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25 Jahre jung. Musikdirektor Aditya Sharma und Programmchefin Karen Schmied arbeiten seit mehr als zehn Jahren bei Radio Fritz. Der Jugendsender des rbb sitzt seit seinem Gründungsjahr in Babelsberg, hat inzwischen aber ein zweites Studio in Berlin Kreuzberg.

© r.b.

Jugendradio Fritz feiert Geburtstag: Radio mit Chaosfaktor

Das Jugendradio Fritz feiert 25. Geburtstag. In den Anfangsjahren wurden die Moderatoren noch wie Stars gefeiert.

Potsdam - Bei so manchem, der heute im Radio den Jingle von Fritz hört, löst die vertraute Klangfolge nostalgische Gefühle aus: Erinnerungen an neue Bands, die man hier zuerst entdeckt hat, an das „Loveradio“ zur Loveparade, an den von Marusha moderierten „Rave Satellite“ oder an die Skandalsendungen mit Tommy Wosch. Im Berlin der 90er-Jahre hatte der Jugendsender einen ähnlichen Kultstatus wie einst MTV: „Wir haben in dieser Zeit mal eine Tour durch verschiedene Schulen gemacht und die Moderatoren wurden auf den Schulhöfen wie Stars gefeiert – das kann man sich heute kaum noch vorstellen“, erinnert sich Fritz-Musikchef Aditya Sharma, der seit 1995 dabei ist.

Vor 25 Jahren hatte alles angefangen: Am 1. März 1993 um sechs Uhr morgens ging mit Fritz das erste gesamtdeutsche Jugendradio der Bundesrepublik auf Sendung, „Wir spielen immer nur dasselbe“ von den Rodgau Monotones war der erste Song, der im Programm lief. Anfangs sendete man aus der Nalepastraße in Berlin, doch noch im selben Jahr zog der Sender nach Babelsberg um.

Von „RockRadio B“ des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB) zu Fritz Jugendradio

Gefeiert wird der 25. Geburtstag am zweiten März mit einer großen Party in der Berliner Columbiahalle, bei der unter anderem Sido, Milliarden und Sookee auftreten werden. In der Woche davor veranstaltet Fritz weitere Konzerte anlässlich des Jubiläums, darunter auch ein Auftritt des Rappers Casper am 1. März im Waschhaus Potsdam.

Vorläufer von Fritz waren einst das „RockRadio B“ vom Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) und „Radio4U“ vom Sender Freies Berlin (SFB), beide Sender verschmolzen 1993 zum öffentlich- rechtlichen Jugendradio Fritz. Der Auftrag lautete, Radio für Jugendliche aus Ost und West zu machen. Keine leichte Aufgabe, weiß Sharma: „Da trafen Welten aufeinander: Die Redakteure waren ja musikalisch ganz unterschiedlich sozialisiert worden, es gab große Diskussionen, wie der Sender eigentlich klingen soll.“

"Es waren einfach Typen, die Sachen gemacht haben, die unterhaltsam und authentisch waren"

In einem Punkt war man sich jedoch einig: Neue Musik sollte man immer zuerst auf Fritz hören. Eine Philosophie, die der Sender bis heute verfolgt. Gleiches gilt für den für einen Musiksender ungewöhnlich hohen Wortanteil, der heute rund 40 Prozent des Programms ausmacht und unter anderem durch traditionsreiche Talkformate wie den „Blue Moon“ getragen wird.

Anfang der 90er-Jahre sahen die technischen Bedingungen eines Radios noch ganz anders aus: Geschnitten wurde klassisch mit Bandmaschinen, Computer und Internet spielten fast keine Rolle und geraucht wurde in den Studios damals auch noch. Moderatoren wie Robert Skuppin oder Volker Wieprecht, der 1994 vom Magazin Musikexpress zum besten Moderator Deutschlands gewählt wurde, gaben dem Sender eine unverkennbare Stimme. „Ich war Fan des Senders“, erinnert sich Aditya Sharma. „Die Moderatoren auf Fritz waren immer anders als bei anderen Sendern: Es waren einfach Typen, die Sachen gemacht haben, die unterhaltsam und authentisch waren. Es gab immer einen Chaosfaktor.“

"Es hatte auch mal jemand schlechte Laune“

Ähnlich sieht das Fritz-Programmchefin Karen Schmied, die den Sender in ihrer Jugend regelmäßig gehört hat und seit 2003 bei Fritz arbeitet: „Das mochte ich immer sehr: Die Moderatoren waren auf Augenhöhe mit mir, sie haben normal mit mir gesprochen. Und es hatte auch mal jemand schlechte Laune.“

