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Schon 2009 wurde um Karstadt in Potsdam gekämpft. 

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Exklusiv

Karstadt-Krise: Kriminelle Deals in der "Todeszone"

Vom Tag seiner Eröffnung an wurde Potsdams Kaufhaus von Top-Managern und Bankiers geschröpft. Das zeigt ein Blick in die Akten.

Innenstadt - Die Karstadt-Filiale in der Brandenburger Straße konnte gerettet werden, weil die Eigentümergesellschaft der Immobilie zur Senkung der Miete bereit war. Ein politischer Erfolg für Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), der direkt mit dem Londoner Investmentmanagement-Unternehmen Meyer Bergman verhandelte. Allerdings dürfte das Zugeständnis für den Eigentümer weniger schmerzhaft gewesen sein, als es den Anschein hatte. Das Warenhaus zahlte bereits seit seiner Eröffnung völlig überhöhte Mieten. Kriminelle Geschäftsleute haben sich jahrelang systematisch bereichert – auf Kosten des Konzerns und seiner Mitarbeiter.

Und das Potsdamer Kaufhaus spielte dabei eine zentrale Rolle.  Als die Karstadt-Filiale am 10. März 2005 zum ersten Mal ihre Türen öffnete, war der Ansturm groß. Doch es freuten sich nicht nur Potsdamer. Auch für den Bielefelder Manager Thomas Middelhoff dürfte es ein schöner Tag gewesen sein, obwohl er selbst nicht vor Ort war. Er konnte aber davon ausgehen, mit dem Kaufhaus sehr viel Geld zu verdienen – auf zumindest fragwürdige Weise. Denn Middelhoff war gleichzeitig Miteigentümer des Stadtpalais, also Vermieter, und Chef des Karstadt-Konzerns, der die Miete zahlte. In die Tasche des Chefs. 

Einige Jahre zuvor, im Dezember 2001, hatte eine Firma der Karstadt-Gruppe die Immobilie an die „Grundstücksgesellschaft Potsdam Brandenburger Straße GbR“ verkauft. Das geht aus Unterlagen des Potsdamer Grundbuchamts hervor, die die PNN einsehen konnten. Das Kaufhaus war Jahre zuvor ausgebrannt und stand leer. Dennoch war der Kaufpreis von elf Millionen D-Mark – damals laut Dokument umgerechnet 5.644.210 Euro – bemerkenswert niedrig für ein bebautes Grundstück mit 6209 Quadratmetern Fläche. 

Den Deal hatte der gelernte Maurer und spätere Immobilienmogul Josef Esch eingefädelt. Karstadt war 1999 mit dem Versandhaus Quelle zu einem Konzern fusioniert worden. Die Kaufhaus-Sparte war schon damals angeschlagen, der Konzern wollte in andere Märkte vorstoßen, unter anderem Immobilien. Deshalb schloss der damalige Vorstandsvorsitzende Wolfgang Urban eine Reihe fragwürdiger Deals mit Josef Esch ab. Esch war damals ein sehr gefragter Vermögensverwalter für Superreiche. 

In Zusammenarbeit mit der Privatbank Sal. Oppenheim legte Esch geschlossene Immobilienfonds auf, die fünf Karstadt-Häuser zu günstigen Preisen aufkauften. Die Potsdamer Kaufhaus-Immobilie gehörte dazu. Die anderen standen in Leipzig, München, Karlsruhe und Wiesbaden. Sie alle wurden zu überhöhten Preisen an KarstadtQuelle zurückvermietet. Der Konzern schloss also Deals ab, mit denen er sich selbst schadete. Der Grund dafür kam in späteren Gerichtsverfahren heraus: Esch hatte dem Konzernchef Urban im Gegenzug Beteiligungen an anderen Immobilienprojekten versprochen, die deutlich lukrativer sein sollten. Doch die kamen nie zustande. 

Das Stadtpalais wurde aufwändig saniert. Danach mietete der Kaufhauskonzern die eleganten Verkaufsflächen vom neuen Eigentümer, zahlte dafür allerdings einen überdurchschnittlich hohen Preis. Einer Recherche des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ von 2009 zufolge soll die Potsdamer Filiale 16,4 Prozent ihres Umsatzes für die Miete ausgegeben haben. Das Magazin zitierte damals Branchenexperten mit der Aussage, bereits bei zehn Prozent sei die „Todeszone“ erreicht, ab der ein Kaufhaus ins Minus rutschen müsse. Das geschah auch. 

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Wolfgang Urban zog sich 2004 aus dem Konzern zurück, angeblich aus gesundheitlichen Gründen. Sein Nachfolger wurde Thomas Middelhoff. In diese Position gebracht hatte ihn die einflussreiche Quelle-Erbin und Großaktionärin Madeleine Schickedanz, nachdem Josef Esch beide miteinander bekannt gemacht hatte. Mit Middelhoff an der Spitze hielt sich Esch nicht mehr an seinen Teil des Deals. Nun zahlte der Konzern die völlig überhöhten Mieten, ohne etwas dafür zu bekommen. Middelhoff, der behauptet, er habe alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen lassen, von den Verbindlichkeiten freizukommen, besaß er doch selbst Anteile an den fünf Immobilien und profitierte persönlich vom Minusgeschäft. 

