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Judentum in Potsdam: Fünfte Gemeinde in der Stadt gegründet

Die neue Gemeinde trat bisher nicht öffentlich in Erscheinung, möchte jedoch beim Synagogenbau in Zukunft ein Wörtchen mitzureden haben.

Potsdam - In Potsdam gibt es jetzt offenbar eine fünfte jüdische Gemeinde. Die neue Gemeinschaft „Kehilat Israel“ gab ihre offizielle Gründung am Mittwoch (29.04.2020) bekannt, dem Unabhängigkeitstag des Staates Israel. Sie besteht nach eigenen Angaben aus 40 Personen, die bisher sich nicht aktiv in bestehenden Gemeinden engagiert hatten. Auch diese neue Gemeinde fordert ein Mitspracherecht bei dem geplanten Synagogen-Neubau in der Innenstadt.

Bereits seit dem letzten Sommer würden sich die Gemeindemitglieder regelmäßig in Potsdam zusammenfinden, sagt der Vorsitzende Albert Bravo den PNN. Es handle sich um zwölf Familien, die in den vergangenen Jahren aus Israel in die Potsdamer Region gezogen seien. „Wir treffen uns privat, dann spielen wir Musikinstrumente und singen unsere traditionellen Lieder“, sagt der 38-jährige Unternehmer.

Wegen eigenen Räumen an das Rathaus gewandt

Albert Bravo ist eigenen Angaben zufolge 2013 nach Werder (Havel) gezogen, wo die Eltern seiner Frau leben. Die Eheleute kauften ein Haus und ließen sich nieder. Inzwischen gehören auch zwei Kinder zur jungen Familie. „Es ist uns wichtig, unseren Kindern das Judentum zu vermitteln“, sagt Bravo. Die gemeinsame Erziehung der nächsten Generation spiele traditionell eine besonders große Rolle.

Alberto Bravo ist Vorsitzender der Potsdamer Gemeinschaft „Kehilat Israel“.
Alberto Bravo ist Vorsitzender der Potsdamer Gemeinschaft „Kehilat Israel“.

© privat

Zwar habe der Rabbiner Nachum Presman diese Zusammenkünfte bereits besucht, sagt Bravo. Doch um richtige Gottesdienste abzuhalten und religiöse Feste zu feiern, benötige man eigene Räume. Deshalb habe sich „Kehilat Israel“ bereits an das Rathaus gewandt und von dort auch eine erste Antwort erhalten. Nun wolle man zeitnah das Gespräch suchen.

Ministerin Schüle: Synagoge „für alle Juden der Stadt“

Die Coronakrise und das Kontaktverbot hätten die Gründungsbestrebungen in den letzten Wochen zwar stark beeinträchtigt. Bravo ist jedoch überzeugt davon, dass sich die neue Gemeinde in Potsdam etablieren werde. Für die Zukunft wünscht er sich daher auch ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der neuen Synagoge in der Schlossstraße.

Nach langen Streitigkeiten soll nun in der Schlossstraße Potsdams neue Synagoge gebaut werden. 
Nach langen Streitigkeiten soll nun in der Schlossstraße Potsdams neue Synagoge gebaut werden. 

© Andreas Klaer

Es gibt bereits vier jüdische Gemeinden in Potsdam, von denen zwei an der Planung des neuen Gotteshauses beteiligt sind. Seit fast zehn Jahren lähmt ein erbitterter Dauerstreit zwischen der Jüdischen Gemeinde Stadt Potsdam und der Synagogengemeinde das Bauprojekt, das einst mit viel Enthusiasmus gestartet war. Bauträger ist der Brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB). Erst vergangene Woche hatte Kulturministerin Manja Schüle (SPD) überraschend den Baustart verkündet. Im Frühjahr 2021 soll nun wirklich gebaut werden.

Ministerin Schüle hatte bei der Veranstaltung betont, dass es sich bei dem neuen Gebäude um eine Synagoge „für alle Juden der Stadt“ handeln müsse. Vertragspartner seien jedoch zur Zeit nur die Jüdische Gemeinde und die Synagogengemeinde. Deren geladene Sprecher, Mykhaylo Tkach und Ud Joffe, hatten bei der Veranstaltung seltene Einigkeit demonstriert und ihre Freude über den baldigen Baubeginn geäußert.  

Andere Herkunft, Sprache und Riten

Mit den anderen Gemeinden der Landeshauptstadt pflege seine neue Gemeinschaft ein gutes Verhältnis, betont Bravo. Doch es gäbe auch Unterschiede. Die meisten Potsdamer Juden sind nach 1990 aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion gekommen. Sie sprechen in der Regel Russisch. Weil die Israelis die Sprache nicht verstünden, sei es für sie schwierig, an Veranstaltungen teilzunehmen. Auch bezüglich der religiösen Riten habe man andere Vorstellungen, so Bravo.

„Kehilat Israel“ gehört dem sephardischen Judentum an, das seine Ursprünge in Spanien hat. 1492 erließ das spanische Königshaus ein Edikt, das die Juden zwang, entweder zum christlichen Glauben überzutreten oder das Herrschaftsgebiet zu verlassen. Der größte Teil wählte das Exil, die Sephardim gingen zum Beispiel nach Marokko oder in das Osmanische Reich. Dort blieben sie in der Regel den überlieferten Riten treu. Bis heute unterscheidet sich die religiöse Praxis der sephardischen Juden von der der Aschkenasim, deren Traditionen in Mittel- und Osteuropa verwurzelt sind.

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