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Landeshauptstadt: „Kalkulierbares Risiko“

Lena Knoblauch vom Potsdamer Flugrechtsportal Flightright über Entschädigungen im Fall Tuifly

Wegen kurzfristiger Krankmeldungen beim Personal muss Tuifly zahlreiche Flüge streichen. Am Freitag fielen den Angaben zufolge 108 Verbindungen aus. Entschädigen will Tuifly seine Kunden nicht und beruft sich auf „höhere Gewalt“. Wie schätzen Sie die Chancen der Betroffenen ein?

Man muss leider sagen, dass dies kein glasklarer Fall ist. Wir sind aber der Meinung, dass sich Tuifly hier nicht auf höhere Gewalt berufen kann.

Wieso?

Weil krankheitsbedingte Engpässe unserer Meinung nach ein kalkulierbares Risiko sind. Dafür gibt es übrigens auch Beispiele in der Rechtsprechung. Bei höherer Gewalt handelt es sich um Umstände, die außerhalb des Ermessens liegen, Unwetter zum Beispiel. Selbst bei Streiks gibt es in Europa immer wieder Fälle, bei denen die Rechtsprechung den Umstand der höheren Gewalt nicht anerkennt.

Bislang sollen etwa 9000 Passagiere betroffen sein. Haben sich bei Ihnen schon Geschädigte gemeldet?

Bei uns klingeln die Telefone tatsächlich minütlich. Bis dato sind es zirka 2000 Fälle. Auch per Internet melden sich zahlreiche Fluggäste.

Mit was rechnen Sie noch?

Das ist schwer abzuschätzen. Es hängt davon ab, wie lang die Situation anhält. Aber allein am Donnerstag kamen bei uns 900 neue Fälle dazu.

Sind darunter auch Fluggäste aus Potsdam und Umgebung?

Auch aus Berlin und Potsdam melden sich Betroffene. Zahlen können wir aber nicht nennen.

Was sollten die Betroffenen tun?

Man muss sich vor allem erst mal vergegenwärtigen, um was es geht. Geht es nur um einen Flug oder etwa um eine komplette Pauschalreise? Denn bei Flugausfällen muss lediglich eine Ersatzbeförderung erfolgen. Das heißt, Tuifly muss dafür sorgen, dass der Betroffene zeitnah an seinem Zielort ankommt. Bei einer Pauschalreise ist der Schaden ja ungleich größer, der Mehrwert der Reise ist einfach nicht mehr gegeben. Pauschalreisenden, die demnächst mit Tuifly fliegen, raten wir, sich mit dem Unternehmen in Verbindung zu setzen und sich ihre Flüge garantieren zu lassen. Außerdem sollte man gegebenenfalls bereits Ersatzflüge buchen. Diese müsste Tuifly dann bezahlen.

Gibt es Fristen?

In Deutschland sind es bei Pauschalreisen vier Wochen. Eine Entschädigung für normale Flüge kann man innerhalb von drei Jahren rückwirkend geltend machen.

Was können Geschädigte erwarten?

Wie gesagt einen Ersatzflug, darüber hinaus Verpflegung am Aufenthaltsort und eine Hotelunterbringung, falls man sich nicht in seinem Heimatort befindet. Die Entschädigungen belaufen sich je nach Distanz auf 250 bis 600 Euro.

Wie lange dauert es in der Regel, bis Ansprüche durchgesetzt werden?

Das ist unterschiedlich. Reagieren Fluggesellschaften auf unsere Zahlungsaufforderung positiv, kann alles innerhalb von zwei Wochen erledigt sein. In Extremfällen kann es aber bis zu zwei Jahren dauern.

Das Interview führte Matthias Matern

Lena Knoblauch ist Mitarbeiterin des Potsdamer Flugrechtsportals Flightright. Die Firma hat eigenen Angaben zufolge bereits mehr als 90 Millionen Euro für ihre Kunden erstritten.

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