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Unterbesetzt. Potsdamer Kitaträger haben immer wieder den ungenügenden Betreuungsschlüssel an ihren von Stadt und Land finanzierten Einrichtungen kritisiert. Die Zustände gingen zulasten der Kinder und Erzieher. Für Förderung gebe es nicht mehr die nötige Zeit, die zu betreuenden Gruppen seien zu groß. Zugleich sei das Personal überlastet, das führe zu Erkrankungen, so die Kritik der Träger. Doch das Land will keine höheren Zuschüsse an Potsdam zahlen.

© Michael Reichel/dpa

Kitas in Potsdam: Land will nicht für bessere Kitabetreuung zahlen

Das Bildungsministerium sieht die Kommune in der Pflicht. In der Stadtverwaltung setzt man zunächst auf ein Rechtsgutachten.

Im Streit um mehr Personal für die unterbesetzten Kitas in Potsdam stehen Stadt und Land vor harten Verhandlungen, selbst ein Rechtsstreit ist möglich. Denn das Land weigert sich hartnäckig, dringend benötigte zusätzliche Erzieher für die Landeshauptstadt zu finanzieren. „Wenn Eltern in den Kitas eine längere Betreuung benötigen, muss die Kommune das gewährleisten“, sagte Bettina Stobbe, Referatsleiterin für Kindertagesbetreuung im Landesbildungsministerium, am Wochenende im Sender rbb. Dieser hatte jetzt zentrale Akteure der Verhandlungen vor der Potsdamer Kita „Waldhaus“ miteinander debattieren lassen, den PNN liegt das Gespräch in voller Länge vor.

Das Problem besteht seit Jahren: Das Land zahlt nur Personalzuschüsse für Standardbetreuungszeiten von 7,5 Stunden, in Potsdam sind aber 40 Prozent der Kinder bis zu zehn Stunden in den Kitas der Stadt untergebracht. Dadurch entsteht eine Betreuungslücke. In der vergangenen Woche hatte sich die Stadtpolitik darauf geeinigt, dieses Problem abzumildern und im laufenden und im nächsten Jahr insgesamt zwei Millionen Euro für eine Aufstockung des Kitapersonals zur Verfügung zu stellen. „Damit ist für uns aber das Ende der Fahnenstange erreicht“, sagte Potsdams Sozialdezernent Mike Schubert (SPD). Daher werde man Landeshilfe benötigen. Das seit 2004 geltende Kita-Gesetz sei veraltet und nicht auf heutige Bedarfe ausgerichtet. Denn viele Eltern, vor allem Berufspendler kämen mit den 7,5 Stunden Betreuungsanspruch nicht aus, machte Schubert deutlich. Das Problem betreffe auch andere Kommunen im Speckgürtel von Berlin.

Auch der Linke-Vizefraktionschef im Stadtparlament, Stefan Wollenberg, erklärte, dass das Land nun in der Pflicht zur Finanzierung der nötigen zusätzlichen Stellen sei. Doch auf seine Parteigenossen auf Landesebene kann Wollenberg dabei nicht bauen. Gerrit Große, Sprecherin für Kinderpolitik in der Linke-Landtagsfraktion, sagte, bei 1800 Kitas im Land könne man längere Betreuungszeiten derzeit „finanziell nicht darstellen“. Allerdings erinnerte sie daran, dass die rot-rote Landesregierung allgemein rund 80 Millionen Euro zur Verfügung stelle, um den Betreuungsschlüssel in den Einrichtungen zu verbessern. Dieses Geld werde zur Lösung des Problems in Potsdam nicht reichen, wandte Schubert ein. Er erinnerte daran, dass die Stadt nun ein Rechtsgutachten in Auftrag geben will, „um das Pingpong-Spiel zu beenden“. Dann sei klar, wer die Betreuungslücke schließen müsse. Das Wort Klage vermied Schubert in der Debatte – obwohl eine solche im Rathaus nach PNN-Informationen durchaus erwogen wird. Der Jugendhilfeausschussvorsitzende David Kolesnyk (SPD) erinnerte daran, dass das Land in den 1990er-Jahren Zuschüsse für längere Betreuungszeiten in den Kitas abgeschafft habe. Insofern sei es Aufgabe des Landes, diese wieder zu finanzieren. Stobbe hielt entgegen, dass sich die Kommune Gedanken machen müsse, wie sie die Rechtsansprüche der Eltern erfüllen könne. Bemerkenswert: Stobbe selbst galt bis vor einem Jahr – damals als Sprecherin für einen Potsdamer Kitaträger – als Fürsprecherin für eine deutlichere Aufstockung der Landesmittel, an der sich die Stadt Potsdam zumindest aber beteiligen solle.

Große wiederum sieht auch den Bund in der Verantwortung. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) habe dem Land Brandenburg rund 150 Millionen Euro versprochen. Sollte das Geld tatsächlich akquiriert werden, könne man es für längere Betreuungszeiten einsetzen, sagte Große. Zugleich müsse man über andere Arbeitszeiten nachdenken, damit Eltern ihre Kinder eben nicht zehn Stunden in Kitas bringen müssten.

Über den schlechten Personalschlüssel in Potsdam wird seit Jahren gestritten. Aktuell sind rund 2200 Erzieher in den 120 Kitas der Stadt eingesetzt. Für eine optimale Betreuung nach Empfehlungen der renommierten Bertelsmann-Stiftung, die mit ihrer Studie „Kita-Zoom“ auf die schlechte Situation in Potsdam aufmerksam gemacht hatte, würden 850 zusätzliche Erzieher benötigt. Das würde rund 26,7 Millionen Euro kosten. Für eine zumindest leichte Verbesserung des Betreuungsschlüssels wären 4,5 Millionen Euro nötig. Die Stadt will in diesem Jahr 500 000 Euro und im kommenden Jahr 1,5 Millionen Euro ausgeben und damit erstmals in Vorleistung gehen. Allerdings werde das Geld in diesem Jahr nicht einmal für eine halbe Stelle in den Kitas ausreichen, machte Schubert deutlich.

Nun müsse das Land erklären, wie es sich beteiligen könne, forderte gegenüber dem rbb auch ein Sprecher der Elterninitiative, die vergangenes Jahr rund 8000 Unterschriften für bessere Kitaqualität in Potsdam gesammelt hatte. Anfang des Jahres hatten zudem mehrere Kitaträger auf den unter den gesetzlichen Vorgaben liegenden Personalschlüssel aufmerksam gemacht. Dadurch sei das Personal chronisch überlastet, für die Förderung der Kinder gebe es nicht mehr die nötige Zeit, so die Träger. Zugleich hatte sich zuletzt ein weiteres Problem herauskristallisiert – der Fachkräftemangel. Denn selbst mit dem nötigen Geld sei es vermutlich nicht sofort möglich, alle nötigen Stellen mit geeigneten Erziehern zu besetzen, hatte unter anderem die Stadtverwaltung erklärt.

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