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Die Finanzierung der 114 Potsdamer Kitas sorgt für heftigen Streit zwischen den Kita-Sozialträgern und der Stadtverwaltung.

© dpa

Kinderbetreuung in Potsdam: Was Qualität kostet

Eine Bertelsmann-Studie hat für Potsdam ausgewertet, wie sich die Betreuung in den Kitas der Stadt verbessern lässt. Ein Überblick.

Potsdam - Der aktuelle Engpass bei Krippenplätzen ist nicht das einzige Problem bei der Kinderbetreuung in Potsdam. Es geht um miese Personalschlüssel in den Einrichtungen und extrem unterschiedliche Aufwendungen für Fortbildungen oder den pädagogischen Bereich. Dabei steht Potsdam teilweise schlechter da als die Stadt Brandenburg/Havel oder der Landkreis Märkisch-Oderland, wie die Ergebnisse der renommierten Bertelsmann-Studie „Kita-Zoom“ zeigen, die am Donnerstag in der Staatskanzlei in der Heinrich-Mann-Allee vorgestellt und diskutiert wurden. Die PNN geben einen Überblick, mit wie viel Geld sich die Lage verbessern könnte.

Schlechter Betreuungsschlüssel

Laut der Bertelsmann-Studie müsste das Land Brandenburg für angemessene Betreuungsschlüssel die Finanzierung der Kindertagesstätten um rund 33,5 Millionen Euro pro Jahr aufstocken. Für die 120 Potsdamer Kitas würden jährlich schon 3,45 Millionen Euro reichen, um zusätzlich 174 Vollzeit-Erzieher für den tatsächlichen Betreuungsbedarf zu finanzieren, wie aus der Präsentation hervorgeht. Hier bestehe eine Schieflage im Vergleich zu anderen Kommunen, beklagte Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos) – und machte deutlich, dass die Stadt dafür keine finanziellen Ressourcen zur Verfügung habe.

Tatsächlich wird der Landesfinanzierung des pädagogischen Personals pauschal nur zwischen den Mindestbetreuungszeiten bis zu sechs Stunden oder mehr als sechs Stunden täglich unterschieden. Allerdings erfasst dieses System nicht, dass in den 26 Kitas der Stadt, die 2011 für das Gutachten repräsentativ analysiert wurden, zum Beispiel 45 Prozent der Krippen- und Kleinkinder unter drei Jahren 50 Wochenstunden betreut wurden – also zehn Stunden pro Tag. Das liege auch an dem hohen Anteil erwerbstätiger Frauen in der Stadt, sagte Müller-Preinesberger. Zum Vergleich: Im strukturschwächeren Brandenburg/Havel lag der Anteil der langzeitbetreuten Kleinkinder bei 24,4 Prozent. Damit muss das Potsdamer Personal über den Tag hinweg mehr Kinder betreuen. Demnach lag der Schnitt bei einem Erzieher auf 7,2 Kinder. In Brandenburg/Havel lag er damals bei 1 zu 6 Kindern. Bertelsmann fordert einen Schnitt von 1 zu 3.

Angesichts der Daten sagte Bildungsminister Günter Baaske (SPD), man könne mit relativ wenig Geld für mehr Betreuungsgerechtigkeit auch zwischen den Kommunen sorgen. Das müsse in der Landespolitik diskutiert werden.

Unterschiedliche Standards

Die von Bertelsmann erhobenen Daten zeigen auch erhebliche Unterschiede unter verschiedenen Einrichtungen. Beispiel: die Ausgaben im pädagogischen Bereich. Die untersuchten Potsdamer Kitas gaben dabei im Schnitt 61 Euro pro Jahr aus, die Spanne lag zwischen 17 und 142 Euro. Die Stiftung fordert pauschal 100 Euro pro Kind und Jahr sowie 20 Euro extra für Kulturangebote. Eine Finanzierung dieser Summe würde in Potsdam demnach 1,05 Millionen Euro kosten.

Noch extremer waren die unterschiedlichen Ausgaben bei der Weiterbildung. Kosten zwischen wiederum 17 und 1177 Euro pro Erzieher und Jahr wurden der Bertelsmann-Stiftung gemeldet. Von den Fachleuten gefordert sind 1000 Euro pro Kita und Jahr und extra noch 250 Euro pro Erzieher. Insgesamt geht die Studie dabei für Potsdam von 1,3 Millionen Euro Gesamtkosten aus.

Angesichts solcher Unterschiede sagte Minister Baaske, es seien mehr einheitliche Standards nötig. Müller-Preinesberger schlug dafür eine Änderung des „überalterten Kita-Gesetzes“ vor: „Manche Dinge sind darin nicht mehr abgebildet.“ Allerdings müsse auch die kommunale Selbstverwaltung im Blick gehalten werden. Die Linken-Landtagsabgeordnete Gerrit Große meinte, um solche Standards und deren Finanzierung müsse nun mit den Kommunen gestritten werden. Insofern zeigten sich etliche Teilnehmer der Präsentation enttäuscht, dass kein offizieller Vertreter des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg erschienen war – dessen Präsident Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ist.

Auch Leitung kostet Geld

Für mehr Qualität fordert die Studie auch mehr Zeit für die Kita-Leiter. Pauschal müsse mindestens eine halbe Stelle pro Kita geschaffen werden, die je nach Mitarbeiterzahl noch aufgestockt wird. In den meisten Potsdamer Kitas könne das nicht gewährleistet werden, hieß es. Um das Ziel zu erreichen, seien zusätzlich rund 5,1 Millionen Euro Personalkosten pro Jahr notwendig. Angesichts dieser Zahl erinnerte Müller-Preinesberger an frühere Diskussionen in der Stadtpolitik, für Leitungsfunktionen zusätzliches Geld bereitzustellen: „Doch das können wir als Kommune nicht finanzieren“.

Wie geht es weiter?

Die 2011 gestartete „Kita-Zoom“-Studie habe das Land und die teilnehmenden Kommunen vorangebracht, hieß es bei der Präsentation einhellig. Doch jetzt beendet Bertelsmann planmäßig die Arbeit im Land. Minister Baaske sagte, er sei skeptisch, ob der Dialog zwischen Land, Gemeinden und Kita-Betreibern ohne die unabhängige Hilfe der Stiftung weiter gelingen könne. Projektleiterin Kathrin Bock-Famulla appellierte dagegen, den Dialog noch um zum Beispiel Elternvertreter zu erweitern. Es gelte das zentrale Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: gleiche Teilhabe- und Bildungschancen für Kinder, egal in welcher Kommune sie betreut werden. Die Abgeordnete Große sagte, schon jetzt sei Eltern der bestehende Flickenteppich verschieden hoher Standards und Kita-Beiträge im Land kaum zu erklären. So gehört Potsdam bekanntlich zu den Kommunen mit den höchsten Gebühren in der Mark.

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