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Filialleiter Michael Noss freut sich, dass der Potsdamer Karstadt doch nicht schließt.

© Andreas Klaer

Karstadt-Filiale in Potsdam: Happy End im Einkaufstempel

Das Kaufhaus Karstadt bleibt Potsdam erhalten. Das freut viele. Doch Stadt und Handel müssen noch mehr Probleme lösen.

Potsdam - Am Ende flossen wohl ein paar Tränen – aus Freude und Erleichterung. Nach Tagen des Bangens für Mitarbeiter, Innenstadthändler und das Rathaus um die Zukunft der Potsdamer Karstadt-Filiale in der Brandenburger Straße gab es am Freitagvormittag ein Happy End. Um 10 Uhr verschickte die Konzernzentrale von Galeria Karstadt Kaufhof einen Mitarbeiterbrief. Auch vor Ort wurden die Angestellten informiert. Der Kern der Nachricht: Die Potsdamer Filiale des insolventen Kaufhauskonzerns gehört zu sechs Standorten, die nicht wie ursprünglich beabsichtigt geschlossen werden sollen.

Handel und Stadtspitze atmen auf

Damit ist nicht nur für die Mitarbeiter das Schlimmste abgewendet. Auch Innenstadthändler und Stadtspitze atmen auf. Mit einer möglichen Schließung des großen Kaufhauses im Stadtpalais war der Verlust eines Magneten für die ganze Innenstadt befürchtet worden. Das Haus mit mehr als 12 000 Quadratmetern Fläche und einem breiten Sortiment gilt als Anziehungspunkt für viele Kunden, die dann auch die kleineren Geschäfte ringsum aufsuchen oder den Einkauf mit Café- oder Restaurantbesuch verbinden. Man profitiert von einander, seit die Filiale vor rund 15 Jahren eröffnet wurde. All das war in Gefahr.

Die Reaktionen fielen entsprechend aus: „Uns fällt eine große Last von den Schultern“, sagte Bärbel Schälicke von der AG Innenstadt. „Wir haben nur das eine Kaufhaus.“ Für die Innenstadthändler bleibe mit Karstadt ein wichtiger Kundenmagnet erhalten. Nun hoffe sie, dass sich alle Beteiligten noch einmal an einen Tisch setzen und dabei auch über die „Philosophie des Hauses“ sprechen. Ihrer Ansicht nach müsse sich das Kaufhaus so ausrichten, dass sich auch jüngere Zielgruppen stärker angesprochen fühlen. In der Innenstadt fehle es zudem an Angeboten im mittel- und hochpreisigen Segment, das die meisten mittelständischen Händler nicht anbieten könnten, sagte Schälicke. 

Verdi wertet das als "Riesenerfolg"

Bei der Gewerkschaft Verdi reagierte man am Freitag mit großer Freude über die Nachricht vom Erhalt der Potsdamer Karstadt-Filiale. „Das ist ein Riesenerfolg für die Mitarbeiter“, sagte Erika Ritter, Leiterin des Fachbereichs Handel der Gewerkschaft Verdi für Berlin und Brandenburg. Durch den Erhalt des Kaufhauses würden nicht nur die Arbeitsplätze der 216 Mitarbeiter gesichert. „Da hängen ja immer Familien dran und auch die Untermieter im Stadtpalais sind betroffen“, so Ritter. Das Engagement des Rathauses und des Wirtschaftsministeriums in den Gesprächen mit Betreiber und Vermieter hätten geholfen. Nun kämpfe die Gewerkschaft weiter für andere Standorte der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, die von der Schließung bedroht sind.  „Der Verbleib von Karstadt ist eine sehr erfreuliche Nachricht für den Einzelhandelsstandort Potsdam“, sagte Mario Tobias, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Potsdam. „Langfristig muss das Ziel sein, dass das Wohl und Wehe der Potsdamer Innenstadt nicht von einem einzigen Betrieb abhängt, und sei er noch so groß. Potsdam braucht dazu auch eine wesentlich bessere Erreichbarkeit des Zentrums und ein vorausschauendes Flächenmanagement.“

