinung nicht alleine da: Laut einer Statista-Umfrage aus dem August 2019 wurden im vergangenen Jahr etwas mehr als 341 000 Hybridautos in Deutschland verkauft – und damit 104 000 Fahrzeuge mehr als noch 2018. Zu Beginn der Erhebung im Jahr 2006 waren es knapp 6000 Fahrzeuge. Bei den reinen Elektroautos steigen die Verkäufe ebenfalls: Rund 83 200 Fahrzeuge waren im Jahr 2019 in Benutzung, insgesamt also 29 000 mehr als noch 2018.

Freude an neuem Wagen ließ rasch nach

Die Freude an seinem neuen Wagen ließ allerdings schon bald nach, berichtet der Potsdamer. Eine Anfrage bei der zuständigen Hausverwaltung im Sommer 2018, ob es möglich sei, eine Außensteckdose am hauseigenen Carport zu installieren, stieß dort auf wenig Begeisterung. Ein längerer Briefwechsel entspann sich. Michalke blieb hartnäckig, organisierte eine Begehung des Parkplatzes durch einen Haustechniker. Die Kosten für die Installation einer Spezialsteckdose würden sich auf rund 700 Euro belaufen, berichtete Michalke. Kosten, die er zur Not selbst tragen würde. Er bräuchte nur die Erlaubnis zur Installation seitens des Vermieters. Doch dieser zögerte noch immer. Man wolle in Gesprächen die baulichen Grundlagen klären, hieß es in einem Schreiben vom Oktober 2018. Seither habe sich nichts getan, so Michalke.

„Tatsächlich hat uns Herr Michalke mit seiner Anfrage völlig überfordert“, sagt Thomas Groth, geschäftsführender Gesellschafter der Hausverwaltung Allod auf PNN-Nachfrage. Eine Einzelfallentscheidung lehne der Eigentümer jedoch ab. Vielmehr müsse man eine gemeinschaftliche Lösung für den Wunsch nach einer Ladestelle finden. Groth verweist zudem auf das sogenannte Lastenmanagement hin. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, für den Fall, dass das lokale Stromnetz nicht genug Energie ausgeben könnte. Das sei möglicherweise der Fall, wenn mehrere Mieter ihr Fahrzeug im Schnellverfahren laden würden. 

Lohnt sich der Umbau für den Hauseigentümer?

„Da ist es mit ein paar Steckdosen nicht getan“, sagt Groth. Hier müsse man kostspielige Transformatoren anbringen, so Groth weiter. Zwar sei er generell nicht gegen einen solchen Umbau. Doch die finale Entscheidung zum Umbau müssten die Eigentümer treffen. Dabei müssten natürlich auch die Kosten berücksichtigten werden. „Zurzeit ist es so: Wer sich ein Elektroauto als Nutzer zulegt, bekommt eine Prämie. Doch ehrlicherweise müssen wir auch die Frage stellen: Was hat der Hauseigentümer davon? Oft lohnt sich das für ihn schlicht nicht“, gibt der Hausverwalter zu bedenken.

Zugleich verweist Groth auf die Stadtwerke, die sich ihrerseits mehr um die öffentliche Infrastruktur kümmern müssten. Ein bekanntes Problem, wie Andreas Buchholz, Vertriebsleiter bei der kommunalen Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP), bestätigt: „Hier erleben wir immer wieder das alte Henne-Ei-Problem. So richtig lohnt sich das neue System noch nicht.“, fasst er zusammen. „Aber je mehr Ladesäulen es gibt, umso größer wird das Interesse der Nutzer, sich ein Elektroauto zuzulegen. Aber diese werden oft nur gebaut, wenn klar ist, dass es genügend Nutzer gibt. Ein klassischer Teufelskreis.“

Auch die komplizierte Abstimmung mit den Ämtern verlängert laut Buchholz oftmals den Prozess. „Es kann vorkommen, dass man aneinander vorbeiplant und beispielsweise die Barrierefreiheit verletzt – dann muss der Prozess neu aufgerollt werden.“

Die meisten Ladestellen befinden sich in der Innenstadt

Derzeit sind 30 von gut 50 geplanten Ladestellen in und um Potsdam in Betrieb, wie eine Übersichtskarte der Stadt ausweist. Die meisten davon befinden sich in der Potsdamer Innenstadt, statt in Wohngebieten oder in der Nähe von Büros. Das kann Michalke nicht verstehen. „Statistisch gesehen steht das Auto 23 Stunden am Tag still – in der Zeit könnte man es auch aufladen, vor allem nachts“, sagt er. Eine Komplettladung, mit der man einen Tag lang unterwegs sein könnte, dauere schließlich immerhin etwa vier Stunden.

Im Kirchsteigfeld wird es jedenfalls so bald wohl keine Ladestationen geben. Die nächsten Ladepunkte sind derzeit im Parkhaus im Sterncenter verfügbar. Hier wurden vier Ladeplätze der Stadtwerke Potsdam eingerichtet. In der Gerlachstraße im Gewerbegebiet Am Stern stehen sechs Plätze bei der Aral-Tankstelle über den Anbieter Ubitricity bereit. Hier ergibt sich jedoch ein weiteres Problem, sollte die Infrastruktur einmal bereitstehen: Alle Anbieter nutzen unterschiedliche Zahlungsmodelle, für die man teilweise verschiedene Apps benötigt.

Auch gibt es bereits vereinzelt Ladestationen, die sich auf größeren Parkplätzen von Lebensmittelmärkten befinden. Eine PNN-Anfrage an die Rewe Group zum Standort am Kirchsteigfeld ergab: Zwar befinde sich ein Rewe-Markt mit einem ausreichenden Parkplatz im Kiez. Hier würde man jedoch nur bei Nachfrage agieren, sagt Stephanie Behrens, Rewe-Pressesprecherin der Region Ost. Michalke ist frustriert. „Ich komme mir mittlerweile vor wie ein Stromnomade.“ Immerhin ist er mit seinem Hybridfahrzeug nicht nur auf die Elektro-Tankstellen angewiesen. „Sonst wäre ich bestimmt schon öfter liegen geblieben.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false