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Ohne Dach. Für Potsdams Künstler und Musiker gibt es immer weniger Räume, in denen sie arbeiten und proben können. Am Samstag protestierten sie mit einem Flashmob. Künftig könnte man sie häufiger auf den Straßen sehen.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Kaum Platz für Künstler

Probenräume oder Ateliers sind rar. In der Alten Brauerei ist bald Schluss, andere Häuser stehen infrage

Für Potsdams Künstler wird es eng: In der Stadt steht neben der Alten Brauerei am Brauhausberg auch die Nutzung weiterer Häuser infrage, die bisher von freischaffenden Künstlern als Ateliers, Arbeits- oder Bandprobenräume genutzt werden. Betroffen sind beispielsweise das Kunsthaus Sans Titre in der Innenstadt oder die Scholle 51 in Potsdam-West. Aktuell sorgt vor allem die bevorstehende Räumung der Alten Brauerei für Aufsehen. Mehr als 100 Kreative und über 25 Bands nutzen die Räume in dem alten Gemäuer, Ende April sollen sie das Gebäude räumen. Dann will die Nürnberger Immobiliengesellschaft Terraplan die Alte Brauerei sanieren. Im Januar hatten die Künstler deshalb die Kündigungen bekommen.

Mittlerweile haben sich die Betroffenen in einer Initiative organisiert. Am Samstag machten sie mit einer Art Flashmob in der Brandenburger Straße auf ihre Not aufmerksam. Mehr als 100 Künstler waren gekommen, viele hatten Instrumente mitgebracht. Zur Melodie von Bob Marleys Klassiker „Exodus“ sangen sie die Zeile „Schick essen gehen und teuer wohn', das ist uns zu monoton“. Nach etwa zwei Minuten war es plötzlich still. So still, wie es in Potsdam wäre, wenn es keine Musiker gebe. „Wir möchten damit zeigen, was der Stadt verloren gehen kann“, sagte André Tomczak, der Sprecher der vom Rauswurf bedrohten Kulturschaffenden.

Die Aktion soll kein Einzelfall bleiben: Ab der kommenden Woche wollen die Künstler zwei- bis dreimal in der Woche an verschiedenen Stellen öffentlich proben, um auf den Raummangel aufmerksam zu machen. Die Situation für Musiker, bildende Künstler und andere Kreative sei ohnehin schwierig, so Tomczak. Mit der Räumung der Brauerei verschärfe sie sich weiter.

Alternativen an anderen Stellen gibt es für die Künstler bisher nicht: So ist das Kunst- und Kulturzentrum Scholle 51 in Potsdam-West bereits komplett ausgelastet, wie Daniel Zeller vom Stadtteilnetzwerk Potsdam-West den PNN sagte. Mehr als 25 einzelne Projekte nutzen Räume in dem 600 Quadratmeter großen Haus. Dessen Zukunft ist ungewiss. Momentan werden die Künstler in dem Gebäude nach dem Verkauf vor mehr als einem Jahr noch geduldet. Für den Umzug in die momentan verwaiste einstige Großgaststätte Charlottenhof in der Geschwister-Scholl-Straße 34 gebe es noch keinen Termin. Genaueres wollte Zeller mit Rücksicht auf laufende Gespräche mit dem Eigentümer – der Schlösserstiftung – nicht sagen.

Ungewissheit herrscht auch im Kunsthaus Sans Titre in der Französischen Straße. Seit diesem Jahr wird der Nutzungsvertrag mit der Potsdamer Wohnungsgenossenschaft 1956 nur noch jährlich verlängert. „2016 rechnen wir mit dem Ende“, so Mikos Meininger vom Vorstand des Vereins. Etwa 250 000 Euro aus Spenden und privaten Mitteln habe man seit 2009 in das Gebäude investiert – ein Kraftakt, so Meininger. Maler, Bildhauer, Musiker und andere Kreative nutzen das 800 Quadratmeter große Gebäude. 25 Ausstellungen fanden bisher statt, zwei davon von der Stadt gefördert. Die befristeten Verträge erschweren nun die Planung, so Meininger. Mit der Genossenschaft, die auf dem Areal Wohnungen bauen möchte, sei man im Gespräch.

