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Potsdam baut nun doch eine Synagoge. Dieses Plakat hängt bereits seit Februar 2014, nun wird der Spruch umgesetzt.

© P. Pleul/dpa

Jüdische Gemeinden in Potsdam einig bei Synagoge: Ende eines „Schützengrabenkriegs“

Synagogen- und Jüdische Gemeinde wollen sich wieder vereinen – und gemeinsam die neue Synagoge betreiben. Eine Frage bleibt aber noch offen.

Potsdam - Nach vier Jahren Streit über eine neue Synagoge zog Ud Joffe ein bemerkenswertes Fazit für die bisher miteinander überworfenen jüdischen Gemeinden der Stadt. „Das wir uns so mit uns beschäftigt haben, hat uns bestärkt“, sagte Joffe, Chef der Synagogengemeinde, am Freitag. Die Zahl der Gemeindemitglieder habe sich trotz des Streits fast verdoppelt.

Jüdische Gemeinden wollen gemeinsam die geplante Synagoge betreiben

Gleichwohl wollen die Kontrahenten nun die Fehde beenden – künftig wollen die Jüdische und die Synagogengemeinde miteinander kooperieren und in einem nächsten Schritt fusionieren. Und, noch wichtiger, beide wollen gemeinsam die seit Jahren geplante Synagoge in der Schloßstraße gemeinsam betreiben – auch wenn die lange strittige Fassaden-Frage noch nicht abschließend geklärt ist. Doch daran werde es nicht mehr scheitern, machten Joffe und Mykhaylo Tkach, er als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag deutlich – kurz vor dem heute beginnenden jüdischen Pessachfest, dem wichtigsten Familienfest der Weltreligion, das an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei erinnert.

Darauf bezogen sich auch einstige Kontrahenten. Etwa Landesrabbiner Nachum Presman, der vom Anfang „einer neuen und guten Sache für Potsdam“ sprach“. Konkret wollen die beiden Gemeinden laut Joffe zunächst einen gemeinsamen israelitischen Kulturverein gründen, um ihre Fusion vorzubereiten und eine Betreibergesellschaft für die Synagoge zu besitzen. Ein Konzept mit Säulen wie Religions- und Sozialarbeit sei in der Abstimmung. Geeinigt habe man sich mit dem Architekten Jost Haberland auch über die lange umstrittene Lage der Räume im Gebäude – demnach kommen öffentliche Gemeinderäume ins Erdgeschoss, die eigentliche Synagoge darüber. Es handele sich um eine „sehr gute funktionale Lösung“, sagte Joffe. Aus dem zur Verfügung stehenden Platz sei das Optimale herausgeholt worden: „Mehr ist nicht finanzierbar.“ Tkach sagte, gemeinsam habe man einen guten Weg gefunden.

Immer wieder Rückschläge

Das Land Brandenburg will die Synagoge bezahlen, rund fünf Millionen Euro stehen zur Verfügung. Wegen des Streits unter den Gemeinden hatte das Land das Bauvorhaben 2011 vorläufig gestoppt. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Verhandlungen, aber auch vielfache Rückschläge gegeben. In der Folge hatte sich die heute rund 250 Mitglieder umfassende Synagogengemeinde um den Dirigenten Joffe von der Jüdischen Gemeinde getrennt, der aktuell mehr als 400 Personen angehören.

Umso mehr begrüße das Land nun den neuen Einigungswillen, sagte der Sprecher des zuständigen Kulturministeriums, Stephan Breiding, den PNN auf Anfrage. Nun würde geprüft, welche Auswirkungen sich aus der Einigung ergeben. So hatte das Land vor knapp einem Jahr die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) als Partner für den auf Eis liegenden Neubau ins Spiel gebracht. Für das Engagement des ZWST bestehe nun aber keine Notwendigkeit mehr, sagte Joffe.

Auch Architekt Haberland reagiert erleichtert

Auch der Architekt Jost Haberland – an dessen erstem und nach einem Wettbewerb gefundenen Entwurf sich 2009 der Streit entzündet hatte, weil Joffe und seine Gemeinde ihn als zu wenig sakral empfanden – zeigte sich erleichtert darüber, dass nun eine von sieben möglichen Varianten für die innere Struktur geklärt sei. Die Fassade selbst sei in den letzten Gesprächen allerdings noch kein Thema gewesen. Dazu müsse ohnehin das Land als Bauherr einen Änderungsauftrag erteilen. Breiding sagte, auch dieser Punkt müsse jetzt noch geklärt werden. Joffe sagte, er freue sich auf ein schönes Gebäude, „eine würdige und erhabene Synagoge“. Sogar vom Ende eines „Schützengrabenkriegs“ sprach Alexander Kogan, Gründer der Jüdischen Gemeinde in Potsdam und derzeit Landesverbandschef.

Tkach und Joffe gingen auf Nachfrage auch darauf ein, wie es zur Einigung kam. Einen konkreten Kompromiss habe es jedenfalls nicht gegeben, sagte Tkach. Das bestätigte auch Joffe. „Aber jeder von uns hat gelernt.“ Die neue Einigkeit sei auch eine Folge der Mediation von vielen Jahren. Und es werde wohl auch nicht die letzte Auseinandersetzung gewesen sein, machte Joffe deutlich und verwies auf Debatten in anderer Religionsgemeinschaften, gegen die der Potsdamer Synagogenstreit nur eine Bagatelle gewesen sei. Und: „Eine gute Suppe braucht eben Zeit zum Kochen.“ Offen ist zum Beispiel noch, wann die Gemeinden genau fusionieren.

Wunsch: Neue Geschichte jüdischen Lebens in Potsdam

Vorstellbar sei allerdings, dass sich beide Gemeinden schon vor der Eröffnung der Synagoge gemeinsame Räume suchen, wie Joffe sagte. Tkach wiederum sagte: „Wir versuchen nun eine neue Geschichte des jüdischen Lebens in Potsdam zu schreiben. Das ist unser Wunsch.“

Unklar ist noch, ob die Gesetzestreue Jüdische Gemeinde mit ins Boot geholt werden kann. Bisher sei es nicht gelungen, deren Chef Shimon Nebrat für eine „positiven und respektvollen Zusammenarbeit“ zu gewinnen, sagte Joffe: „Aber unsere Türen stehen für eine Zusammenarbeit offen.“ Nebrat selbst kannte die Einigung am Freitag nicht und wollte sich zunächst auf PNN-Anfrage nicht weiter äußern – auch er bereitete das Pessachfest vor.

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Es zeigt sich, dass – auch im streitfreudigen Potsdam – jedem noch so verfahren wirkenden Konflikt auch die Chance zur Lösung ohne Gesichtsverlust innewohnt, aus Gegnern sogar Partner werden können. Ein Kommentar >>

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