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Kein Kinderspiel. In Potsdam gibt es zwar immer mehr Kitaplätze. Aber der Betreuungsschlüssel ist so schlecht wie nur in wenigen anderen Kommunen.

© A. Klaer

Kinderbetreuung in Potsdam: Zu wenig Erzieher für Potsdams Kinder

Zwar hat sich der Betreuungsschlüssel an Potsdams Kitas in den vergangenen Jahren verbessert, dennoch gehört die Stadt bundesweit zu den Schlusslichtern. Außerdem fehlt Zeit für Leitungsaufgaben.

Potsdam - Der Betreuungsschlüssel in Potsdams Kitas bleibt nach wie vor weit schlechter als der Bundesschnitt. Bei den unter Dreijährigen landet die Stadt unter den Schlusslichtern. Nur sieben Kreise oder kreisfreie Städte sind schlechter. Immerhin: Die Quote hat sich in diesem Bereich den letzten Jahren deutlich verbessert. Das ergab die Studie „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann-Stiftung, die am gestrigen Montag veröffentlicht wurde.

Am 1. März 2016, Stichtag der Studie, kümmerte sich demnach in Potsdams Krippen jeder Betreuer um 6,5 Kinder unter drei Jahren. Im Land Brandenburg waren es durchschnittlich 6,1. Spitzenwerte erreichen vor allem Kommunen in Baden-Württemberg – im Landkreis Calw liegt der Betreuungsschlüssel bei 2,5.

In den Kindergärten zwischen drei und sechs Jahren waren es in Potsdam 11,1 Kinder pro Betreuer, im Brandenburger Schnitt 11,3. In Potsdam-Mittelmark liegt der Personalschlüssel bei den Jüngeren mit 6,2 etwas besser als in Potsdam, bei den Älteren mit 11,2 geringfügig schlechter. Nach Angaben der Stadt gibt es in Potsdam derzeit insgesamt 121 Einrichtungen zur Kinderbetreuung mit insgesamt über 17 000 Kindern und 2200 Erziehern.

Potsdam hinkt beim betreuungsschlüssel hinterher

Der Bundesschnitt bei der Betreuungsquote liegt mit 4,3 bei den jüngeren und 9,2 für die älteren Kinder weit niedriger als in Potsdam. Die Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung für eine „pädagogisch sinnvolle“ Betreuung liegt bei drei Kindern pro Betreuer in der Krippe und bei 7,5 im Kindergarten noch einmal deutlich darunter – eine Empfehlung, die in ganz Brandenburg nur zwei Prozent der Kitas umsetzen.

Die Personalquote an den Potsdamer Kitas sorgt schon seit Jahren für Diskussionen. Immer wieder machen Studien darauf aufmerksam; kritisieren Eltern, Träger oder Politiker, dass sich jeder Erzieher um zu viele Kinder kümmern muss und dass darunter die Qualität der Betreuung leidet. Doch einiges hat sich auch schon bewegt: Noch vor zwei Jahren kamen bei den Krippenkindern in Potsdam rechnerisch 7,2 Kinder auf jeden Betreuer.

Einer der Gründe für den auch im Landesvergleich gerade bei unter Dreijährigen schlechten Personalschlüssel ist die noch immer ungeklärte Frage der Finanzierung bei langen Betreuungszeiten. Die Stadt wächst, die Frauenerwerbsquote ist hoch, die Betreuungsquote der Kinder ist es auch. 57,1 Prozent der Kinder unter drei werden in einer Kita betreut, in Mittelmark sind es sogar 57,6 Prozent. Mit 57 Prozent liegt Brandenburg bundesweit an der Spitze. Bei Drei- bis Sechsjährigen sind es in Mittelmark 92,9 Prozent, in Potsdam sogar 98,9 Prozent. Viele von ihnen werden ganztags betreut. Doch das Land zahlt nur eine Pauschale für die Standardbetreuungszeit von 7,5 Stunden. Ob das Land oder die Stadt für die zusätzlichen Erzieher zahlen soll, wird derzeit durch ein Rechtsgutachten geklärt, das jedoch entgegen der Ankündigungen laut Stadtverwaltung noch immer nicht vorliegt.

