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Landeshauptstadt: Joop findet seine Mitte

Der Modedesigner eröffnet die erste Boutique in seiner Heimatstadt – bei Wunderkind stellt man sich auf Kunden aus aller Welt ein. Die PNN durften vorab einen Blick ins „Wunderkind Archiv“ werfen

Ein weißes, lichtdurchflutetes Atelier mit hoher Decke und eine rau-rustikale Werkstatt mit Backstein und rostigem Metall: Es sind die Gegensätze, die Wolfgang Joop in seinem „Wunderkind Archiv“ aufeinandertreffen lässt. Am heutigen Samstag eröffnet der in Potsdam geborene und nach der Wende wieder zurückgekehrte Modeschöpfer die erste Boutique in seiner Heimatstadt – und verwirklicht sich damit einen alten Traum, den er schon seit dem Start seines Labels Wunderkind vor zehn Jahren am Heiligen See hegte.

Den Ort dafür fand Joop nach langer Suche in den Remisengebäuden der Villa Bier in der Friedrich-Ebert-Straße 37: Zentral – es sind nur wenige Schritte zum Rathaus gegenüber –, aber doch auch versteckt in dem mit weißen Rosen umrankten Hof der Persius-Villa ist in den vergangenen Wochen das neue Schaufenster für Joops „Wunderkind“ entstanden. Ein unerwartetes Idyll überrascht den Besucher an der Hofseite des repräsentativen Palais’, der Ort im Herzen der Stadt strahlt Ruhe aus.

Vielleicht ist er sichtbarstes Zeichen dafür, dass Joop seine Mitte gefunden hat: Vergessen sind die beiden Jahre, in denen der Modeschöpfer nicht mehr mit seiner Arbeit, sondern mit Gerichtsstreits mit früheren Geschäftspartnern, Familienzwist, Mode-Ausverkauf oder der Versteigerung seiner Möbel Schlagzeilen machte und nicht wenige das so vielversprechend gestartete „Wunderkind“ schon in den Brunnen gefallen sahen.

Vor ziemlich genau einem Jahr, im Mai 2012, hatte sich der Potsdamer aus der Schaffenspause zurückgemeldet – mit einer furiosen neuen Kollektion, die er in der Villa Rumpf am Heiligen See zeigte. In den Monaten seitdem ist Joop mit seinem Label neu durchgestartet, oft war sogar von einer Auferstehung die Rede: Zwei gefeierte Schauen bei der Pariser Modewoche, wo die eigensinnig-eleganten Wunderkind-Entwürfe ihre modische Heimat gefunden haben, die Verleihung des Designpreises der Bundesrepublik an Joop im Herbst und neue Wunderkind-Geschäfte an den besten Adressen in München und auf Sylt im Mai dieses Jahres.

Von diesen beiden Neueröffnungen soll sich das Potsdamer „Wunderkind Archiv“ aber unterscheiden. „Dieser Shop kann so nur in Potsdam existieren“, sagte Christian Weinecke, der die Wunderkind-Boutiquen nach den Ideen von Joop einrichtet, den PNN bei einer exklusiven Vorabbesichtigung am Freitag. Anders als in München und auf Sylt bietet Joop hier auf 200 Quadratmetern Verkaufsfläche nicht nur Stücke seiner aktuellen Kollektion an, sondern auch Einzelstücke aus den vergangenen Jahren – darunter Kleider, die bisher nur auf dem Laufsteg in Paris zu sehen waren und die in Handarbeit im Wunderkind-Quartier am Heiligen See entstanden sind. „Es ist auch die Nähe zum Atelier am Heiligen See, von dem dieser Ort lebt“, sagt Weinecke. In der Villa Rumpf und der Villa Wunderkind hätten die Kleidungsstücke bislang im Archiv geschlummert. „Es war Wolfgangs Wunsch, dass diese Stücke ans Licht kommen und getragen werden“, sagt Weinecke.

„Wie ein kleines Museum“ über Joops Schaffen soll das „Wunderkind Archiv“, das nach der Feier mit geladenen Gästen ab Montag regulär geöffnet hat, werden, erklärt Peter Hermann, der als Retail Manager für alle Wunderkind-Boutiquen zuständig ist: „Man kann in Erinnerungen schwelgen und sehen, wie sich die Kollektionen entwickelt haben – von der Vergangenheit bis in die Gegenwart.“ Wöchentlich sollen die zum Verkauf ausgestellten Stücke wechseln: Der in verschiedenen Weißtönen gehaltene Atelier-Raum tritt dabei wie eine Leinwand in den Hintergrund und lässt die Einzelstücke wirken. Im rustikalen Werkstatt-Raum nebenan wirkt die Mode geerdet – die Assoziation an das ländliche Bornstedt, wo Joop aufgewachsen ist, ist sicher nicht zufällig.

Mit der Boutique haucht Joop der jahrelang leer stehenden Villa Bier Leben ein: Ira Schwarz hatte das von Reinhold Persius entworfene Ensemble in den 1990erJahren gekauft und renoviert, ihre Pläne gerieten wegen eines Streits mit der Stadt über die Beseitigung von belastetem Boden aber ins Stocken. Schwarz’ Floristikgeschäft musste ausziehen. Erst im Herbst 2012 gab es in den Räumen die erste Ausstellung nach der Sanierung.

Bei Wunderkind stellt man sich auf Kunden nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch international ein: Schon zum mittlerweile geschlossenen „Wunderkind Vintage“-Geschäft in Berlin seien Kunden aus anderen europäischen Ländern, aber auch aus Asien oder Amerika extra angereist, sagt Hermann. Die Marke hat offenbar treue Fans gefunden. „Ich bin mir sicher, dass das Wunderkind Archiv weltweit Anklang finden wird.“

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