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Paradewagen. Potsdamer Jugendliche im rollenden Wohnzimmer.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Kämpfen statt betteln

Wenig Resonanz bei der Parade des „Schöner Leben“-Festivals der linksalternativen Szene

Innenstadt - „Alles für Alle!“ schallt die mit Electro-Musik vermischte Forderung von der Ladefläche des mit Transparenten behängten Kleinlasters herunter. Dahinter laufen knapp 40 jugendliche Unterstützer der linksalternativen „Streetparade“, die am Samstag im Rahmen des ersten „Schöner Leben“-Festivals stattfand: „Freiräume werden erkämpft und nicht erbettelt“ oder „Her mit dem schönen Leben!“ steht auf zwei der Plakate. Mit Verspätung hatte sich der Zug vom Freiland-Gelände aus über die Lange Brücke und die Dortustraße Richtung Bassinplatz in Bewegung gesetzt. Wegen des überschaubaren Zuges waren zeitweise fast ebenso viele Polizisten wie Paraden-Teilnehmer auf der Straße. Als der Zug am Alten Markt vorbeikam, äußerte ein Passant spontan: „Die Polizei macht eine Demonstration“.

Das Festival, dem in der vorigen Woche bereits zahlreiche Info-Veranstaltungen (etwa zum Thema „Frauen in der rechten Szene“) und ein Konzert am Freitagabend im Freiland vorausgegangen waren, wollte ein Zeichen links-alternativer Jugendkultur setzen und dabei auf zahlreiche Probleme aufmerksam machen, etwa die Wohnungsknappheit: „Potsdam ist die teuerste Stadt in Ostdeutschland“, sagt der 19-jährige Martin, Mitorganisator des Festivals, der aber seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Es ist schwer, in der Innenstadt bezahlbare Wohnungen zu finden und gleichzeitig werden alternative Wohnprojekte immer mehr verdrängt oder müssen ums Überleben kämpfen, etwa das Archiv oder die Wagenburg auf Hermannswerder.“

Auch an der Baustelle der Garnisonkirche, die von einer Sprecherin der Parade als „Preußen- oder Hitlerkirche“ bezeichnet wird, machte die Streetparade kurz Halt. Die Kirche war nur eine von zahlreichen Projekten der Stadtentwicklung, die im Zentrum der Kritik des ganzen Festivals standen: Man wehre sich dagegen, dass Potsdam zu einem „Freilichtmuseum“ und „Preußen-Disney“ umgebaut werde, durch das nur „Touristenströme durchgeleitet“ werden sollen, äußerten mehrere Sprecher der Parade. „Schöner leben“ heiße für sie „ein Picknick im Park ohne Parkwächter“.

Das Festival, das durchaus im nächsten Jahr eine Fortsetzung finden könnte, so Martin, stand unter dem Motto: „Alles für alle! – Die Perspektive im Anti“ „Es sollte diesmal nicht um ein bestimmtes ‚Anti’ gehen, also etwa Antirassismus oder Antisexismus, sondern ums Ganze, um alle linken Themen“, erklärt Martin.

Am Bassinplatz erhielt dann die Musik das Wort: Ab 16 Uhr spielten auf der Open-Air-Bühne an der Skate- Anlage die Bands „Off The Hook“ und „Fire At Will“ Punk und Hardcore vor rund 60 Zuschauern, während „Pyro One“ und „Connexion Musical“ mit Grime und Hip Hop nachlegten. Den Abschluss machte die Punkband „Radio Havanna“.

„Ich finde gut, dass es das Festival und die Parade gibt“, sagt der 23-jährige Dennis auf dem Bassinplatz. „Das ist wichtig, um zu zeigen, dass es eine Jugendkultur in Potsdam gibt. Sonst hat man ja eher das Gefühl, das Potsdam zu einer Touristenstadt gemacht wird.“ Erik Wenk

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