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Tom Zickler bei der Premiere zu "Traumfabrik" im Juni.

© Manfred Thomas

"Keinohrhasen"-Produzent gestorben: Ein Kind der Babelsberger Traumfabrik

Tom Zickler hat bei der Defa gelernt, war mit Kinohits wie „Keinohrhasen“ erfolgreich und setzte Babelsberg ein Denkmal: Jetzt ist der Filmproduzent im Alter von 55 Jahren gestorben

Ein Leben – wie im Film: Tom Zickler, aufgewachsen in einem Plattenbauviertel in Jena, ließ nach der ersten Absage von der Filmhochschule Babelsberg nicht locker, heuerte mit einer Notlüge bei den Defa-Studios an, wo er zunächst im Märchenfilm arbeitete, durfte dann doch studieren und wurde nach dem Mauerfall zu einem der erfolgreichsten deutschen Filmproduzenten. Im Gespann mit Til Schweiger produzierte er seit den 1990er Jahren einen Kassenschlager nach dem anderen: „Knockin’ on Heaven’s Door“, „Barfuss“, „Keinohrhasen“, „Honig im Kopf“. Seine Wurzeln vergaß er dabei nie. Im Juni hat Zickler in Berlin die Premiere seines jüngsten Filmes gefeiert: „Traumfabrik“ ist eine Liebeserklärung an das Filmemachen und die Defa-Studios der DDR-Zeit. Einen Lebenstraum habe er sich damit erfüllt, hat Zickler gesagt. Nun ist der Film auch zu seinem Vermächtnis geworden.

"Einer der größten Filmproduzenten und leidenschaftlichsten Geschichtenerzähler"

Wie Studio Babelsberg am Dienstag mitteilte, ist Zickler im Alter von nur 55 Jahren „nach sehr kurzer, schwerer Krankheit“ am 2. September gestorben. „Wir sind fassungslos, bestürzt und tief traurig“, sagte Studio-Chef Christoph Fisser: „Die deutsche Filmlandschaft verliert einen der größten Filmproduzenten und leidenschaftlichsten Geschichtenerzähler, der wie kein anderer wusste, wie man Zuschauer begeistert. Kino war sein Leben.“

Vor zwei Jahren hat Zickler wieder enge Bande mit Studio Babelsberg geknüpft: Gemeinsam mit dem Studio gründete er die Produktionsfirma „Traumfabrik“. Das Ziel: auch wieder große deutsche Filmproduktionen in die mittlerweile bei Hollywood so gefragten Babelsberger Studios zu bringen. Zickler war das eine Herzensangelegenheit. Es schwang Dankbarkeit, Respekt und Begeisterung für die Babelsberger Filmtradition mit, wenn er über seine Anfangsjahre dort geredet hat. Der Film „Traumfabrik“, eine Liebesgeschichte in den Defa-Studios der 1960er Jahre, ist die erste Eigenproduktion der Studios seit mehr als 20 Jahren.

In seiner Anfangszeit in Potsdam übernachtete er im Bahnhof

Darüber, dass er nun wieder ein Büro in den altehrwürdigen Backsteingebäuden auf dem Studiogelände hatte, konnte Zickler sich wie ein Kind freuen – und hatte dazu im Gespräch mit den PNN eine filmreife Geschichte parat: Die Story von der Notlüge, die ihn zur Defa brachte. Eigentlich hatte er den Kamera-Studienplatz in Babelsberg schon sicher, bis sich bei der Armee herausstellte, dass er farbenblind war. So sprach er 1986 bei der Defa für eine Stelle als Aufnahmeleiter vor: „Sie können hier anfangen – wenn Sie eine Wohnung in Potsdam haben“, wurde ihm gesagt. Zickler erfand geistesgegenwärtig eine Tante Inge in der Steinstraße – „der einzige Straßenname, den ich mir bei der Busfahrt gemerkt hatte“ – und bekam den Job. „Die ersten vier Wochen habe ich auf dem Bahnhof in Potsdam-West gewohnt.“ Spät abends habe er sich eine Fahrkarte für den ersten Morgenzug nach Werder (Havel) gekauft, damit die Polizei ihn bei der nächtlichen Kontrolle in Ruhe ließ. Nach ein paar Wochen kannte er genug Leute im Studio, um sich eine Schlafstätte im Requisitenfundus oder im Maler-Atelier zu organisieren. „Und eines davon ist jetzt mein Büro!“

Für seinen ersten Film saß er zwischenzeitlich im Stasi-Knast ein

1988 durfte Zickler dann doch an der Filmhochschule studieren – Filmproduktion. Sein erster Film entstand 1989: Für „10 Tage im Oktober“ waren er und seine Kommilitonen bei den Demonstrationen des Wendeherbstes in Berlin und Potsdam unterwegs. Während der Dreharbeiten landete Zickler zwischenzeitlich auch im „Lindenhotel“, dem Stasi-Untersuchungsgefängnis in der Lindenstraße, wie er in einem Interview erzählte. Die Geschichte seines ersten USA-Trips ohne Geld im Jahr 1990 brachte er später auf die Leinwand – „Friendship!“ wurde mit 1,6 Millionen Zuschauern der erfolgreichste deutsche Kinofilm 2010.

Noch während des Studiums lernte Zickler auch den Schauspieler Til Schweiger kennen: Ihr erster gemeinsamer Film „Knockin’ on Heavens’s Door“ war der Beginn einer 20-jährigen Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht im deutschen Kino. Die Defa war da bereits abgewickelt, tausende Mitarbeiter arbeitslos.

Für "Traumfabrik" beriet er sich mit alten Defa-Kollegen

Zickler hat sie nicht vergessen. Mit „Traumfabrik“ hat er ihnen, hat er Babelsberg ein Denkmal gesetzt. Für den Film traf er alte Defa-Kollegen, beriet sich mit ihnen. Bei den Dreharbeiten lebte die Defa-Zeit auf – opulente Kulissen, prächtige Kostüme, hunderte Komparsen, sogar Elefanten gab es am Set. Autobiografische Züge trägt auch die Liebesgeschichte darin: Zickler hat sich von seiner ersten großen Liebe trennen müssen, weil sie die DDR verlassen musste, wie er den PNN gesagt hat.

Der Tod von Zickler sei ein großer Verlust für den Filmstandort Babelsberg, sagte Kirsten Niehuus, die Filmförder-Chefin vom Medienboard, am Dienstag Radioeins: „Mit seinen Geschichten hat er ganz viele fasziniert und inspiriert“. Zicklers Filme seien immer auch „eine Huldigung an das Leben“ gewesen: „Tom war wie ein lebender Filmmythos.“

Das Filmmuseum Potsdam hatte Zickler ursprünglich am Donnerstag, den 5. September, zum Filmgespräch über „Traumfabrik“ erwartet. Es wird nun eine Gedenkveranstaltung, sagte Museumssprecherin Christine Handke den PNN. Erwartet werden Regisseur Martin Schreier und weitere Teammitglieder. Beginn ist 19 Uhr.

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