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Diese alten Dreh-Stromzähler werden ersetzt.

© Jens Wolf/dpa

Jeder Haushalt ist betroffen: In Potsdam müssen alle Stromzähler ausgetauscht werden

Große Umtausch-Aktion: In Potsdam werden die Stromzähler digital. Insgesamt werden mehr als 100.000 Zähler ausgewechselt. Was bedeutet das für die Kunden?

Potsdam - Das Rädchen schnurrt – je mehr Geräte an der Steckdose hängen, desto schneller. Einmal im Jahr muss der Zählerstand abgelesen werden. Aber die Zeit der herkömmlichen Stromzähler läuft ab: Im Herbst 2018 hat in Potsdam der Austausch gegen digitale Geräte begonnen, wie Göran Böhm, der Sprecher der zuständigen Netzgesellschaft Potsdam, eines Tochterunternehmens der Stadtwerke, den PNN auf Anfrage sagte. Bislang habe man 4000 Zähler ausgetauscht. Der Mammutteil steht aber noch aus: Alle Zähler in der Landeshauptstadt sollen ausgetauscht werden, laut Böhm sind es insgesamt gut 116 000.

Der Austausch erfolgt nicht auf einen Schlag

Der Wechsel zu den neuen digitalen Geräten soll aber nicht auf einen Schlag, sondern fortlaufend im normalen Wartungsturnus erfolgen, erklärt Böhm: „Die aktuellen Zähler haben eine Eichzeit von 16 Jahren – danach muss getauscht werden.“ Entsprechend rechne man damit, den Umtausch bis zum Jahr 2034 abzuschließen. Die Netzgesellschaft setzt mit dem Tauschprogramm die Vorgaben des 2016 in Kraft getretenen sogenannten Messstellenbetriebsgesetzes des Bundes um.

So sehen die digitalen Zähler in etwa aus, je nach Modell gibt es Unterschiede.
So sehen die digitalen Zähler in etwa aus, je nach Modell gibt es Unterschiede.

© Patrick Pleul/dpa

Unklar ist noch, inwiefern die Kosten für die neuen Zähler auf den Kunden umgelegt werden. Die Netzgesellschaft stellt zunächst dem jeweiligen Stromanbieter pro Gerät 20 Euro in Rechnung, sagte Göran Böhm. Beim kommunalen Stromversorger EWP ist die Frage, ob diese Kosten an die Kunden weitergegeben werden, laut Böhm noch nicht geklärt.

Teilweise werden die Kunden einen Aufpreis zahlen müssen

Eine PNN-Umfrage bei einigen anderen Stromanbietern ergab ein gemischtes Bild. Bei Eon sollen die Kosten „in der Regel“ in Form von höheren Preisen weitergegeben werden, wie Unternehmenssprecher Stefan Moriße sagte. Eine Ausnahme bildeten die Kunden, die einen Tarif mit einer befristeten Preisgarantie gebucht haben. Anders sieht es beim Ökostromanbieter Lichtblick aus: Dort gibt es einen bundeseinheitlichen Tarif, Extrakosten für den Stromzählertausch würden nicht berechnet, sagt Sprecher Volker Walzer. 

Bei Vattenfall fließen die Kosten in die Gesamtkalkulation für den Kunden ein, sie würden nicht als Extraposten aufgeführt, wie Sprecher Olaf Weidner sagte.

Die neuen Zähler hinken vielen EU-Ländern hinterher

Die neuen Zähler haben zwar eine digitale Anzeige, sie sind aber nicht vernetzt – es handelt sich also nicht um sogenannte intelligente Zähler, wie sie in vielen EU-Ländern bereits Standard sind. Eine spätere Aufrüstung sei möglich, betont die Netzgesellschaft. Vorerst muss der Zählerstand aber weiterhin einmal jährlich vor Ort abgelesen werden.

Für den Verbraucher haben die neuen Geräte nur einen eher theoretischen Vorteil: Als Kunde kann man künftig nicht nur den aktuellen Zählerstand ablesen. Die digitalen Zähler speichern auch die Verbrauchswerte für Tage, Wochen und Monate – bis zu 24 Monate zurück. In der Praxis ist das aber sehr umständlich, wie aus der Bedienungsanleitung der Netzgesellschaft hervorgeht. Zunächst benötigt man dafür eine PIN-Nummer, die man extra erfragen muss.

Und auch die Eingabe der PIN und die weitere Bedienung sind kompliziert: Denn es gibt keine herkömmliche Tastatur, sondern nur einen Knopf. Über diesen gibt man in einer Art Morse-Technik durch mehrmaliges Drücken die vierstellige PIN-Zahl ein und wechselt zwischen verschiedenen Abfragen. Immerhin: Damit wird die Sache in Potsdam einfacher als in Hamburg. Wie die ARD-Sendung Extra3 in ihrer Rubrik „Der reale Irrsinn“ 2017 berichtete, können die neuen Zähler dort nur mittels Lichtzeichen mit einer Taschenlampe bedient werden.

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Variable Tarife: Bei Starkwind ist Windenergie günstiger

Die digitalen Zähler sind nicht zu verwechseln mit den sogenannten intelligenten Zählern. Solche intelligenten Zähler, die den Stromverbrauch laufend erfassen, Daten aufzeichnen sowie senden und empfangen können, sind im Zuge der Umstellung auf erneuerbare Energien und dezentrale Stromerzeugung wichtig, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft betont. Sie seien Voraussetzung beispielsweise für die Einführung variabler Stromtarife sowie zur Steuerung von Windkraft- und Solaranlagen. Mit ihnen sollen Verbraucher auch einen besseren Überblick über den eigenen Stromverbrauch bekommen. Verbraucherschützer sehen das aber auch skeptisch und verweisen auf die Gefahr eines Datenmissbrauchs. 

Bei Eon plant man laut Unternehmenssprecher Moriße damit, variable Digitaltarife anzubieten – Kunden könnten dann zum Beispiel an besonders windigen Tagen direkt vom niedrigen Preis für Windstrom profitieren, erklärt er. Es sei aber noch unklar, wie schnell man das für ganz Deutschland anbieten werde.

In 16 anderen EU-Ländern soll der Austausch im kommenden Jahr fertig sein

Die Europäische Union hat seit 2006 die Einführung von intelligenten Zählern forciert. In 16 EU-Ländern, darunter Schweden, die Niederlande und Italien, will man mit der Umsetzung bis 2020 fertig sein. Deutschland gehört zu den wenigen EU-Ländern, die sich gegen die flächendeckende Einführung entschieden haben. Hier sollen lediglich Großabnehmer mit einem Jahresverbrauch von mehr als 6000 Kilowattstunden verpflichtend intelligente Zähler bekommen – so ist es auch in Potsdam vorgesehen, wie Sprecher Böhm sagte. Auch, wer Strom ins Netz einspeist – etwa über eine Solaranlage auf dem Dach – soll perspektivisch einen intelligenten Zähler bekommen.

Aber dabei gilt vorerst noch Abwarten: Denn gesetzlich verpflichtend ist der Einbau der intelligenten Zähler nur, wenn das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mindestens drei solcher Geräte zertifiziert hat – und so lange will auch die Netzgesellschaft noch warten. Bislang gibt es erst für einen intelligenten Zähler das Okay vom BSI.

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