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Klage vor dem Oberverwaltungsgericht: Parkfrust in der Gartenstadt

Warum Anwohner gegen die Parkraumbewirtschaftung in Drewitz klagen.

Potsdam - Die kommunale Bauholding Pro Potsdam lobt gern ihr Modellprojekt der Gartenstadt Drewitz. Ein Kernstück des Konzepts ist es, dass Anwohner sich Parkplätze für bis zu 370,56 Euro pro Jahr anmieten können, wenn sie Autos in der Nähe ihrer Wohnungen abstellen wollen. Doch das sorgt offenbar für großen Ärger - und beschäftigt nun das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg.

Anwohner wollen das System kippen

Geklagt haben der aus Drewitz stammende Anwalt Jens Robbert und mehr als 30 Anwohner, die das bereits seit Mai 2013 geltende System kippen wollen – das zunächst im Süden von Drewitz praktiziert und 2017 auf den gesamten Stadtteil ausgeweitet wurde. Durch die aus Robberts Sicht so praktizierte Privatisierung fast aller öffentlichen Parkplätze habe sich die Lage in dem 7000-Personen-Viertel in vielerlei Hinsicht verschlechtert, argumentiert der Jurist in seinen Erläuterungen für das Gericht. Unter anderem könnten Anwohner praktisch nicht mehr von Familienangehörigen oder Freunden, die außerhalb von Drewitz leben, mit einem Auto besucht werden – weil eben keine freien Parkplätze mehr vorhanden seien.

Auch seien die Straßen viel schmaler gestaltet worden. Kranken- oder Polizeiwagen könnten nur noch vor Häusern in dem Plattenbaugebiet halten, wenn sie dadurch die Fahrbahn versperrten.

Einen weiteren Nachteil sieht Robbert darin, dass Umzüge mit einem Lastwagen nur noch möglich seien „im – unwahrscheinlichen – Fall einer vorherigen Anmietung eines in der Nähe der betroffenen Wohnung gelegenen privaten Stellplatzes“. Zur Unterstützung haben die Kläger bereits im vergangenen Jahr auch 180 Meinungen anderer Anwohner in dem als sozial schwach geltenden Viertel gesammelt und diese unterschreiben lassen – 170 hätten sich dabei gegen die Änderungen ausgesprochen.

Ohne Parkkarte wird abgeschleppt

Den PNN liegt die Umfrage vor, in der weitere Kritik geäußert wird. So schreiben Mieter in der Robert-Baberske-Straße, sie hätten versehentlich zweimal die Park-Karte in ihrem Auto vergessen, dieses sei dann abgeschleppt worden – Kostenpunkt: je 135 Euro. In der Innenstadt hätte man nur ein 15-Euro-Knöllchen wegen Falschparken zu erwarten. Ein Anwohner aus dem Willi-Schiller-Weg moniert, er nutze Carsharing – doch das sei nicht mehr möglich, weil die Parkkarten an ein Kennzeichen gebunden seien. Mehr als 50 Unterzeichner monieren explizit, dass sie weniger Besucher empfangen würden, zum Beispiel Verwandte von außerhalb mangels Parkplatz nicht mehr kommen könnten. „Da ich niemanden empfangen kann, gleicht Drewitz einem Sperrbezirk, einem Ghetto“, heißt es in einem der Umfrageschreiben.

Elternabende: unmöglich

Auch das private Schiller-Gymnasium in der Fritz-Lang-Straße ist unzufrieden. In einer Stellungnahme von über vierzig Angestellten heißt es, alle größeren Veranstaltungen wie Elternabende seien fast unmöglich, weil es viel zu wenige Parkplätze gebe, die auch nur zwei Stunden belegt werden dürften. „Wo sollen Eltern, die nach der Arbeit teils weite Wege zur Schule antreten, ihre Autos parken?“ Zwar erhalte die Schule ein Kontingent an Parkkarten – allerdings entstehe bei der Beantragung ein immenser Verwaltungsaufwand, kritisieren die Mitarbeiter. Vor der Einführung der sogenannten Parkraumbewirtschaftung habe es all diese Probleme nicht gegeben, so die Meinung der Schiller-Lehrer.

Die Pro Potsdam als Trägerin des millionenschweren Gartenstadtprojekts verteidigt dagegen ihr Vorgehen. Die Bewirtschaftung der 1750 Stellplätze habe sich bewährt, heißt es im Gartenstadt-Blog mit Fragen und Antworten zum Projekt. Der Verkehr zur Parkplatzsuche sei reduziert, ebenso die Lärm-, Staub- und Abgasemissionen. Pro-Potsdam-Sprecherin Jessica Beulshausen sagte, man habe auch positive Rückmeldungen von Mietern erhalten, die jetzt über fest zugeordnete Stellplätze verfügen, „was zuvor nicht der Fall war“.

Konzept gemeinsam mit Anwohnern erarbeitet

Das Konzept für das System sei im Rahmen eines Werkstattverfahrens erarbeitet worden – mit Anwohnern, Gewerbetreibenden, Sozialträgern, Stadtverwaltung, Wohnungswirtschaft sowie Kommunalpolitikern. Auch die dort – freilich unter sehr geringer Beteiligung – gewählte Bürgervertretung habe das Stellplatzmanagement mit festgelegt. Die Neuorganisation des sogenannten ruhenden Verkehrs sei „ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität“ in dem Viertel, sagte Sprecherin Beulshausen.

Die Einnahmen würden in erster Linie für die Instandhaltung der Stellplatzflächen selbst sowie für mehr Ordnung und Sauberkeit verwendet. Mittelfristiges Ziel sei es, mögliche Überschüsse aus dem Stellplatzmanagement für die Pflege des neu angelegten Konrad-Wolf-Parks in der Mitte des Viertel zu nutzen. Zudem gebe es freie Besucherparkplätze auf dem Ernst-Busch-Platz sowie in der Slatan-Dudow-Straße. Das besagte Gymnasium habe inzwischen ein großes Kontingent an Tagesparkkarten erwerben können.

Klage zu Drewitz-Süd wurde bereits abgewiesen

Das aber reicht den Kritikern wie Robbert längst nicht, er hofft nun auf eine Entscheidung zu seiner Klage, die sich direkt gegen die Stadtverwaltung als Eigentümerin der Pro Potsdam richtet. Im Rathaus gibt man sich allerdings gelassen. Denn das OVG habe eine erste Klage von Robbert gegen das neue Park-System in Drewitz-Süd bereits 2017 abgewiesen – nun klagt er zu Drewitz-Nord. Daher gehe man davon aus, dass die Klage erneut abgewiesen werde, sagte Rathaussprecher Markus Klier. Robbert dagegen sagte, die Klage sei nur aus aus formalen Gründen abgewiesen worden – nun gehe es um den eigentlichen Hauptstreitpunkt. Wann genau entschieden wird, ließ das Gericht auf PNN-Anfrage offen.

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