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Kein Platz für Solidarität?: Ukraine-Fahne nicht geduldet

Ein Vermieter verbietet einem Potsdamer Pfarrer, eine blau-gelbe Flaggeaus dem Fenster seiner Wohnung in der Hegelallee zu hängen.

Potsdam - Es sollte eine Solidaritätsbekundung sein, wie sie viele Potsdamer:innen in den Wochen seit Kriegsbeginn äußern. Aus dem Fenster seiner Wohnung in der Hegelallee hängte Steffen Tuschling, der Pfarrer der Evangelische Studierendengemeinde Potsdam, eine Ukraine-Flagge. In der Straße sind, wie vielerorts in Potsdam, mehrere solcher blau-gelben Fahnen an Fenstern oder Balkonen zu sehen, auch einige Transparente gegen den Krieg. Allerdings erhielt Tuschling wenig später eine E-Mail von seinem Vermieter. „Ich möchte Sie bitten von Demonstrationen an der Fassade [...] heute und zukünftig abzusehen“, heißt es in der äußerst knapp gehaltenen Nachricht. 

Vermieter verweist auf Mietvertrag

Der Studentenpfarrer hakte nach – doch der Vermieter wollte nicht von seiner Position abweichen. „Ich fordere Sie hiermit zum zweiten Mal auf jegliche Bekundungen zu unterlassen; es ist hier auch völlig unerheblich welche Sympathien Sie demonstrieren wollen und was an anderen Objekten demonstriert wird“, heißt es in der Nachricht. Auf PNN-Anfrage verweist der Hausbesitzer, der Architekt Jens Spinnrock, auf den Mietvertrag für das Haus in der Hegelallee. „Das Anbringen von Plakaten, Flaggen et cetera an der Fassade [...] entspricht nicht den vertraglichen Vereinbarungen mit der Mieterschaft.“ 

Steffen Tuschling nahm die Fahne ab, zeigte sich aber irritiert. Er finde das Vorgehen grenzwertig, sagte er dieser Zeitung. Schließlich habe er in diesen extremen Zeiten lediglich ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine setzen wollen.

Mieterverein: Keine eindeutige Gesetzeslage 

Die geltende Rechtslage zum Aufhängen von Fahnen oder Transparenten ist nicht ganz eindeutig. „Eine klare gesetzliche Regelung zur Flaggenfrage gibt es nicht“, teilte Holger Catenhusen aus dem Vorstand des Mietervereins Potsdam auf Anfrage mit. „Meines Erachtens ist Mietern das Heraushängen einer Ukraine-Flagge in der derzeitigen Situation erlaubt, da hier das Recht auf freie Meinungsäußerung der Mieter dem Eigentumsrecht der Vermieter vorgehen dürfte.“ Wichtig sei, dass dabei weder Fassade noch das Fenster beschädigt werde und die Sicht anderer Mieter im Haus nicht beeinträchtigt werde. Weitergehende Einschränkungen im Mietvertrag seien im Einzelfall zu betrachten. Die Vermieterseite könne sich auf ihr Eigentumsrecht berufen und aus optischen Gründen Vorgaben machen, so Catenhusen. „Ein totales Verbot hingegen empfände ich als zu weitgehend.“ Zwar könne ein Vermieter den Mieter abmahnen, wenn er sich nicht an ein Verbot halte. Theoretisch drohe eine Kündigung. Ob diese Bestand habe, müsse ein Gericht entscheiden. 

Gerichte gaben meist Mietern Recht

Ein Blick auf zurückliegende Verfahren in ähnlichen Fragen zeigt, dass die Gerichte häufig den Mietern recht gaben. So heißt es in einem Text zum Thema unter juraforum.de, es handle sich stets um eine Einzelfallabwägung. „Diese Abwägung geht mit hoher Wahrscheinlichkeit zugunsten des Mieters aus, wenn die Fahne Symbole wie eine Friedenstaube und Formulierungen wie „Stop war“ enthält. 

In den allermeisten Fällen dürfte es jedoch gar nicht zu einem Konflikt kommen. Die kommunale Pro Potsdam, einer der größten Vermieter in der Stadt, toleriert Solidaritätsbekundungen, solange die Verkehrssicherheit nicht gefährdet wird. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage mit:„Wenn sich unsere Mieter:innen solidarisch mit der Ukraine zeigen und dafür Fahnen an ihren Balkonen anbringen, sehen wir dies als Zeichen europäischen Gemeinsinns.“ 

Sandra Calvez

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