Der Interessenkonflikt war offenkundig, doch Middelhoff versuchte nicht einmal, seine Nähe zu Esch zu verbergen. Im Gegenteil, er charterte sogar regelmäßig Privatjets von Esch, der nebenbei eine exklusive Fluggesellschaft unterhielt. Middelhoff nutzte die Luxusflieger seines Geschäftspartners regelmäßig auch für kurze Strecken, etwa zwischen Düsseldorf und Frankfurt am Main. 2005 beanstandeten Wirtschaftsprüfer und der Aufsichtsratschef Hero Brahms die teure Fliegerei des Chefs. Middelhoff weist darauf hin, dass die Flüge vom Aufsichtsrat genehmigt waren, monatlich vom Aufsichtsrat Brahms kontrolliert und nicht beanstandet wurden. Die Beanstandung kam dann in dem Jahr, in dem die Potsdamer Filiale eröffnet wurde. Doch der Einspruch blieb erfolglos. Middelhoff flog einfach weiter.

Der Kaufhauskonzern wurde umbenannt in Arcandor und geriet 2008 endgültig in die Krise. Der Aktienkurs stürzte ab, Middelhoff trat zurück. Während Mitarbeitergehälter gekürzt und Stellen abgebaut wurden, ließ sich der Manager eine Abfindung von 2,3 Millionen Euro auszahlen. Sein Nachfolger Karl-Gerhard Eick leitete im Juni 2009 die Insolvenz ein. 

Die zweifelhaften Immobiliendeals um die fünf Karstadt-Häuser waren einer der Hauptgründe für die Pleite. Ermöglicht wurden sie durch die Bank Sal. Oppenheim, damals immerhin die größte Privatbank Europas. Deren Geschäfte waren so sehr mit denen von Esch verzahnt, dass der sogar ein eigenes Büro am Stammsitz in Köln bekam, obwohl er keinen offiziellen Posten innehatte. 

Ab März 2010 ermittelte die Staatsanwaltschaft Köln gegen Sal. Oppenheim wegen Untreue und Beihilfe zur Untreue. Im Februar 2012 wurde Anklage erhoben gegen mehrere Gesellschafter der Bank. Es wurde ein Mammutverfahren. Im Juli 2018 verhängte das Landgericht Köln schließlich mehrere Haftstrafen. Der frühere Vorstand Friedrich Carl Janssen musste für zwei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis. Seine ehemaligen Vorstandskollegen Matthias Graf von Krockow, Christopher Freiherr von Oppenheim und Dieter Pfundt erhielten Bewährungsstrafen. 

Ironischerweise kam Josef Esch vergleichsweise glimpflich davon, denn er konnte lediglich wegen Beihilfe angeklagt werden. Das gesonderte Verfahren gegen ihn wurde schließlich im März 2015 gegen Geldauflage in Höhe von sechs Millionen Euro eingestellt. 

Das Landgericht Essen verurteilte unterdessen Thomas Middelhoff in einem anderen Verfahren am 14. November 2014 wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. In diesem Prozess ging es auch um den Millionen-Bonus und private Reisen auf Firmenkosten. Der ehemalige Topmanager wurde noch im Gerichtssaal verhaftet, weil das Gericht von Fluchtgefahr ausging. 

Verurteilte Banker profitierten vom Verkauf 

Während die Prozesse liefen, wurde das von Esch aufgebaute Immobilien-Imperium Stück für Stück abgewickelt. Die Potsdamer GbR bestand noch relativ lange weiter und verkaufte die Kaufhaus-Immobilie in der Brandenburger Straße erst Ende 2016 an Meyer Bergman. Kaufpreis: 53 Millionen Euro. 

Dem Kaufvertrag liegt eine Gesellschafterliste bei. Darauf finden sich neben Josef Esch unter anderem auch die verurteilten Ex-Banker Christopher von Oppenheim und Dieter Pfundt. Sie profitierten demnach von dem Verkauf. Und auf der langen Liste finden sich noch weitere klingende Namen aus dem deutschen Geldadel. Thomas Middelhoff hingegen war bereits einige Monate zuvor aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden. Als der Kaufvertrag unterzeichnet wurde, befand sich Middelhoff gerade im offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne. 

Der neue Eigentümer Meyer Bergman war in die kriminellen Deals nicht verwickelt, übernahm aber den Mietvertrag. Laut Kaufvertrag zahlte Karstadt zuletzt 316.694 Euro monatlich. Meyer Bergman hat die Miete gesenkt, aber die Kaufhauskette ist weiter insolvent.

Richtigstellung

In einer vorherigen Fassung dieses Artikels hieß es, dass die Tatsache, dass Herr Middelhoff gleichzeitig „Chef“ des Karstadt-Konzerns und Miteigentümer einiger Immobilien war, illegal gewesen sei. Weiter hieß es, dass er nichts gegen die überhöhten Mieten unternommen habe. Zudem hatte der Beitrag den Eindruck erweckt, dass es in einem Strafverfahren wegen Untreue und Steuerhinterziehung vor dem Landgericht Essen um diese Immobiliendeals gegangen sei. Hierzu stellen wir fest, dass Herr Middelhoffs Investment in die Immobilien vor Aufnahme seiner Tätigkeit bei Karstadt bekannt und durch Aufsichtsrat und Hauptversammlung genehmigt wurde. Den Vorwurf, dass dies illegal gewesen sein, halten wir nicht aufrecht. Auf seine Veranlassung wurden alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten geprüft, um von den Verbindlichkeiten freizukommen. Die „Immobiliendeals" selber waren nicht Gegenstand des Strafverfahrens vor dem Essener Landgericht.

Die Redaktion

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