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Die amerikanisch-dänische Jazzmusikerin Marilyn Mazur wird nach Potsdam kommen. 

© promo

Jazzoffensive in Potsdam: Absolut experimentell

Das von Fabrik und Waschhaus gemeinsam veranstaltete Festival sollte bunter und internationaler werden. Dann kam Corona. Abgesagt wurde die Jazzoffensive am 4. September nicht, sie wird nur etwas anders sein als sonst. 

Potsdam - Wer in diesen Tagen Konzerte und andere Live-Veranstaltungen organisiert, ist wahrlich nicht zu beneiden. Umso mehr freut sich Nicolas Schulze, dass es trotz Corona, Hygieneregeln und Teilnehmerbegrenzungen auch in diesem Jahr eine neue Ausgabe der Jazzoffensive in der Schiffbauergasse geben wird: „Es ist irgendwie surreal, dass das Festival tatsächlich stattfindet, während es sonst kaum Veranstaltungen gibt“, sagt der Pianist des Potsdamer Jazzlabs, der die Jazzoffensive seit dem vergangenen Jahr zusammen mit der Musikagentin Constanze Schliebs kuratiert.

Eigentlich hatten Schulze und seine Mitstreiter nach dem konzeptionellen Neustart 2019 große Pläne: Das von Fabrik und Waschhaus gemeinsam veranstaltete Festival sollte bunter und internationaler werden, der nun geradezu trotzig wirkende Titel „Beyond Boundaries“ („Jenseits der Beschränkungen“) zeugt noch davon.

Nicolas Schulze, Potsdamer Pianist und Constanze Schliebs, Agentin und Organisatorin des Jazz Improvise Meeting Festivals.
Nicolas Schulze, Potsdamer Pianist und Constanze Schliebs, Agentin und Organisatorin des Jazz Improvise Meeting Festivals.

© privat

Solokonzerte in Potsdam geplant

„Es war gar nicht klar, ob irgendwas funktioniert“, sagt Schulze. Man wollte große Namen aus aller Welt einladen, auch Workshops waren geplant, doch aufgrund der Reisebeschränkungen und Hygienevorschriften mussten Schulze und Schliebs umplanen.

Internationaler ist das Programm dennoch geworden. So konnten die Kuratoren unter anderem die dänische Weltmusik-Pionierin Marilyn Mazur gewinnen, eine der letzten Schlagzeugerinnen von Miles Davis, die schon mit Jazz-Größen wie Jan Garbarek zusammengearbeitet hat. „Wir sind sehr glücklich, dass das geklappt hat“, sagt Schliebs. Die Musikerin, die oft inmitten einer Armada von Percussion-Instrumenten thront, wird in Potsdam ein Solokonzert bestreiten. Das spannendste weil unvorhersehbarste Konzert dürfte der Auftritt von Aki Takases neuer Band Japanic sein, dessen Besetzung es in sich hat: Mit von der Partie sind unter anderem Vincent von Schlippenbach alias DJ Illvibe, bekannt als Produzent von Peter Fox und Seeed, die deutsche Saxophon-Instanz Daniel Erdmann sowie Bassist Johannes Fink und der norwegische Schlagzeuger Dag Magnus Narvesen. „Aki Takase macht live gerne einen Ritt quer durch alle Stile“, sagt Schliebs. „Es ist total organisch, aber sie kommt am Ende oft ganz woanders heraus, als von wo sie gestartet ist.“

Statt aus Norwegen kommen die Künstler jetzt aus Berlin

Zu den Höhepunkten der Jazzoffensive hätte definitiv auch das Konzert der Norweger Erland Dahlen und Stian Westerhus (Jaga Jazzist) gehört, doch aufgrund der aktuellen Reisebeschränkungen mussten beide einige Tage vor dem Festival ihre Teilnahme absagen. Stattdessen gibt es mit der Berliner Allstar-Band Mokete Mokete einen gesalzenen Mix aus Jazz, Funk und Afro-Beats, der sich perfekt in das experimentelle Programm einfügt.

Wer nicht nur Jazz- sondern auch Bob-Dylan-Fan ist, sollte sich Absolutely Sweet Marie nicht entgehen lassen: Die junge Berliner Band, die aus drei Bläsern und einem Schlagzeuger besteht, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Songs des Altmeisters mit „gesunder Respektlosigkeit“ neu zu interpretieren, sagt Schulze: „Man erkennt die Songs am Anfang meist sehr gut, aber in den Improvisationen wird es dann sehr frei.“

Das war das Duo "Tide" bei der Vierten Jazzoffensive in der Schiffbauergasse.
Das war das Duo "Tide" bei der Vierten Jazzoffensive in der Schiffbauergasse.

© Nanna Dis

Open Air derzeit einfacher zu stemmen als Konzerte in geschlossenen Sälen

Dass die Jazzoffensive diesmal nur einen Tag statt drei dauert, ist nicht coronabedingt, sondern war von Anfang an geplant: Schulze und Schliebs wollten ein konzentriertes, dafür hochkarätiges Programm auf die Beine stellen. Auch der Zeitpunkt – Anfang Herbst statt im Winter – stand schon vorher fest und spielt den Organisatoren nun in die Karten: Ein Open Air zwischen Fabrik und Waschhaus ist wesentlich einfacher zu stemmen als Konzerte einer geschlossenen Location. Zudem kann das Festival die bereits bestehenden Absperrungen nutzen, die für die Tanztage errichtet worden waren. Auch die Teilnehmerzahl sollte kein Problem sein: Im vergangenen Jahr hatten pro Tag nur knapp hundert Menschen die Jazzoffensive besucht.

Schulze und Schliebs sind voller Hoffnung, dass die Jazzoffensive trotz der vielen Hürden auch dieses Jahr ein Erfolg wird. Aufgeben war für sie ohnehin nie eine Option: „Wir wollten auf jeden Fall irgendetwas machen und auch die Musiker sind total heiß darauf, zu spielen“, sagt Schliebs. Schließlich seien für viele fast alle Konzerte dieses Jahr ausgefallen. „Geld ist das eine, aber den Austausch mit dem Publikum kann man nicht ersetzen.“

Schulze erinnert sich an eine Situation aus dem vergangenen Jahr, als er verschiedene Künstler für die Jazzoffensive 2019 angefragt hatte: „Da gab es einen Musiker, der meinte: Wenn ich vor weniger als 200 Leuten auftreten soll, dann komme ich nicht.“ Solche Gespräche mussten die Kuratoren dieses Jahr nicht führen: „Alle waren total glücklich, dass sie eine Gelegenheit für einen Auftritt bekommen haben“, sagt Schliebs.

Jazzoffensive, 4. September, 19.30  bis 23 Uhr, Open Air zwischen Fabrik und Waschhaus, Tickets kosten 30 Euro, für ViP-Abokunden 25 Euro, ermäßigt 15 Euro

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