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Klärwerk in Potsdam: Die Reinemachefrau

Dagmar Triptow ist Klärwerksmeisterin und kennt sich aus mit Bakterien, Klärschlamm und Trübungseinheiten. Ihre Aufgabe: Potsdams Abwässer sauber an die Natur zurückzugegeben.

Potsdam - Alle paar Monate verschickt die Energie und Wasser Potsdam eine Pressemitteilung zum Thema Abwasser. Die Bürger werden gebeten, doch bitte nur normales Toilettenpapier und menschliche Abfälle ins Klo zu werfen. Alles andere, vor allem die vielen im Klo entsorgten Feuchttücher und Wattestäbchen, verklumpe und verdrehe sich nämlich zu schlimmen Bündeln, die sogar Pumpen blockieren können. Initiatorin solcher Aufrufe ist in der Regel Dagmar Triptow, Potsdams einzige Klärwerksmeisterin. Die 53-Jährige arbeitet seit 25 Jahren in der Kläranlage Nord am Lerchensteig. Und bekommt immer wieder Briefpost, die an einen Herrn Triptow adressiert ist. Weil sich nur wenige vorstellen können, dass eine Frau so einen Job macht.

Für Dagmar Triptow ist es ein toller Beruf und ein toller Arbeitsplatz. „Im Wasserwerk könnte ich nie arbeiten“, sagt sie, „viel zu langweilig.“ Beim Abwasser hingegen ist jeder Tag anders, sie hat sich inzwischen einen Schrittzähler zugelegt. 10 000 Schritte am Tag kommen bei der Rennerei von Messstation zu Messstation, von Becken zu Becken schnell zusammen. Als Chefin muss sie alles im Blick haben und bei Bedarf sofort reagieren und nachsteuern können.

Noch immer werden Toiletten als Müllschlucker missbraucht

Der Ablauf des Säuberungsprozesses in drei Stufen ist beispielsweise abhängig vom Wetter, je wärmer es ist, desto besser und schneller arbeiten die Bakterien im Schlamm. Gibt es viel Regen, gelangt folglich auch mehr Regenwasser in die Kanalisation und verdünnt das Abwasser. Und natürlich hängt alles davon ab, was sonst noch rein kommt. Vom Dreck der Menschen. Ihre Aufrufe an die Bürger, die Toilette nicht als Müllschlucker zu missbrauchen, hätten bisher leider kaum etwas bewirkt. Noch immer landen Feuchttücher „so groß wie Wischlappen“, Tampons, Plastikverpackungen, Zigarettenkippen, Küchenabfälle und diese kleinen fiesen Wattestäbchen, um die sich alles wickelt und verknotet, in der Toilette. Dazu Fettreste vom Kochen – eine Mischung, die früher oder später auch dicke Rohre zusetzt, weshalb man fettige Pfannen vor dem Abwaschen besser mit einem Küchentuch auswischt.

Dagmar Triptow zeigt das Mülldesaster immer wieder gerne und öffnet dazu verschiedene Klappen im sogenannten Rechenhaus, das so heißt, weil hier der grobe Müll an einer Art Rechen hängen bleiben soll. Dass es hier auch ziemlich stinkt, merke sie schon gar nicht mehr, sagt sie. Und außerdem komme sie vom Land.

Zuhause wird Müll konsequent getrennt - oder von vornherein vermieden

Triptow wurde zunächst Gartenbaumeisterin, dann aber ging die Firma pleite. Sie schulte um zum Ver- und Entsorger der Wasser-, Abfall- und Abwasserwirtschaft, machte ein Praktikum im Klärwerk und blieb. Sie kannte sich aus mit der neuen Nachwendetechnik und bekam einen Job im Labor. Dann machte sie ihren Facharbeiterabschluss, später eine Meisterausbildung, wurde 1999 Vorarbeiterin und ist seit 2007 Meisterin im Werk, einzige Frau und Chefin von elf Männern. Das prägt. Ihr eigener Mann habe sich schon des Öfteren darüber beklagt, dass sie sich mit den Jahren einen rauen Umgangston angeeignet habe. Dagmar Triptow kann darüber lachen. „Man wird dann halt so“, sagt sie. Ihr Mann habe sie aber immer unterstützt in ihrem beruflichen Werdegang. Er hat auch was davon, denn zu Hause ist sie diejenige, die den Traps unterm Spülbecken repariert oder mal eine Mischbatterie anschließt.