Besonders deutlich wurde das bei Tommy Wosch, der bei Sendungen wie „Bollmann – das deutsch-deutsche Bürgertelefon“ regelmäßig mit unflätigen und provozierenden Äußerungen, Publikumsbeschimpfungen und politisch unkorrekten Gags die Hörerschaft spaltete. Ganz so arg geht es heute auf Fritz nicht mehr zu, aber die Redaktion versucht, ihren Moderatoren nach wie vor viele Freiheiten zu lassen: „Dieses Programm kann nicht jedem gefallen und wir versuchen es auch nicht jedem Recht zu machen“, so Sharma.

Dass das auch mal schiefgehen kann, zeigt der Fall Ken Jebsen: Der heute als Verschwörungstheoretiker auftretende Moderator, der seit 2001 auf Fritz das erfolgreiche Format KenFM moderierte, sah sich 2011 mit Antisemitismusvorwürfen konfrontiert. Nach anhaltender Kritik gab der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), zu dem Fritz mittlerweile gehörte, Ende 2011 bekannt, sich von Jebsen getrennt zu haben, weil dieser sich wiederholt nicht an Absprachen gehalten habe.

Obwohl Fritz in Potsdam seinen Stammsitz hat, bezog man 2016 ein zweites Studio in Berlin-Kreuzberg namens Fräulein Fritz: „Wir wollten einfach präsenter in Berlin sein und unseren Hörern eine neue Möglichkeit geben, dabei zu sein. Die Musikszene befindet sich direkt um die Ecke, da ist es auch einfacher, Interviews mit Musikern ins Programm zu holen“, sagt Sharma. Auf die Straße gegangen ist Fritz schon immer: Egal ob mit dem Fritz-Club, Events wie dem Fritz-Kneipenquiz im Olympiastadion, dem „Protest-Podest“ oder den seit 2012 stattfindenden Tramkonzerten, bei denen bekannte Bands in fahrenden Straßenbahnen auftreten. „Wir haben immer versucht, aus diesem sterilen Studio raus zu gehen, da, wo unsere Hörer sind“, sagt Sharma.

Ebenso wichtig ist der gute Kontakt zu Bands und Musikern: Jährlich veranstaltet Fritz rund 100 Konzerte, bei der Sendung „Unsigned“ können Bands ohne Plattenvertrag auftreten, etliche Sendungen wurden schon von Künstlern wie den Toten Hosen, Paul van Dyk, Fettes Brot oder Kraftklub moderiert.

Erfolge, auf denen sich ein Jugendradio nicht ausruhen kann, denn der Wandel der Mediennutzung ist auch für Fritz eine Herausforderung: „In den 90er-Jahren waren die Möglichkeiten, Musik medial zu konsumieren, auf Radio und Fernsehen beschränkt, dadurch hatten wir einen wesentlichen Einfluss auf das Leben unserer Zielgruppe“, sagt Sharma. Von dieser Monopolstellung ist nicht viel geblieben: Heute gibt es viel mehr Kanäle für Musikkonsum und viele Jugendliche wissen kaum noch, was UKW ist.

Für Fritz bedeutet das unter anderem, verstärkt auf Smartphonenutzer zuzugehen, denn mittlerweile hören viele Jugendliche Fritz nicht mehr per Radio oder PC, sondern per App. „Natürlich ist das Internet eine Konkurrenz für uns“, sagt Schmied, ist aber optimistisch: „Unser Programm wird dadurch ja nicht unattraktiver, es ist nur die Frage, wo und wie die Hörer uns finden.“ Das Publikum sollte Fritz jedenfalls nicht weglaufen: Junge Menschen, die neue Musik hören wollen, wird es schließlich immer geben.

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Fritz in Zahlen

Fritz hat 25 feste und rund 100 freie Mitarbeiter. Der Altersdurchschnitt der freien Mitarbeiter liegt bei unter 30 Jahren. In den letzten 25 Jahren liefen auf Fritz rund 220 000 Stunden

Programm. Von Montag bis Freitag hat der Sender pro Stunde durchschnittlich 61 000 Hörer. Der Musikanteil im Programm liegt insgesamt bei 60 Prozent, im Tagesprogramm laufen mindestens 135 verschiedene Songs

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