IHK fordert mehr verkaufsoffene Sonntage

Die IHK arbeite eng mit Stadt und Handelsverband zusammen, um „aus der stärksten Meile Brandenburgs eines der lebendigsten Zentren Deutschlands zu machen“. Um den krisengeschwächten Handel in der Innenstadt kurzfristig anzukurbeln, hat Tobias einen konkreten Vorschlag: verkaufsoffene Sonntage, „gerade bei den Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit“.  „Ich freue mich”, sagte Nils Busch-Petersen, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. In den Gesprächen mit den Wirtschaftsverbänden habe Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) nach einer „strategischen Ausrichtung für die Innenstadt“ gesucht, mit oder ohne Karstadt. Erste Konzepte seien erarbeitet worden, in Zukunft müsse es darum gehen, gemeinsam mit Karstadt, dem Immobilienbesitzer Meyer Bergman und den Anliegern eine Strategie für die Innenstadt zu entwickeln. „Doch heute Abend kann man sich erstmal ein Gläschen Sekt gönnen”, so Busch-Petersen.

Knackpunkt war die Miete

Vorausgegangen waren intensive Gespräche zwischen Insolvenzverwalter, Vermieter, Rathaus, Verbänden und dem Brandenburger Wirtschaftsministerium. Knackpunkt war offenbar die Miete. Nun ist man sich anscheinend einig geworden. Wie genau wollten weder der Essener Kaufhauskonzern noch der Vermieter Meyer Bergman am Freitag erklären. Interesse an einer Einigung dürften beide gehabt haben: Lieber verdient man miteinander Geld als ohne einander keins. Denn die Potsdamer Filiale zählte – jedenfalls bis zur Coronakrise – nicht zu den Sorgenkindern im Konzern. Das hatte auch Filialleiter Michael Noß wie berichtet am Dienstagabend den Stadtverordneten im Ausschuss für Bauen, Stadtentwicklung und Wirtschaft erklärt. „Wir sind eigentlich gesund.“ Gegen den Trend in der Branche habe das Haus im vergangenen Jahr Plus gemacht. Sowohl Umsatz als auch Ertrag waren gewachsen. Das Einzugsgebiet sei groß und reiche bis weit nach Berlin hinein. Außerdem komme die Kundschaft aus verschiedenen Schichten und Segmenten, auch internationale Gäste seien darunter. „Tagesausflügler und gönnen sich mal etwas Höherwertigeres“, so Noß. 
Das wusste man auch im Rathaus und versuchte mit diesem Pfund zu wuchern: „Die Brandenburger Straße ist die stärkste Einkaufsstraße im Land Brandenburg“, sagte Schubert den PNN. Potsdam habe eine gute Bevölkerungsentwicklung und viele Touristen. 

Viele Filialen haben geschlossen

Doch ganz sorgenfrei ist die Lage des Einzelhandels in der Innenstadt auch schon vor der Coronakrise nicht gewesen: Binnen Jahresfrist hatten mehrere Filialen wie Starbucks, C&A, WMF und auch Leonardo ihre Standorte in der Brandenburger Straße geschlossen. Auch dabei, munkelte man, soll oft die Miete eine Rolle gespielt haben. Nach IHK-Angaben werden in der Brandenburger Straße zwischen 30 und 100 Euro pro Quadratmeter verlangt.

Schubert will nun im Dialog mit allen Beteiligten prüfen wie das Profil der Brandenburger Straße als Einkaufsmeile weiter geschärft werden kann. Da passt es gut, dass man ohnehin gerade das Einzelhandelskonzept überarbeitet. Außerdem will die Stadt für 2,5 Millionen Euro das marode Pflaster in der Fußgängerzone erneuern und neue Sitzgelegenheiten aufstellen. Im nächsten Jahr soll es losgehen, abschnittsweise bis 2024. „Und darüber hinaus gibt es ja auch noch die Maßnahmen in der Friedrich-Ebert-Straße zwischen Wilhelmgalerie und Nauener Tor, auch sie werden die Innenstadt durch Verkehrsberuhigung attraktiver machen“, sagte Schubert den PNN.

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