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Das Nordtorgebäude. Dort soll das Abraham Geiger Kolleg einziehen.

© A. Klaer

Jüdische Theologie Potsdam: Rabbinerausbildung im Welterbe

Drei jüdische Bildungseinrichtungen ziehen nach Sanssouci. Die Grundsteinlegung jedoch erfolgt unter Sicherheitsbedenken.

Von Peer Straube

Potsdam/Sanssouci - Im Welterbepark Sanssouci entsteht ein international bedeutendes Ausbildungszentrum für jüdische Geistliche. Potsdams zwei Rabbinerseminare, das Abraham Geiger Kolleg und das Zacharias Frankel College, sowie die Jewish School of Theology sollen bis Ende 2019 in einen Gebäudekomplex nahe dem Neuen Palais einziehen. Dafür lässt das Land Brandenburg für insgesamt 11,5 Millionen Euro das 1796 von Carl von Gontard geschaffene ehemalige Hofgärtnerhaus, auch Nordtorgebäude genannt, nebst benachbarter Orangerie sanieren und zum Teil umbauen. Am gestrigen Montag wurde offiziell der Grundstein für das Bauvorhaben gelegt, zu dem auch eine kleine, teils sogar öffentlich genutzte, Synagoge gehört.

Nach der Fertigstellung sind die jüdischen Bildungseinrichtungen, die derzeit zum Teil noch Räume in Berlin-Charlottenburg nutzen müssen, dann erstmals an einem Ort vereint. Im Abraham Geiger Kolleg werden seit 1999 liberale Rabbiner ausgebildet. 34 Absolventen hat das Kolleg bis heute hervorgebracht, davon 26 Rabbiner und acht Kantoren. Bis heute ist das Kolleg, ein An-Institut der Universität Potsdam, die einzige Ausbildungsstätte für liberale Rabbiner auf dem europäischen Festland nach dem Zweiten Weltkrieg. Gleiches gilt für das Zacharias Frankel College, das ebenfalls ein An-Institut der Uni Potsdam ist, in dem seit 2013 allerdings konservative Rabbiner ausgebildet werden. Diese Ausbildung wird weltweit nur an fünf Standorten angeboten: Neben Potsdam/Berlin sind das New York, Los Angeles, Buenos Aires und Jerusalem.

Komplettiert wird der Kreis künftiger Nutzer durch die Jewish School of Theology, die seit 2013 den Überbau für die akademisch-geistliche Ausbildung in der Jüdischen Theologie an Potsdams Universität bildet. Heute studieren hier rund 160 junge Menschen das Judentum, darunter auch solche, die Rabbiner oder Kantor werden wollen. An der Hochschule werden sie auf den akademischen Teil ihres Abschlusses vorbereitet, die geistliche Ausbildung erfolgt am Geiger-Kolleg.

In dem historischen Ensemble "treffen der Glanz der Vergangenheit auf das Leuchten der Zukunft"

Entsprechend hoch angebunden war die Widmungsveranstaltung der historischen Gebäude am Montag: Unter anderem waren Mark Dainow, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Carole Sterling, die Vorsitzende der Weltunion für Progressives Judentum, und der evangelische Landesbischof Martin Dröge anwesend.

In dem historischen Ensemble entstehe „eine Lehrstätte, die das jüdische Erbe in Deutschland wieder zum Leben erwecken kann“, sagte Dainow. Hier treffe der „Glanz der Vergangenheit auf das Leuchten der Zukunft“. Brandenburgs Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) lobte die Qualität der Ausbildung, die in den vergangenen Jahren Rabbiner hervorgebracht habe, die inzwischen in aller Welt lehrten. In Zeiten von „aufflammendem Antisemitismus“ sei das Bauprojekt ein wichtiges Symbol dafür, dass jüdisches Leben „unverrückbar Teil unseres Landes und unserer Gesellschaft ist“, betonte Münch.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) freute sich, dass Potsdam durch das gemeinsame Domizil der drei Bildungseinrichtungen ein „Zentrum jüdischen Glaubens, Lebens und Wissens“ werde. Die jüngsten Gewaltausbrüche, etwa die Gürtelattacke auf einen Israeli mit Kippa in der vergangenen Woche in Berlin, zeigten, dass Antisemitismus „keine bloße Erinnerung“ an die NS-Zeit sei, sondern „aktuelle Gegenwart“. Fremdenfeindlichkeit müsse in all ihren Facetten bekämpft werden, so Jakobs. Die Sorge vor antisemitischen Übergriffen treibt auch die künftigen Nutzer des Gebäudeensembles um. Die Grundsteinlegung wurde von der Polizei gesichert, auf den Terminkalendern der teilnehmenden Politiker wurde, abweichend von der üblichen Praxis, keine konkrete Adresse genannt. Auch auf eine offizielle Presseeinladung zu diesem wichtigen Termin wurde verzichtet.

Noch ist offen, ob die Bildungseinrichtungen von der Polizei geschützt werden

Ob und wie die Bildungseinrichtungen im neuen Quartier künftig von der Polizei geschützt werden, ist offen. Grundsätzlich führe die Polizei für alle jüdischen Objekte oder Einrichtungen im Land eine Gefährdungsbeurteilung durch, sagte eine Behördensprecherin den PNN. Art und Umfang der Schutzmaßnahmen unterlägen allerdings der Geheimhaltung, erklärte sie.

Verantwortlich für Sanierung und Umbau des Gebäudeensembles ist das Berliner Architekturbüro Rüthnik, das bereits das Südtorgebäude am Neuen Palais saniert und zum Besucherempfang nebst Museumsshop umgebaut hat. In dem Pendant, dem Nordtorgebäude, sollen wegen der strengen Denkmalschutzauflagen künftig vor allem Büro- und Seminarräume für das Geiger-Kolleg und das Frankel College entstehen. Mehr Freiheiten haben die Architekten in der früheren Orangerie, die im Laufe der Jahrhunderte zigmal verändert wurde und zu DDR-Zeiten sogar als Turnhalle diente. In die historische Hülle wird mit Abstand zu den Fassaden ein Neubau hineingesetzt, in dem Seminarräume für die School of Jewish Theology untergebracht werden sollen. Der entstehende Zwischenraum kann nach den Vorstellungen der Architekten etwa als Lernzone genutzt werden.

Verbunden werden Orangerie und Nordtorgebäude durch einen kleinen, um 1850 errichteten Stall. Der soll zu einer kleinen Synagoge umgebaut werden, der ersten in Potsdam nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Gebetsraum soll sowohl für den Unterricht als auch öffentlich genutzt werden.

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Kommentar: Die Eröffnung des neuen Domizils für die Ausbildung von Rabbinern in Potsdam ist ein Meilenstein in der Gleichstellung von jüdischer, islamischer und christlicher Theologie, kommentiert PNN-Redakteur Jan Kixmüller.

Bericht: Potsdams erste Synagoge nach dem Zweiten Weltkrieg wird im Welterbepark Sanssouci errichtet. Am Montag wurde der Grundstück für den Bau gelegt.

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