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Justiz: Auch dem Potsdamer Landgericht droht Überalterung

In den nächsten zehn Jahren wird die Hälfte der Richter am Landgericht in Potsdam pensioniert. Doch schon jetzt führt die hohe Belastung zu außerordentlich langen Verfahren.

Potsdam - Nach dem Amts- warnt auch das Landgericht vor der Überalterung seines Personals und chronischer Überlastung. So werde von den 51 Richtern, die am Landgericht Potsdam jedes Jahr dutzende große Strafverfahren verhandeln, in den nächsten zehn Jahren etwa die Hälfte pensioniert. Das sagte Gerichtssprecher Sascha Beck jetzt auf Anfrage.

Drei höhere Richterstellen sind zurzeit verwaist

Schon aktuell ist demnach die Lage schwierig: Das Durchschnittsalter liegt bei 53 Jahren und mehr als 60 Prozent der Richter sind über 50 Jahre alt – mit einer laut Beck entsprechend höheren Krankheitsanfälligkeit. So seien im vergangenen Jahr vier Kollegen längerfristig erkrankt gewesen, von denen nun erst drei über das Hamburger Modell wieder eingegliedert würden. Aktuell seien zudem drei zum Teil herausgehobene Richterstellen völlig verwaist. „Diese sind – zum Teil seit langem – ausgeschrieben, über ihre Besetzung wurde aber noch nicht entschieden.“ Zudem müsse eine weitere Richterin mit der Hälfte ihrer Arbeitskraft am Amtsgericht Luckenwalde aushelfen, wo sich eine Richterin in der Elternzeit befinde. Zumindest könne man aber auf sechs Proberichter sowie fünf Richter von anderen Land- oder Amtsgerichten als Hilfen zurückgreifen.

Rein formell hätten in den vergangenen beiden Jahren sieben Richter ihre Überlastung mit einer Anzeige dokumentiert – allerdings würde das laut Beck nicht den tatsächlichen Stress dokumentieren, da allen Mitarbeitern „klar ist, dass eine Entlastung ohnehin so gut wie unmöglich ist“. Die „außerordentlich hohe Belastung“ sei mehrfach auch im Präsidium des Gerichts erörtert worden, sagte Beck. Unter anderem habe man schon die Strafkammern zulasten des Zivilbereichs personell besser ausstatten müssen, um die anfallende Arbeit zu bewältigen.

Altverfahren machen dem Gericht zu schaffen

Vor allem einige komplexe Altverfahren machen dem Gericht laut Sprecher Beck zu schaffen. Erinnert sei etwa an den Fall Educon um einen Bildungsdienstleister, der sich mit Hilfe fingierter Schülerzahlen eine Fördersumme in Millionenhöhe erschlichen haben soll. Dieser Prozess soll wie berichtet im Spätsommer beginnen, mehr als neun Jahre nach einer ersten Hausdurchsuchung der Staatsanwaltschaft im Ex-Educon-Hauptquartier in der Berliner Straße.

Wozu so eine lange Verfahrensdauer führen kann, hatte sich Ende vergangenen Jahres bei einem Verfahren am Landgericht zum Millionenbetrug bei Subventionen für die Sanierung des Schlosses Boitzenburg gezeigt. Hier hatten die beiden verurteilten Männer mehrere Jahre Haft erlassen bekommen wegen der überlangen Verfahrensdauer. Diesen Zusammenhang zwischen der Überlastung der Gerichte und milderen Strafen wegen langen Verfahrensdauern hatte auch der Vorstandsvorsitzende des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Brandenburg, der Babelsberger Jurist Jens Frick, zuletzt heftig kritisiert.

Auf die neue Kritik aus dem Landgericht reagiert das von Stefan Ludwig (Linke) geführte Justizministerium ähnlich wie auf eine aktuelle Analyse aus dem Amtsgericht, wonach auch diese Behörde überaltert und bei der Arbeit nicht mehr hinterherkommt. Doch auch das Landgericht sei rein rechnerisch schon zehn Prozent über Bedarf ausgestattet – wobei das nicht immer den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen müsste, wie ein Sprecher des Ministeriums jetzt auf Anfrage sagte. Klar sei aber, dass erheblicher Einstellungsbedarf auf Justizstellen des Landes – wie eben auch das Land- und Amtsgericht – zukomme. Man sei jedoch zuversichtlich, dass die Region attraktiv genug für junge Juristen sei.
Da hat Beck freilich seine Zweifel – so sei die Zeit, die man in Brandenburg als Proberichter arbeiten müsse und dann zum Beispiel von Gericht zu Gericht entsandt werden kann, zu lang bemessen: „Das ist nicht besonders attraktiv.“

* In einer ersten Version des Textes hieß es, dass das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Brandenburg die langen Verfahrensdauern kritisiert hat. Genau genommen hat allerdings der Vorstandsvorsitzende des Versorgungswerks, Jens Frick, diese Kritik geübt. Wir bitten diese Ungenauigkeit zu entschuldigen. 

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