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Landeshauptstadt: Justitia hilft nach

Im Streit um ein Wohnungsbauprojekt in der Großbeerenstraße kann sich die Stadt nicht durchsetzen

Am Stern - Im Dauerstreit um ein Wohnungsbauprojekt in der Großbeerenstraße muss die Stadt wohl weitgehend klein beigeben. Damit steigt die Chance, dass im Karree Ziolkowskistraße, Grotrianstraße und Großbeerenstraße bald rund 100 Wohnungen gebaut werden können. Das ist das Ergebnis einer Verhandlung vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht. Geklagt hatte die Kirsch & Drechsler Hausbau GmbH – einer der Gesellschafter ist der Potsdamer Stadtverordnete Wolfhard Kirsch (Bürgerbündnis) – gegen die Stadt Potsdam auf die Erteilung von Baugenehmigungen.

Zu einem Beschluss kam es am Freitag noch nicht: Auf deutliches Anraten des Gerichts stimmten die Vertreter der Stadt einem Vergleichsvorschlag des Klägers zu. Demnach bekäme der Investor für eines von 13 Häusern unverzüglich Baurecht. Für alle anderen würde das seit zwei Jahren auf Eis liegende Verfahren für einen Bebauungsplan wieder aufgenommen. Der Investor würde sich verpflichten, einen Teil des Areals als öffentlich zugängliche Parkanlage zu gestalten und drei Jahre lang auf eigene Kosten zu pflegen sowie fünf Prozent der Wohnungen zu den Konditionen von Sozialwohnungen zu vermieten. Für Kirsch ist das das höchstmögliche Entgegenkommen.

Der Vergleich steht unter dem Vorbehalt, dass die Stadtverordneten noch zustimmen. In ihrer Sitzung am 6. Dezember soll entschieden werden. Lehnen sie ab, entscheidet ein Einzelrichter ohne weitere mündliche Verhandlung. Der Kläger war damit einverstanden, weil er sich gute Chancen ausrechnet und eine schnelle Entscheidung will. „Potsdam braucht Wohnungen“, so Kirsch.

Zuvor hatte nämlich der Vorsitzende Richter deutlich gemacht, dass die Sichtweise der Stadtverwaltung nur geringe Chancen hat: „Bei allem Respekt: Ihr Vergleichsangebot ist lächerlich.“ Die Stadtverwaltung hatte auf eine Einstellung des Verfahrens gehofft. Ihr Vergleichsvorschlag besagte, dass der Investor für ein Gebäude unverzüglich Baurecht erhält und für den Rest die Bedingungen aus einem Beschluss der Stadtverordneten umgesetzt werden – also zehn Prozent der Wohnungen für zehn Jahre zu den Konditionen von Sozialwohnungen vermietet werden. Für den Investor hätte sich somit kaum ein Vorteil gegenüber den ursprünglichen Forderungen der Stadt ergeben.

Der Streit hat eine Vorgeschichte. Denn lange Zeit war die Stadt bereit, den Bau zu erlauben. Mit dem Investor hatte die Verwaltung 2015 einen städtebaulichen Vertrag ausgehandelt, in dem er sich verpflichtete, einen Teil des Areals als öffentlich zugängliche Parkanlage zu gestalten und drei Jahre lang auf eigene Kosten zu pflegen. Im Gegenzug sollte der Flächennutzungsplan geändert werden, der 70 Prozent des Areals als Wald einstufte. Doch dann formierte sich Widerstand unter den Stadtverordneten. Besonders die SPD, aber auch die Linke, forderten, dass Kirsch einen größeren Teil der Wertsteigerung durch die Umwandlung von Wald zu Bauland an die Stadt abführen soll. Das wollte Kirsch nicht mittragen. Er stellte Bauanträge, die die Stadt ablehnte. Plötzlich hing man in der Verwaltung doch an dem Wald, den man zuvor fällen lassen wollte. Es folgte der Rechtsstreit.

Auch Potsdams Stadtplanungschef Andreas Goetzmann wird sich nun womöglich Fragen der Stadtverordneten gefallen lassen müssen. Er hatte am Dienstag im Bauausschuss auf Nachfrage von Ausschussmitgliedern gesagt, dass das Vergleichsangebot der Stadtverwaltung mit dem Investor abgestimmt ist. Er habe noch am selben Tag mit ihm gesprochen. Auf Grundlage des Vergleichs werde man eine Absage der mündlichen Verhandlung anstreben. Daraufhin stimmte der Ausschuss der Vorlage der Verwaltung zu. Die PNN hatten zuvor berichtet, dass Kirsch eben nicht mit diesem Angebot einverstanden sei. Goetzmann sagte dazu, er könne sich das nur mit einer veralteten Recherche erklären.

Fragwürdig erscheint das Vorgehen der Stadt auch im Vergleich zu einem anderen aktuell umstrittenen Bauprojekt. In dieser Woche stimmte der Bauausschuss mehrheitlich für die Auslegung eines Bebauungsplans zum Humboldtring. Dort versucht die Stadt trotz seit Jahren bekannter Bedenken von Schlösserstiftung und Landesdenkmalamt eine Fläche nahe des Havelufers in der Pufferzone des Babelsberger Welterbeparks von Wald in Bauland umzuwandeln.

Justitia war der Stadtverwaltung in dieser Woche nicht sehr gewogen: Am Donnerstag erst war sie mit einer Klage gegen den Hotelinhaber Burkhard Scholz gescheitert. Die Stadt hatte ihn wegen einer angeblich unwahren Tatsachenbehauptung gegenüber der Zeitung „Lübecker Nachrichten“ zur Unterlassung seiner Äußerungen verpflichten wollen. Dabei ging es um die mittlerweile bundesweit bekannte Posse um einen Stapel Kaminholz im Garten des Hotels. Die Verwaltung hatte eine Baugenehmigung verlangt, weil der Stapel „durch seine eigene Schwere mit dem Boden verbunden“ sei. Nach der Auffassung des Landgerichts Berlin fehlte der Stadt allerdings die Legitimation für eine Klage.

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