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Der Vater des Mädchens wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.

© Hajo von Cölln

Update

Kindesmisshandlung in Potsdam: 2,5 Jahre Haft für Stiefmutter von Katharina

Mit lebensbedrohlichen Verletzungen kam die damals zwei Jahre alte Katharina 2017 ins Krankenhaus. Am Montag wurden ihre Stiefmutter und ihr leiblicher Vater verurteilt.

Potsdam - Im Prozess um die Kindesmisshandlung der damals zweieinhalb Jahre alten Katharina hat das Amtsgericht ein Urteil gegen die 24 Jahre alte Stiefmutter des Mädchens verhängt: Sie muss für zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Die Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Dieses Urteil verhängte Amtsrichterin Bettina Thierfeldt am Montag. 

Damit folgte das Gericht im Wesentlichen der Forderung der Staatsanwaltschaft. Der leibliche, 32 Jahre alte Vater des Mädchens, wurde wegen Verletzung seiner Fürsorge- und Aufsichtspflicht zu einer Geldstrafe verurteilt - von 80 Tagessätzen á 15 Euro, was insgesamt 1200 Euro entspricht.

Stiefmutter ging „brutal und gemein“ vor

Vorausgegangen waren die Plädoyers. Dabei bezeichnete Staatsanwalt Peter Petersen die Angeklagte als „Klischeebild einer Stiefmutter aus den Märchenbüchern der Gebrüder Grimm“, sie sei „brutal und gemein“ vorgegangen und „sittlich verwahrlost“. Das Kind sei geschüttelt worden, so Peters Auffassung. Andere Verletzungen des Kindes – etwa einen Bruch der Hand – könne man aber nicht mehr genau zuordnen, räumte Petersen ein. Gleichwohl gehe er davon aus, dass das Kind auch Gewalt gegen sich habe abwehren wollen – bei dem Bruch handele es sich um eine sogenannte Parierverletzung. Anhand solcher Details zog er den Schluss, das gesamte Geschehen als „zutiefst erschütternd“ zu bewerten. Nach dem Plädoyer brach die Angeklagte bereits in Tränen aus, ansonsten äußerte sie sich nicht weiter. 

Die Seite der Verteidigung hatte Freispruch für die beiden Angeklagten beantragt. Die Anklage beruhe lediglich auf Vermutungen, hieß es mehrfach. Die Beweisaufnahme habe das Schütteln eben nicht eindeutig belegen können, sagte etwa der Anwalt Valentin Babuska, der die Mutter vertrat. Zugleich ließ er keinen Zweifel daran, dass er für seine Mandantin bei einer Haftstrafe den Rechtsweg ausschöpfen werde – also die nächste juristische Instanz die Vorwürfe noch einmal bewerten wird. 

Mit lebensbedrohlichen Kopfverletzungen ins Krankenhaus

Richterin Thierfeldt gab sich bei ihrer Urteilsbegründung allerdings überzeugt davon, dass die Entscheidung richtig sei. So hatten in dem Ende Oktober 2019 begonnenen Prozess mehrere Ärzte und Sozialarbeiter übereinstimmend den verwahrlosten Zustand geschildert, in dem sich das Kind befand, als es am 3. Mai 2017 mit lebensbedrohlichen Kopfverletzungen ins Klinikum eingeliefert wurde. 

Dabei hätten typische Verletzungsmuster, unter anderem unterschiedlich alte Hämatome, eine Leberprellung oder Blutergüsse am Ohr, eine Gewaltanwendung gegen das Kleinkind gezeigt. Das hatten behandelnde Ärzte vor Gericht gesagt, die dann auch Strafanzeige stellten. Dass das Kind, wie es die Angeklagten behauptet hatten, beim Toben vom Sofa auf einen Heizkörper gefallen sei, hielten sie für unwahrscheinlich. Heute befindet sich das Mädchen in der Obhut des Jugendamts, es werde möglicherweise unter lebenslangen Einschränkungen leiden, sagte die Richterin. Und: „Sie können von Glück sprechen, dass das Kind nicht tot ist.“ 

Zweites Kind sei in erheblich besserem Zustand gewesen

Die leiblichen Eltern des Mädchens hatten sich Ende 2017 getrennt, der Vater zog zu seiner neuen Frau an den Schlaatz, die Mutter blieb zurück in Berlin. Sie war so überfordert, dass sie ihr Kind schließlich zu ihrem Ex-Partner und dessen neuer Frau gab, die schon ein eigenes Kind in ähnlichem Alter sowie zwei Hunde hatte und wie der Angeklagte von Hartz IV lebte. Die Richterin sagte, insgesamt sei es zu einer „Überforderungssituation“ für die Angeklagte gekommen. Das sei in Anbetracht der Umstände auch nachvollziehbar: „Sie hätte sich aber Hilfe suchen müssen.“ Ferner sei das Kind über längere Zeit vernachlässigt worden, so die Überzeugung der Richterin. So hatte sich das andere Kind der inzwischen erneut schwangeren Angeklagten in einem erheblich besseren Zustand befunden. 

Dabei hatte der angeklagte Vater noch im Gericht erklärt, er liebe seine Tochter, auf seiner Hand ist ihr Name tätowiert. Doch dabei handele es sich um ein bloßes Lippenbekenntnis, urteilte die Richterin. Denn ihm hätte der verwahrloste Zustand seiner Tochter auffallen müssen. Staatsanwalt Petersen drückte es so aus: „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“ Er zweifele ohnehin an der Glaubwürdigkeit der Angeklagten – welche die Verletzungen auch in Verbindung mit den Hunden brachten, die in der kleinen Wohnung leben. 

Gewaltanwendung eindeutig

Mit solchen Erklärungen würden Absurditäten als Wahrheit verkauft, sagte Staatsanwalt Petersen. In seinem Plädoyer nahm der erfahrene Ankläger auch die aktuelle Debatte zur Anzeigepflicht für Jugendämtern bei Anzeichen für Kindesvernachlässigung auf, wie sie nach der Inobhutnahme eines Mädchens in Eberswalde diskutiert wird. Darüber könne man natürlich streiten, sagte Petersen. Doch in dem Fall sei die Gewaltanwendung so eindeutig gewesen, „das gibt es nicht oft.“ 

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