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Die Finanzierung der 114 Potsdamer Kitas sorgt für heftigen Streit zwischen den Kita-Sozialträgern und der Stadtverwaltung.

© dpa

Kita-Not in Potsdam: „Wir sind mehr als frustriert“

Die Stadtverordneten haben über den Kita-Engpass in der Landeshauptstadt debattiert. Betroffene Eltern sind verzweifelt.

Potsdam - Von einer Kita-Krise wollte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ausdrücklich nicht reden. Maximal gebe es einen „Engpass“ in der Kita-Versorgung, sagte Jakobs am Mittwoch vor der Stadtverordnetenversammlung – eine „unzumutbare Lage“ bestehe aber nicht. Angesichts der Tatsache, dass es in Potsdam aktuell keine freien Krippen- und kaum noch Kitaplätze gibt, haben die Stadtverordneten außerplanmäßig über das Problem debattiert.

Kritik übten Politiker aus der oppositionellen Linke-Fraktion. Die frühere Jugendhilfeausschuss-Chefin Sigrid Müller machte deutlich, endlich müsse die Stadt das in diesem Jahr besonders schwierige Problem in den Griff bekommen, dass im Frühjahr die Kita-Plätze rar werden. Ihr Fraktionskollege Matthias Lack ergänzte, der Kommunikationsfluss zwischen Verwaltung und freien Kita-Trägern müsse verbessert werden. Müller sagte, es sei auch nicht angemessen, das Problem auf lediglich jene 23 Familien zu reduzieren, für die die Stadtverwaltung aktuell keine Krippen- oder Kita-Plätze finden kann.

„Ich musste bereits meine Elternzeit unentgeltlich verlängern.“

Das zeigen auch Zuschriften von Betroffenen an die PNN. Eine Mutter aus dem Holländischen Viertel schilderte, eigentlich benötige sie wegen ihrer Arbeit in Berlin einen Platz ab Ende April, habe auch einen Rechtsanspruch darauf. Doch tatsächlich habe sie inzwischen und mit Hilfe von Freunden erst ab September einen Platz in Rehbrücke sicher. Zugleich sei ihr Sohn bei mehr als 15 Kitas auf der Warteliste, auch in Berlin. In der städtischen Service-Stelle Kita-Tipp habe sie schon vor zwei Wochen die Auskunft erhalten, man könne ihr derzeit nicht helfen. „Wir sind mehr als frustriert.“ Auch eine alleinerziehende Potsdamerin aus der Innenstadt schilderte, sie suche seit eineinhalb Jahren nach einem Platz für ihre ab Juni zwei Jahre alte Tochter. „Ich musste bereits meine Elternzeit unentgeltlich verlängern.“ Da kein Platz absehbar sei, drohe ihr nun die Kündigung, erklärte die Rechtsanwaltsfachangestellte den PNN.

Im Stadtparlament wiederum erneuerte Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos) ihren Appell an die knapp 50 in Potsdam tätigen Träger, in ihren rund 120 Kitas zu prüfen, ob doch noch Plätze da sind. So fehlen aus Sicht des Jugendamts 747 Plätze, die eigentlich fest eingeplant waren, aber aus unterschiedlichen Gründen wie Personalmangel bei den Betreibern oder Umbauten in den Häusern nicht zur Verfügung stehen.

Kitas schon jetzt über dem Limit

Doch so einfach ist das offensichtlich nicht, wie das Beispiel der Arbeiterwohlfahrt (Awo) zeigt, einer der größten Kita-Betreiber der Stadt. An zwei Kitas des Träger seien tatsächlich 68 Plätze wegen laufender Sanierungsarbeiten nicht belegbar, erklärte Awo-Chefin Angela Basekow den PNN. Allerdings gebe es an anderen Einrichtungen insgesamt auch eine per Sondergenehmigung erlaubte Überkapazität von 131 Plätzen – es werden also mehr Kinder betreut als vorgesehen. Wie viele Plätze in Kitas schon über dem vorgesehenen Limit liegen, vermochte Müller-Preinesberger in der Sitzung auf Anfrage von SPD-Fraktionschef Mike Schubert nicht zu sagen. Basekow wiederum legte Wert auf die Feststellung, die Awo würde selbstverständlich immer Kinder aufnehmen, wenn Plätze frei sind.

Die Lage verkompliziert, dass in Potsdam aktuell knapp 600 Kinder mehr leben als prognostiziert, ein 500-Plätze-Puffer dadurch aufgebraucht ist.

Erneut forderten die Linken angesichts des Engpasses, auch das verfallene Terrassenrestaurant „Minsk“ als Kita-Standort zu prüfen – entsprechende Pläne des Landessportbunds hatte das Sozialdezernat erst im vergangenen Sommer abgelehnt, weil kein Bedarf für eine derartig große Einrichtung bestehe. Jakobs sagte, bereits angesichts der vermutlich langwierigen Sanierungszeit hätte das „Minsk“ in der jetzigen Situation nicht geholfen. Zudem hätten die notwendigen Investitionskosten nicht im Verhältnis zum Ertrag gestanden. Auch in der Vergangenheit seien Kita-Sanierungen genau an dieser Wirtschaftlichkeitsprüfung gescheitert, hieß es aus dem Rathaus gegenüber den PNN.

Streit um die Finanzierung neuer Bauten

Bekanntlich schwelt vor allem zwischen größeren Kita-Trägern und dem Jugendamt ein Streit über die Finanzierung beim Bau neuer Einrichtungen. Die Verwaltung will die Abschreibungsfristen von neuen Kitas auf ein aus ihrer Sicht übliches Maß für vergleichbare Gebäude verlängern, die Träger wehren sich dagegen. Wirtschaftsprüfer beider Seiten sollen einen Kompromiss ausloten.

Prinzipiell stellte der Linke-Abgeordnete Ralf Jäkel die Entscheidung infrage, dass Potsdam keine städtischen Kitas mehr betreibt, sich also nur auf private Träger verlässt. Dazu wurde im Stadtparlament nichts gesagt. Auf eine ähnliche PNN-Frage hatte Dezernentin Müller-Preinesberger diese Entscheidung verteidigt und unter anderem auf die angekündigten Warnstreiks im öffentlichen Dienst verwiesen, die in anderen Städten vor allem auch Kitas betreffen. So eine Lage müsse man in Potsdam nicht befürchten, erklärte die Beigeordnete. Jakobs wiederum sagte, man müsse auch stolz auf die tausenden Kita-Plätze seien, die in den vergangenen Jahren geschaffen worden seien: Potsdam habe dabei bundesweit einen Spitzenplatz inne.

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