Berechnete Quote und Kita-Realität sind zweierlei

Auf Landesebene, die für den gesetzlichen Rahmen in diesem Bereich zuständig ist, wurde erst kürzlich die Quote für Kinder ab drei Jahren verbessert. Am 1. August ist eine neue, gesenkte Quote für die Kindergartenkinder in Kraft getreten. Der Schlüssel wird in zwei Schritten gesenkt: Anfang August in einer ersten Stufe von 12 auf 11,5 Kinder pro Betreuer; es folgt im kommenden Jahr eine zweite Senkung auf 11. Wie Stadtsprecher Stefan Schulz erläutert, führte die aktuelle Verbesserung zur Einstellung von 20 zusätzlichen Erziehern in Potsdam. Dadurch entstünden jährlich zusätzliche Personalkosten in Höhe von einer Million Euro, die „vollständig vom Land erstattet“ werden. Die Anpassung sei durch die Träger langfristig geplant worden. Nach wie vor bleibe jedoch in Potsdam der Arbeitsmarkt bei pädagogischem Fachpersonal angespannt – Kitas finden nur schwer Erzieher für offene Stellen.

Außerdem – das gibt auch der Bericht der Bertelsmann-Stiftung zu bedenken – entspricht die berechnete Quote nicht der Realität in den Kitas. Denn durch Krankheit, Urlaub, Teamsitzungen oder Elterngespräche fällt Zeit weg, die die Betreuer nicht mit den Kindern verbringen. Das bestätigen auch Kita-Träger. „Die Berechnung im Kitagesetz ist ziemlich unehrlich“, sagte Angela Schweers, Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Potsdam, die 24 Kitas mit mehr als 3000 Kindern in der Stadt betreibt. „In Wirklichkeit ist die Erzieher-Kind-Relation im Kindergarten oft statt 11,5 bei 15, 16 oder 17“, berichtet Schweers. Das führe zu Unzufriedenheit auf allen Seiten. Die gesenkte Quote begrüße sie, aber „das reicht nie und nimmer“. Sie wünsche sich auf Landesebene perspektivisch eine Erzieher-Kind-Relation von eins zu vier für die Krippe und eins zu neun für den Kindergarten.

Zu wenig Zeit für Leitungsaufgaben in Kitas

Ein weiteres Problem, dem sich die Studie der Bertelsmann-Stiftung widmet, ist die Leitungszeit in den Kitas. Die Stiftung empfiehlt, abhängig von der Größe der Kita, eine gewisse Menge von Stunden, die der Kitaleitung ausschließlich für die Leitungsaufgaben zur Verfügung stehen sollen. Die aktuelle Studie ergibt, dass in Potsdam-Mittelmark in 8,1 Prozent der Kitas gar keine Zeit für die Leitungsaufgaben berechnet werden; in der Stadt Potsdam sind es sogar 13,7 Prozent. Deutlich mehr als der Landesschnitt von 9,1 Prozent.

Auch in diesem Bereich bessert Brandenburg demnächst geringfügig nach. Ab Anfang Oktober sollen in jeder Kita 2,5 Stunden mehr für Leitungsaufgaben eingeplant werden. Für Potsdam bedeutet das laut Rathaus rechnerisch sieben Leitungsstellen zusätzlich. „Wir haben lange für die Leitungsfreistellung gekämpft“, sagt Angela Schweers, „doch wir wissen, dass das nicht reicht“. Denn wenn ein Erzieher ausfalle, müsse die Leitung nach wie vor einspringen. Dadurch bliebe vieles liegen. „Man darf nicht vergessen, dass die Kitaleitung ein wichtiger Ansprechpartner für die Sorgen der Eltern ist.“

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