Der Platz wird also knapp. Und dort, wo Platz wäre, fehlt das Geld. So könnten im Keller des am Montag wiedereröffneten alternativen Kulturzentrums Archiv in der Leipziger Straße sieben bis acht Räume eingerichtet werden, in denen jeweils bis zu vier Bands proben könnten. „Das Potenzial ist da“, sagte Archiv-Sprecher Kay-Uwe Kärsten. Nicht vorhanden sind jedoch die dafür nötigen 100 000 Euro. Die Stadt hat zwar für die Sanierung des Gebäudes insgesamt 625 000 Euro bereitgestellt. Das Geld für die Probenräume sei darin jedoch nicht enthalten, so Kärsten. „Wir sind solidarisch mit den Nutzern der Alten Brauerei, aber im Moment können wir nichts tun“, sagte er.

Auch die eigentlich im Jugendkulturzentrum Freiland geplanten Probenräume sind fraglich: Der Kulturausschuss hatte zwar jüngst beschlossen, prüfen zu lassen, ob sechs Bandprobenräume dort eingerichtet werden können. Doch die nötigen 50 000 Euro werden wohl nicht bewilligt. Derzeit fließen alle Mittel in die Schulentwicklung, wie das Kulturamt klargestellt hatte.

Die Fraktion Die Andere will unterdessen mit einer Kleinen Anfrage an die Stadtverwaltung herausfinden, welche städtischen Gebäude mögliche Alternativen für die Künstler sein könnten. Genannt wurde dabei auch die ehemalige Volkshochschule in der Dortustraße. Das dürfte allerdings zu teuer sein: Bevor die Volkshochschule anderweitig genutzt werden könne, müssten die baulichen Defizite beseitigt werden, so Stadtsprecher Markus Klier. Der Gesamtaufwand liege definitiv im einstelligen Millionenbereich. Dem CDU-Vorschlag, die Künstler vorübergehend im ehemaligen Landtag unterzubringen, hatte die rot-rote Landesregierung in der vergangenen Woche sogleich eine Absage erteilt.

Die Stadt Potsdam solle sich überlegen, was sie dem steten Wegfall von Bandprobenräumen im Zuge von Sanierungen entgegenzusetzen hat, fordert der Vorsitzende des Rockmusikerverbandes Brandenburg e.V., Peter Lehmann, am Dienstag gegenüber den PNN. „Da sollte etwas passieren“, erklärte er. „Rockmusik ist ein wichtiger Teil der Jugendarbeit – und trägt zum Wohlbefinden bei.“. Allerdings macht sich Lehmann wenig Hoffnung auf Hilfe etwa durch die Stadtverordnetenversammlung: „Wir haben keine Lobby.“ Im Land Brandenburg sei die Rockmusik gut aufgestellt, aber „Potsdam ist eine schwierige Nummer“, sagte der Vereinsvorsitzende.

Lehmann zufolge habe sein Verband bei der Ausstattung von vier Probenräumen finanziell helfen können – zwei im Land und zwei in Potsdam: im Club 18 und ein Elektro-Probenraum im Lindenpark. Neue private Angebote wie das von „Myroom4music“ in Babelsberg sind Lehmann zufolge „völlig okay, wenn junge Leute nicht über den Tisch gezogen werden“. Lehmann zufolge brauchten die Rockmusiker keine großen Standorte, „keine Joop-Villa und auch kein Kupferdach“, witzelte der Rockmusiker.

Indes ist das Projekt „Myroom4music“ in der Halle einer ehemaligen Wasseruhrenfabrik in der Babelsberger Gartenstraße 2 derzeit im Entstehen begriffen. Handwerker sind gerade mit dem Innenausbau beschäftigt, erste Yamaha-Schlagzeuge wurden bereits angeliefert. Wie Investor Oliver Deutschmann den PNN im Dezember ankündigte, sollen Musiker nach der Eröffnung im Frühjahr 2014 voll ausgestattete Musikräume auch stundenweise mieten können.

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