Zu Hause wird auch konsequent Müll getrennt oder von vornherein vermieden. Später, wenn sie als Rentnerin Zeit haben wird, möchte sie eine hauseigene Minikläranlage bauen, am besten mit Pflanzen. Wenn man keinen Abwasseranschluss hat, ist das eine Alternative zur Sammelgrube. Auch für neue landwirtschaftliche Bewässerungssysteme interessiert sie sich, gerne hätte sie mehr Zeit zum Tüfteln und Forschen. Es wird ja nicht besser mit dem Abfall. „Ein großes Problem ist das Mikroplastik“, sagt sie. Das kriegt auch keine Kläranlage rausgefiltert.

„Dann gehen die Abwassergebühren kräftig rauf.“

Und so landet der gefährliche Plastikmüll aus Kosmetika und Verpackungsmaterialien sowie der feine Abrieb der Autoreifen erst im Abwasser, dann im Sacrow-Paretzer Kanal, von wo er in die Elbe und ins Meer gelangt. Wo ihn die Fische fressen. „Darüber könnte ich ewig sprechen“, sagt sie. Eine Idee, wie man das Problem löst, hat sie nicht. Klar ist: Soll die Mikroplastik aus dem Abwasser raus, muss ein neues Verfahren her. „Dann gehen die Abwassergebühren aber kräftig rauf.“

Vielleicht hilft Aufklärung. Immer wieder führt sie Schulklassen oder Studentengruppen über das Gelände und erklärt an Becken, in denen der Inhalt manchmal wie ein Bächlein romantisch rauscht, was hier gerade passiert. Wie das grobe Zeugs rausgeholt wird und im nächsten Schritt der Straßensand. Wie die Brühe dann belüftet wird, damit sich die Bakterien hier wohlfühlen. „Die knabbern alles weg“, sagt sie und freut sich, wie es an der Oberfläche blubbert. Und sagt dann Sätze wie: „Der Schlamm hat heute eine total gesunde Farbe, er sieht klasse aus.“

Die Arbeit von Dagmar Triptow ist auch ein Beitrag für den Naturschutz

Natürlich gibt es auch noch Apparate, die die Trübung des Wassers messen, bevor es der Natur zurückgegeben wird. 2,28 NTU, nephelometrische Trübungseinheiten, sind es am Freitag. „Ein super Wert, Alarm gibts erst bei 70“, sagt die Meisterin auf dem Bediensteg überm Becken der biologischen Reinigungsstufe. Hier nimmt sie eine Schöpfprobe, schaut, wie schnell sich der Belebtschlamm absetzt und wie klar das Wasser im nächsten Becken bereits ist.

Wo das Wasser unterirdisch dem Sacrow-Paretzer Kanal entgegenfließt, ist oberirdisch eine große Blumenwiese. Hier gibts Bienen, Kaninchen, mal einen Fuchs. Schwalbennester kleben an Beckenrändern und unter Gerüsten. Auch für die Natur hat Dagmar Triptow einen Blick. Ihre Arbeit ist schließlich Naturschutz. Ab 2018 wird die Kläranlage vergrößert, die Kapazität um ein Drittel erweitert, zudem ist ein extra Phosphatfilter in Planung. Der Potsdamer Norden wächst. Auch diese Veränderungen zu begleiten, gehört zu ihren Aufgaben. Und nie wird sie aufhören, den Potsdamern zu schreiben, was ins Klo gehört und was nicht.

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