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Natur vermitteln. In diesem Teil der Stallanlage in Groß Glienicke sind ein Gruppenraum und Sanitäranlagen für die Kinder untergebracht. Die Spatzennest-Kitakinder sind vormittags vor Ort, die älteren Hortkinder helfen nachmittags auch bei der Versorgung der Tiere. Foto: Andreas Klaer

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Kitabauernhof vor dem Aus?

Stadt untersagt Nutzung des Areals in Groß Glienicke. Hintergrund sind auch Korruptionsermittlungen.

Groß Glienicke - Im ersten Gehege hoppeln neun Hasen über den Rasen. Auch Enten, Hühner, acht Ziegen und drei Schafe gibt es auf dem kleinen Kitabauernhof in einem Waldstück unweit des Groß Glienicker Kreisels. Auf einer Weide stehen zwei Pferde – eines davon, Aghata, gehört ebenfalls zum Kitabauernhof der Kita Spatzennest. Auf Beeten vor dem Stallgebäude ranken Tomaten, gedeihen Kürbisse, Futterrüben und Himbeeren. 2011 wurde der Kitabauernhof eröffnet, genutzt wird er von den Spatzennest-Kindern. Außerdem stehen vier Pferde auf dem Gelände – „viereinhalb“, sagt Eigentümer Michael Fruth. Das Halbe ist ein Shetlandpony. Mit den Pferden, sagt der 59-Jährige, arbeite seine Tochter, eine Ergotherapeutin, unter anderem mit Behinderten, auch für Reitunterricht würden sie genutzt. Auch die Senioren der Tagespflege Albrechtshof seien regelmäßige Gäste.

Doch was klingt wie ein Vorzeigeprojekt, ist der Stadtverwaltung plötzlich ein Dorn im Auge. Im Juli erhielt Fruth, der sich selbst als Ur-Groß-Glienicker bezeichnet und auf dem Areal auch eine kleine Autowerkstatt betreibt, ein Schreiben vom städtischen Bauaumt mit einer Nutzungsunterlassung. Spätestens ab 17. Oktober soll er die Nutzung einstellen – oder ihm droht ein Zwangsgeld von 4000 Euro. Die Begründung: Es handele sich nicht um einen landwirtschaftlichen Betrieb, sondern um eine pädagogische Nutzung. Das sei aber nicht mit dem Flächennutzungsplan vereinbar und auch nicht genehmigungsfähig.

Sowohl der Eigentümer als auch Stephan Albrecht von der Elterninitiative, die die Spatzennest-Kita und den Kitabauernhof betreibt, verweisen dagegen auf eine Vielzahl von Treffen, Besichtigungen und Absprachen mit der Stadt in den vergangenen Jahren. In der Verwaltung sei die Nutzung des Areals, auf dem sich bis 1992 noch eine Schweinemastanlage befand, von Anfang an bekannt gewesen, so der Tenor. So habe das Veterinäramt zum Beispiel genaue Auflagen für die Ruhezeiten der Tiere gemacht. Zudem habe es regelmäßige Kontrollen vor Ort gegeben, auch Genehmigungsverfahren, zum Beispiel für einen Brunnen. „Wir stehen aus heiterem Himmel am Pranger“, sagt Fruth. Der Eigentümer und die Elterninitiative wollen vor dem Verwaltungsgericht eine einstweilige Verfügung gegen die Stadt erwirken, wie sie ankündigen.

Sollte es tatsächlich zur Schließung kommen, fürchtet nicht nur Fruth um seine Existenz. Auch die Betreuung etlicher Spatzennest-Hortkinder sei dann offen, sagt Stephan Albrecht. Denn das Kitagebäude habe nur Kapazitäten für 110 Kinder. Tatsächlich würden derzeit aber knapp 170 Kinder betreut. Das ist nur möglich, weil man mit der Stadt eine Vereinbarung getroffen habe, die auch die Nutzung von Schulräumen und eben des Kitabauernhofs vorsieht, so Albrecht. Die Stadt hält die Hortplätze indes für gesichert, sagte ein Stadtsprecher auf PNN-Anfrage. Denn für die vom Land erlassene Betriebserlaubnis für bis zu 170 Kinder spielten die Flächen auf dem Bauernhof keine Rolle, so der Sprecher.

Das rigide Vorgehen der Verwaltung in dem Fall steht nach PNN-Informationen im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen gegen einen leitenden Bauamtsmitarbeiter. Wie berichtet hatte es im Februar eine Razzia im Rathaus gegeben, die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt nach einer anonymen Anzeige. Der Verwaltungsmitarbeiter soll von einem Schwarzbau erfahren haben, aber nicht dagegen vorgegangen sein. Für sein Stillhalten soll er Vorteile bezogen haben. Nach PNN-Informationen wird ihm vorgeworfen, ein Pferd bei dem Unternehmer untergestellt zu haben und Kunde in dessen Autowerkstatt zu sein. Die Stadt wollte sich zu den laufenden Ermittlungen nicht äußern.

Fruth weiß von den Vorwürfen, ist sich indes keiner Fehler bewusst. Bestechungsvorwürfe weist er als „völligen Blödsinn“ zurück. Zwar sei der besagte Bauamtsmitarbeiter zahlender Kunde seiner Werkstatt gewesen, „aber das sind viele andere auch“. Der Vorwurf, der Mitarbeiter habe ein Pferd beim ihm gehabt, treffe nicht zu. Fruth vermutet seinerseits einen Neider hinter der anonymen Anzeige. Es sei nicht die erste anonyme Anzeige, auch Tierquälerei sei ihm schon vorgeworfen worden.

Tatsächlich war der besagte Bauamtsmitarbeiter mit dem Gelände befasst, bestätigt Fruth. Nach dem Kauf im Jahr 2006 habe er die Bauaufsicht über seine Pläne für das Areal informiert, berichtet er. Es sei um die Frage gegangen, ob eine Baugenehmigung für die Instandsetzung der Stallbauten erforderlich sei oder die Arbeiten „im Bestand“ durchgeführt werden können. Der Mitarbeiter sei 2007 zunächst mit einem weiteren Kollegen vor Ort gewesen. Wenig später habe es eine zweite Begehung mit insgesamt acht Verwaltungsmitarbeitern gegeben. Dabei sei ihm mündlich mitgeteilt worden, dass die Arbeiten ohne Genehmigung möglich seien, sagt Fruth: „Seither hat mich das Bauamt in Ruhe gelassen.“

Er hat sich nun auch mit einem Brief an die Stadtverordneten gewandt. OB-Kandidat Götz Friederich (CDU) forderte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) auf, „die Verwaltung anzuweisen, ihren Ermessensspielraum im Sinne der Sache zu nutzen und sich aktiv an einer Lösungssuche zu beteiligen“. mit HK

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