zum Hauptinhalt
Multinational. 183 Kinder aus 34 Ländern besuchen die Kita Kinderland am Schlaatz. Die Linken-Politiker Ralf Christoffers und Gerrit Große machten sich ein Bild von der Betreuung.

© Andreas Klaer

Kitas in Potsdam: „Ein Erzieher für 24 Kinder ist Alltag“

Linke Landespolitiker besuchten eine Kita am Schlaatz, um das angekündigte freie Beitragsjahr und den Personalmangel zu diskutieren.

Schon seit längerem steht die Frage nach einem beitragsfreien Kitajahr in Brandenburg im Raum. Nun wird dieses wohl ab Herbst 2018 kommen. Die SPD-Landesfraktion einigte sich am gestrigen Dienstag einstimmig darauf, dass das letzte Jahr vor der Einschulung kostenlos werden soll – und kommt damit einer alten Forderung ihres Koalitionspartners Die Linke nach. Bei einem Besuch in der Potsdamer Kita Kinderland am Schlaatz gestern erklärte der Linken-Fraktionsvorsitzende Ralf Christoffers: „Das beitragsfreie Kitajahr wird kommen. Wir haben das in den Doppelhaushalt 2017/18 bereits eingeplant.“ Für ihn sei das der Einstieg in die Beitragsfreiheit. In Potsdam beträfe die Regelung nach Schätzung der Stadt rund 1800 Kinder.

Die Linke hatte sich schon seit langem für beitragsfreie Betreuung stark gemacht. Sie plädiert dafür, das erste Kitajahr jedes Kindes kostenlos anzubieten, zeigte sich aber offen für die favorisierte Variante der SPD. „Wir möchten die Eltern entlasten, aber auch die Träger von unsinnigen Verwaltungsaufgaben befreien“, sagte die kinder- und jugendpolitische Sprecherin Gerrit Große in der Kita Kinderland. Im benachbarten Berlin wurde die Beitragsfreiheit bereits schrittweise eingeführt und wird bis 2018 vollständig umgesetzt.

Probleme für Kitas damit noch nicht gelöst

Der Jugendbeigeordnete der Stadt Potsdam, Mike Schubert (SPD) erklärte auf PNN-Anfrage: „Eine solche Regelung wird die Eltern freuen.“ Die Aufgaben in Potsdam, weitere Kitaplätze zu schaffen und den Betreuungsschlüssel zu verbessern, würden damit aber nicht gelöst. „Dafür ist noch größeres Engagement des Landes erforderlich.“

Die Beitragsfreiheit ist nicht unumstritten. Der Brandenburger Städte- und Gemeindebund hatte sich Ende Juni gegen eine Abschaffung der Elternbeiträge in den Kitas ausgesprochen, da dies weniger den geringverdienenden Eltern zugutekomme als den Besserverdienern. Betriebsleiter Kevin Kühne vom Kitaträger Arbeiterwohlfahrt (AWO) begrüßte die Vorstöße zur Beitragsfreiheit gestern in der Kita Kinderland am Schlaatz. Doch die Qualität und der Betreuungsschlüssel dürften darunter nicht leiden.

Fehlende Erzieher, zu hoher Betreuungsschlüssel, knappe Kassen: Viele Kitas, Träger und Eltern beklagen bereits jetzt die Zustände in der Kleinkinderbetreuung. Um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen, besuchten Landesabgeordnete der Linken am gestrigen Dienstag Kinderbetreuungsstätten in ganz Brandenburg.

Personalknappheit trotz Betreuungsschlüssel

„Es ist leider Alltag, dass sich eine Kollegin manchmal um 24 Kinder kümmern muss“, erzählte die Leiterin der Kita Kinderland, Ivonne Behrend der Linken-Fraktionsvorsitzende Ralf Christoffers und die kinder- und jugendpolitische Sprecherin Gerrit Große. Das sei zwar im Betreuungsschlüssel und auch in der Planung der Kita so nicht vorgesehen, aber durch krankheits- und urlaubsbedingte Fehlzeiten von Erziehern komme es trotzdem immer wieder zu solchen Situationen. In den nächsten Jahren gingen außerdem drei von 27 Kollegen aus ihrer Einrichtung in Rente. „Woher Ersatz kommen sollen, weiß ich noch nicht“, sagt Behrend. Denn es gebe in der Stadt viel zu wenige Erzieher auf dem Markt, denn die Ausbildung dauere insgesamt fünf Jahre, koste Geld und die Bezahlung hinterher sei gering.

Oder um es mit den Worten des Betriebsleiters Kevin Kühne auszudrücken: „Es finden sich nur noch ganz überzeugte Idealisten für den Erzieherberuf.“ Er erzählt von einer Kollegin, die noch in der Probezeit gekündigt habe, weil die Rahmenbedingungen nicht mit ihrem pädagogischen Leitbild vereinbar waren. „Wir betreiben hier ständige Mangelverwaltung.“

Wer soll zusätzliche Erzieher für Kitas bezahlen?

Gerade Geringverdiener finden sich viele unter den Familien der Kita Kinderland am Schlaatz. 89 Prozent der Kinder leben laut einer Statistik der AWO in Einkommensarmut mit einem Familieneinkommen von unter 22.500 Euro pro Jahr. 183 Kinder besuchen die Kita im Bisamkiez. Sie stammen aus 34 verschiedenen Ländern, von Afghanistan bis Vietnam. 51 Prozent der Kinder haben einen Migrationshintergrund, 21 Prozent stammen aus Flüchtlingsfamilien. Deshalb hofft Leiterin Ivonne Behrend auch, vom Projekt Kiez-Kita zu profitieren, mit dem 100 Betreuungsstätten mit besonderem Förderbedarf mit landesweit insgesamt fünf Millionen Euro unterstützt werden sollen.

Ebenfalls angesprochen wurde beim Besuch der linken Politiker am Schlaatz die leidige Geldfrage. Die Zuständigkeiten sind hier unklar. „Wir sagen, wir machen das nicht klarer, sonst müssen wir das finanzieren“, gab Gerrit Große zu.

Noch ist ungeklärt, ob Stadt oder Land sich um die Finanzierung von zusätzlich nötigen Erziehern kümmern muss. Die Stadt hatte dazu ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das eigentlich bereits Anfang Juli fertig sein sollte. Bisher liegen die Ergebnisse jedoch nicht vor.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false